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Stefan Effenberg: Mit heutigem Wissen würden die BVB-Bosse anders entscheiden


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BVB im Dilemma
Dortmunds Pokalsieg hat gleich für drei Top-Trainer brisante Folgen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 14.05.2021Lesedauer: 8 Min.
Plötzlich Pokalsieger: Dortmunds Interimstrainer Edin Terzic im Berliner Olympiastadion.Vergrößern des Bildes
Plötzlich Pokalsieger: Dortmunds Interimstrainer Edin Terzic im Berliner Olympiastadion. (Quelle: Martin Rose/dpa)
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Nach dem Sieg im DFB-Pokal stehen Dortmund und Trainer Terzic vor einer schwierigen Entscheidung – doch auch für Gegner Nagelsmann hat die Niederlage Folgen.

Borussia Dortmund ist zum fünften Mal Pokalsieger. Und das absolut verdient. Ich kann mich nicht an viele Endspiele erinnern, die so deutlich waren. Zumal als Gegner nicht irgendwer auf dem Platz stand, sondern der Bayern-Verfolger Nummer eins in der Bundesliga, RB Leipzig. Besonders erfreulich: die erfrischenden Jubelbilder, die echte Freude vermittelt haben – ganz anders als die vom FC Bayern, nachdem der neunte Meistertitel in Folge feststand. Insbesondere Erling Haaland und Jadon Sancho, die immer wieder mit einem Abschied in Verbindung gebracht werden, haben sich gefreut wie kleine Kinder.

Das Pokalfinale und die Meisterschaft sind also entschieden. Dennoch stehen an den verbliebenen Bundesligaspieltagen noch wichtige Entscheidungen an – und spannende Diskussionen. Am meisten Brisanz birgt die beim BVB.

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Ich behaupte: Mit dem Wissen von heute hätte Dortmund Marco Rose nicht verpflichtet

Es ist der 15. Februar, als der BVB verkündet: Zur neuen Saison wird Trainer Marco Rose von Borussia Mönchengladbach kommen. Die Ablöse: fünf Millionen Euro. Die Ausgangslage: Dortmund liegt in der Liga auf Platz sechs, hat sechs Punkte Rückstand auf Platz vier und die damit verbundene Qualifikation für die Champions League. Die Borussia hofft, dass Interimslösung Edin Terzic das noch aufholt – hat allerdings gerade nur 2:2 gegen Hoffenheim gespielt.

Mats Hummels sagt nach diesem Spiel ein paar bemerkenswerte Worte: "Unter keinem Trainer der Welt ist nach zwei Wochen alles so, wie man sich das vorstellt. Das war bei Jürgen Klopp so, das ist bei Edin Terzic jetzt so. Aktuell zeigen wir ein anderes Gesicht, als wir es vorher gezeigt haben, vor allem im Training." Motto: Gebt uns Zeit, dann werden wir Erfolg haben. Ganz sicher.

In Dortmund herrscht also Unsicherheit, Rose dagegen hat mit Gladbach das Achtelfinale der Champions League erreicht – zum allerersten Mal in der Vereinsgeschichte. Das große Thema zu der Zeit: Ist ein Wechsel von der Gladbacher zur Dortmunder Borussia überhaupt ein Schritt nach vorn für Rose?

Drei Monate später haben wir eine Antwort. Wir wissen: Ja, das ist es. Und das hat auch mit diesen beiden Trainern zu tun. Denn Terzic hat das Pokalfinale in einer eindrucksvollen Art und Weise gewonnen und wird auch die Qualifikation zur Champions League erreichen, davon bin ich überzeugt. Er ist Dortmunder durch und durch. Er ist bei Spielern und Fans extrem beliebt und er hat bewiesen, dass er mit Druck umgehen kann.

Rose dagegen ist in der Champions League und im DFB-Pokal längst ausgeschieden. Und in der Bundesliga droht er nach dem 0:6 gegen den FC Bayern die Qualifikation für den Europapokal zu verpassen. Die Diskussionen drehen sich nur noch darum, ob Gladbach ihn nicht längst hätte rauswerfen sollen.

