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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Torjäger-Legende verstorben Gerd Müller: Warum ihn der Wechsel in die USA fürs Leben zeichnete
Am Sonntag starb der "Bomber der Nation", Gerd Müller. Die Fußballwelt trauert um einen ihrer Größten, der es nicht immer einfach hatte. Das beweist Müllers Kapitel in den USA Anfang der 1980er-Jahre.
Es war ein Wechsel, den man sich damals nicht hätte vorstellen können. Gerd Müller verlässt den FC Bayern, um in die USA zu wechseln. Zu der Zeit – trotz Spielern wie Franz Beckenbauer, Pelé und George Best – nicht mehr als ein Fußballentwicklungsland. Doch Müller wollte weg. Eine Auswechslung hatte ihm das Fußballerherz gebrochen.
Im Februar 1979 war das. Die Bayern spielten bei Eintracht Frankfurt, nach 82 Minuten, beim Stand von 0:2 aus Münchner Sicht, holte Trainer Pál Csernai den "Bomber der Nation" vom Spielfeld. Bis dahin ein fast nie dagewesener Vorgang, der an Gerd Müller nagte. "Ich hab schlecht gespielt, aber das war dem Csernai grad recht. Er hat mich sowieso nicht leiden mögen", sagte Müller später mal. Er machte nur noch ein Spiel gegen Borussia Dortmund, danach war er weg. Mit 33 Jahren wagte Müller den Sprung in die USA.
Finanzielle Nöte bei Müller?
Doch es waren wohl nicht nur sportliche Gründe, die Müller zu einem Wechsel bewegten. Er soll sich in finanziellen Nöten befunden haben. Der Historiker Hans Woller schreibt in seinem Buch "Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam", dass sich Müller 1978 auch im Visier der Steuerbehörden befand. In den USA konnte die Stürmer-Legende allerdings noch mal viel Geld verdienen, rund 800.000 Mark sollen es gewesen sein. "Ich verdiene sicher nicht weniger als bei Bayern, sonst würde ich es ja nicht machen", erklärte Müller damals.
Der Start in den USA bei den Fort Lauderdale Strikers verlief eher holprig, erst im dritten Spiel traf Gerd Müller zum ersten Mal das Tor. Da war die Kritik am alternden Star aus Deutschland längst laut geworden, den Experten und Fans ging das alles nicht schnell genug. Doch Müller ließ sich nicht beirren und antwortete auf die für ihn typische Art: mit Toren. 19 Stück waren es am Saisonende in 25 Spielen, er wurde von den Fans sogar zum "Striker" der Saison gewählt.
Müller, der immer wieder mit Bandscheibenproblemen zu kämpfen hatte, lieferte auch in der zweiten US-Saison ab, mit 14 Toren in 29 Spielen. Mit Fort Lauderdale stand er sogar im Finale gegen seinen alten Spezi Franz Beckenbauer und New York Comos, doch das Endspiel ging 0:3 verloren, Müller musste nach 40 Minuten verletzt ausgewechselt werden. Es war der Höhepunkt in Übersee – danach begann eine sportlich schwere Zeit, die im Juli 1981 darin gipfelte, dass der neu installierte deutsche Trainer Eckhard Krautzun über Müller sagte: "Er bringt es einfach nicht mehr. Ich stelle ihn doch nicht auf, weil er mal Weltmeister war. Seinen Stammplatz ist er ein für alle Mal los."
Alkohol gegen den Kummer
Historiker Woller schreibt über diese Situation in seinem Buch: "Er trank mehr, als ihm guttat, und verkroch sich in sich selbst und seinen Kummer." Müller und der Alkohol – es war ein offenes Geheimnis, wurde medial aber nicht diskutiert. Doch schon als Spieler des FC Bayern soll es Situationen gegeben haben, in denen Müller zu tief ins Glas geschaut hatte. Die sportliche Degradierung in den USA tat ihr übriges.
Gerd Müller entschied sich trotzdem, in den USA zu bleiben, machte ein Steakhouse mit dem Namen "The Ambry" auf und kickte bei Amateurmannschaften noch ein bisschen mit. Nur ein Problem blieb, und verschlimmerte sich zusehends: der Alkohol. "Gerd Müller war, man muss es so drastisch sagen, gegen zehn Uhr abends regelmäßig blau", schreibt Woller. Ein Grund waren mit Sicherheit auch Besucher des Restaurants, die immer wieder mit ihm anstoßen wollten. Und auch finanziell soll es nicht rosig um die Müllers bestellt gewesen sein.
Mitte der 1980er-Jahre zogen Gerd Müller und seine Frau Uschi die Reißleine und zogen nach München zurück. Die USA waren Geschichte. Eine Geschichte, die erfolgreich startete und in einem Absturz endete.
Müllers ehemalige Mitspieler Uli Hoeneß und Franz Beckenbauer waren es am Ende, die den bis heute einmaligen Torjäger auffingen, ihm beim FC Bayern integrierten, ihm eine Aufgabe als Co-Trainer und so wieder Halt gaben. "Ohne die Hilfe meiner Freunde hätte ich es wohl nicht geschafft", sagte Gerd Müller einmal. Anfang der 1990er hatte er schließlich seinen größten Dämon, den Alkohol, besiegt.
- Eigene Recherche
- Kicker-Sonderheft: "Gerd Müller, der größte Torjäger aller Zeiten" (Print)
- Hans Woller: "Gerd Müller oder Wie das große Geld in den Fußball kam" (Buch/C.H.Beck)