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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Team zerlegt Marokko Unverschämt
Die deutschen Fußballerinnen sind furios in die WM gestartet. Eine Hauptrolle spielte mal wieder Alex Popp, die nach der Partie emotional ergriffen war.
Aus Melbourne berichtet Noah Platschko
Lydia und Lubda waren sich überhaupt nicht einig. Die extra aus Rabat nach Australien gereisten Fans des marokkanischen Teams schätzten die Chancen ihres Teams gegen die deutsche Mannschaft vor Spielbeginn unterschiedlich ein. "Wer ist Deutschland?", befand Lubda selbstbewusst, spaßig arrogant, während Lydia offen zugab: "Wir haben Angst vor den Deutschen".
Gemessen am reinen Ergebnis des Auftaktspiels der DFB-Frauen bei der WM ließ sich nach Spielende festhalten, dass die Angst Lydias vollkommen begründet war. Denn die deutsche Mannschaft gewann nicht nur hoch mit 6:0, sondern feierte gleichzeitig den höchsten Sieg eines Teams bei der bisherigen WM.
Kein Gegentor bekommen, sechs geschossen, also alles super? Nicht ganz. Schließlich war den DFB-Frauen in der Anfangsphase eine gewisse Nervosität anzumerken. Fehlpässe und Abstimmungsprobleme säumten das Spiel der DFB-Frauen, die erst durch das 2:0 durch Alex Popp befreiter aufspielten – und spätestens mit dem 3:0 Sekunden nach Wiederanpfiff untermauerten, wer an diesem Winterabend bei frischen 13 Grad in Melbourne den Platz als Sieger verlassen würde.
Ohnehin: Alex Popp. Da war sie wieder, als wäre sie nie weg gewesen. Mit einer unverschämten Selbstverständlichkeit war es die Stürmerin vom VfL Wolfsburg, die mit den Toren zum 1:0 (11. Minute) und 2:0 ihr Team auf die Siegerstraße führte. Klammert man das EM-Finale aus, das sie verletzungsbedingt verpasste, traf Popp nun achtmal in sieben Turnierspielen am Stück – eine beeindruckende wie für die Gegnerinnen angsteinflößende Bilanz.
Popp erinnert an das verpasste Endspiel 2022
"Ich habe mir keine konkrete Zahl vorgenommen", sagte die 32-Jährige nach Abpfiff auf der Pressekonferenz – und erinnerte selbst noch mal an das verpasste Endspiel im vergangenen Jahr. "Ich will ins Finale kommen, es spielen und am Ende auch gewinnen", so Popp, die sich gewohnt als Teamplayerin gab. "Ich hoffe, dass es so weitergeht und ich der Mannschaft in wichtigen Situationen helfen kann. Am Ende ist mir aber völlig egal, wer die Tore macht. Hauptsache, wir schießen immer eins mehr als der Gegner."
Auch die Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wusste den hohen Erfolg entsprechend einzuordnen. "Ich weiß nicht, ob es ein Statement war, das müssen die anderen einschätzen. Wir drehen jetzt nicht durch, sondern wir können das Ergebnis einschätzen. Der Auftakt war toll, wir haben einen ersten Schritt gemacht, und jetzt konzentrieren wir uns auf die weiteren Aufgaben. Uns ist bewusst, dass wir heute nicht auf den stärksten Gegner getroffen sind", so die 55-Jährige, die ebenfalls Probleme in Timing, Passspiel und Stellungsspiel, insbesondere in der Anfangsphase, ausmachte.
Dennoch dürfte "MVT" gefallen haben, dass ihre Mannschaft auch ohne die angeschlagenen Stammspielerinnen Lena Oberdorf und Marina Hegering innerhalb des Matches eine Leistungssteigerung verzeichnete. Insbesondere die Außenspielerinnen Klara Bühl und Jule Brand, anfangs noch etwas verspielt und fehlerbehaftet, bissen sich in die Partie und wussten mit fortlaufender Spieldauer zu überzeugen.
Möwen über dem Stadion – Popp wird emotional
Gerade Brand, bei ihrem Klub in Wolfsburg zuletzt nur Bankdrückerin, wusste mit ihren Tempodribblings das Melbourner Publikum zu begeistern – auch wenn ihr selbst nicht bewusst war, wie ihre Aktionen bei den Fans ankamen. "Oh, nee, hab ich gar nicht mitbekommen. Aber das freut mich natürlich", sagte die 20-Jährige gewohnt schüchtern zu t-online.
Generell sorgten die 27.256 Zuschauerinnen und Zuschauer im nahezu ausverkauften Victoria Stadion für eine lebhafte Stimmung. Selbst die ortsansässigen Möwen kreisten über dem Rund des Stadions und wollten sich das fußballerische Spektakel auf dem Rasen nicht entgehen lassen.
Eine Verbindung gen Himmel baute auch Torjägerin Popp auf, die von der Fifa zum "Visa Player of the Match" gekürt wurde. Beide Treffer hatte sie wie gewohnt mit ihrem "E.T."-Jubel gefeiert und dabei nicht nur "nach Hause telefoniert", sondern auch ihres verstorbenen Vaters gedacht. "Es geht auch um Menschen, die nicht mehr unter uns sind, die wichtig waren. Derjenige, der abgenommen hat, ist mein Vater", so die gelernte Tierpflegerin auf der Pressekonferenz nach Spielschluss.
Für Popp ging damit ein emotionaler Arbeitstag zu Ende. Für das Team war es der Startschuss in ein Turnier, das nach Ansicht aller Spielerinnen erst am 20. August mit dem Endspiel in Sydney enden wird. Möglicherweise dann auch mit Popp in der Startelf. Und vielleicht sogar mit dem Titel.
- Eigene Beobachtungen im Stadion vor Ort
- Aussagen der Spielerinnen in der Mixed Zone
- Pressekonferenz nach Abpfiff