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St. Pauli: Gewalt und Polizei beim Fußball – Muss der Staat zahlen?


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Polizeieinsätze bei Fußballspielen
Der Staat muss zahlen, dafür ist er da

  • Gregory Dauber
MeinungVon Gregory Dauber

16.11.2023Lesedauer: 3 Min.
Polizisten stehen vor dem Gästeblock im Millerntor-Stadion: Zuvor war es zu schweren Zusammenstößen mit Fans aus Hannover gekommen.Vergrößern des Bildes
Polizisten stehen vor dem Gästeblock im Millerntor-Stadion: Zuvor war es zu schweren Zusammenstößen mit Fans aus Hannover gekommen. (Quelle: Eibner-Pressefoto/Stephanie Zer/imago-images-bilder)

Wieder wird über die Kosten für Polizeieinsätze beim Fußball diskutiert. Und wieder, ohne auf Fakten und Gesetze zu schauen.

Behelmte Polizisten und vermummte Fußballfans, die aufeinander einprügeln: Die Bilder aus der 2. Fußball-Bundesliga entstanden am vergangenen Freitag beim Spiel St. Pauli gegen Hannover 96. Sie haben der Debatte um Gewalt in Stadien einen neuen Schub gegeben. Selbst für erfahrene Beobachter ist das, was da zu sehen war, außergewöhnlich.

Das Prozedere ist stets das gleiche: Nach Gewaltexzessen beim Fußball fordern Innenpolitiker und Polizeivertreter regelmäßig, Fußballvereine sollten an den Einsatzkosten für sogenannte Hochrisikospiele beteiligt werden. Das ist jedoch nichts weiter als faktenfreier Populismus.

Hauptsache schmissig, das hilft der Law-and-Order-Stimmung

Es ist nicht verwunderlich, dass sich Innenpolitiker und Polizeifunktionäre auf dieses aus ihrer Sicht gefundene Fressen stürzen. Denn die vermeintliche Verschwendung von Steuergeldern ist vielen Deutschen ein Dorn im Auge.

Zudem ist es Law-and-Order-Vertretern oft ein Leichtes, die Schuldfrage für die Gewalt zu beantworten: Es seien vermummte und schwer kriminelle Fußballfans, denen kein Einhalt geboten werden könne. Das ist schmissig, das macht Stimmung.

Kritische Aufarbeitung spielt untergeordnete Rolle

Die Debatte um Polizeikosten überdeckt in diesem Fall aber die Frage, warum behelmte Polizisten überhaupt in einen eng gefüllten Gästeblock der Hannover-Fans gestürmt sind. Ob das verhältnismäßig war, ist nicht ansatzweise geklärt. Dass Polizisten völlig wahllos große Mengen Reizgas in die teils aggressive, teils verängstigte Menge gesprüht haben, verkommt zur Randnotiz. Beide Vereine kritisieren den Einsatz. So wie jetzt in Hamburg gibt es in jeder Saison Beispiele für Polizeieinsätze, die später als unverhältnismäßig oder pauschalisierend kritisiert werden.

Nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Gewalt und Hass haben, wie in allen Teilen unserer Gesellschaft, auch im Fußball nichts zu suchen. Wie aber auch in anderen Bereichen halten sich daran nicht alle. Eine straffällige Minderheit gibt es überall.

Warum aber sollten dann ausgerechnet die Vereine für das Gebaren der Stadionbesucher verantwortlich gemacht werden? Der Veranstalter eines Volksfestes wird auch nicht für alkoholbedingte Unfälle oder Schlägereien auf dem Festplatz verantwortlich gemacht. Egal ob Oktoberfest oder Dorfkirmes: Müssten die Veranstalter die Kosten für Polizei-Einsätze bezahlen, wären die Feste Geschichte.

Wer wann bezahlen muss, ist klar geregelt

In vielen Fällen werden Einsatzkosten bereits auf die Verantwortlichen abgewälzt, insbesondere dann, wenn Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit ursächlich sind. Diese Logik lässt sich nicht auf Fußballspiele übertragen, wie die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages schon 2007 feststellten: "In der Regel sind Veranstalter nicht als Störer anzusehen; Ersatzansprüche sind im Polizeirecht aber nur gegenüber dem Störer geregelt."

Besonders große zwischen Fangruppen bestehende Rivalitäten, die oft maßgeblich für die polizeiliche Risikobewertung sind, liegen nicht im Einflussbereich der Vereine. Sie tun bereits alles in ihrer Macht Stehende und rechtlich Zulässige, um diese Gewalt zu verhindern: strikte Einlasskontrollen, eindringliche Appelle mithilfe von Fanbeauftragten und Sozialarbeitern, Förderung von gesellschaftlichen Initiativen und auch die bei Fans unbeliebten Stadionverbote. All das reicht in manchen Fällen aber nicht aus. Dann muss der Staat eingreifen.

Mit Spannung wird vor diesem Hintergrund ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Erstligisten Werder Bremen erwartet. Dort stellen die örtlichen Behörden der Deutschen Fußballliga (DFL) seit 2015 Rechnungen für Polizeieinsätze aus, die dann an den SV Werder weitergegeben werden. Es geht jeweils um mehrere Hunderttausend Euro. Der DFL hat dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Der Staat hat das Gewaltmonopol, das ist eine der wichtigsten Errungenschaften der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Auf die Frage, wer für Polizeikosten rund um Fußballspiele, Volksfeste oder Demonstrationen aufkommen muss, kann es nur eine Antwort geben: der Staat, natürlich. Dafür ist er da.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen und Erkenntnisse
  • bundestag.de: "Polizeiliche Maßnahmen und Kostenersatz durch den Veranstalter von Großsportveranstaltungen"
  • hannover96.de: "Vorkommnisse abseits des Platzes überschatten 96-Spiel im Millerntor-Stadion"
  • presseportal.de: "Polizei Wolfsburg zu den polizeilichen Maßnahmen am Bahnhof beim gestrigen Fußballspiel gegen SV Werder Bremen"
  • presseportal.de: "Mehrere Gewahrsamnahmen anlässlich des Bundesligaspiels VfB Stuttgart gegen Borussia Dortmund"
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