Diese Entwicklung sowohl bei Terzic als auch bei Rose macht die Situation für Borussia Dortmund im Hinblick auf die kommende Saison so unheimlich schwierig und gefährlich. Der BVB steckt in der Zwickmühle.

Denn Terzic soll künftig als Co-Trainer an der Seite von Rose arbeiten. Das ist der bislang besprochene Stand. Und die Frage war lange offen: Ist Terzic einer für die zweite Reihe? Er hat sie selbst mit dem Pokalsieg beantwortet. Mit einem "Nein".

Schon jetzt wird daher diskutiert, ob hier in der kommenden Saison möglicherweise der falsche Trainer der Chef ist. Wie soll das erst werden, wenn Rose das erste Mal nicht erfolgreich ist? Wenn er seine Spiele nicht gewinnt? Wahrscheinlich tut Dortmund Rose keinen Gefallen, wenn Terzic bleibt und als Schattenmann immer präsent ist.

Gibt Dortmund Terzic allerdings ab und hat dann mit Rose keinen Erfolg, wird es ebenfalls eine große Diskussion geben: Warum bloß hat Dortmund den perfekten Backup einfach so hergegeben und nun eben keine Alternative mehr für Rose? Das wäre wohl ein noch größeres Dilemma.

Ich behaupte: Hätten die BVB-Bosse gewusst, wie diese Saison ausgeht, hätten sie Rose nie im Leben für fünf Millionen Euro aus Mönchengladbach geholt, sondern Terzic gleich langfristig das Vertrauen als Cheftrainer gegeben.

Für Terzic ist es zwar bitter, den Traumjob Dortmund-Trainer vorerst los zu sein. Trotzdem ist er der große Gewinner. In kürzester Zeit hat er der Mannschaft seinen Stempel aufgedrückt und den maximalen Erfolg geschafft.

Es ist nun lediglich eine Frage der Zeit, aber: Terzic wird als Cheftrainer die volle Verantwortung tragen. Wenn er zu Leverkusen, Frankfurt oder Bremen wechselt, tut er das zu Beginn der kommenden Saison. Wenn er in Dortmund bleibt, bekommt er sie womöglich als Nachfolger von Rose wieder – wann auch immer das sein wird. Dann aber sicher nicht mehr als Interimstrainer.

Dortmund und Terzic stehen also vor ganz wichtigen Entscheidungen. Genauso spannend sind allerdings die Fragen, was das Finale für Nagelsmann bedeutet, wer nächste Saison Bayern-Verfolger Nummer eins wird, wer Fritz Keller als DFB-Präsident ablöst und wie das Bundesliga-Finale ausgeht. Hier kommen meine Thesen dazu.

Nagelsmann hat es nach dem Pokalfinale schwerer bei Bayern

So erfreulich der klare Sieg für Dortmund ist, so hart ist die Niederlage für Leipzig und Trainer Julian Nagelsmann – und zwar auch in Bezug auf seine Zukunft. Selbst Bayern-Vorstand Oliver Kahn erklärte vor dem Spiel, warum er dem künftigen Bayern-Trainer die Daumen drücke: „Mit dem Pokalsieg nach München zu kommen ist nicht so verkehrt.“

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Natürlich ist es einfacher, mit einem Titel im Gepäck nach München zu wechseln. Nun kommt er ohne Pokal und stattdessen mit einer heftigen Niederlage, bei der er zunächst die falsche Aufstellung gewählt hat. Nagelsmann wird künftig die vielleicht besten Spieler Europas trainieren und die denken sich womöglich: „Jetzt kriegen wir also einen Trainer, der das Pokalfinale 1:4 gegen Dortmund verloren hat.“ Das macht die Sache nicht unmöglich, aber zumindest deutlich schwerer.

Dortmund wird wieder Bayern-Verfolger Nummer eins

In dieser Saison ist RB Leipzig hinter dem FC Bayern die beste Mannschaft der Bundesliga und wird Vizemeister. Doch neben Trainer Julian Nagelsmann gehen Sportdirektor Markus Krösche, Abwehrspieler Dayot Upamecano und wohl auch Ibrahima Konaté. Obwohl mit Jesse Marsch ein neuer Trainer bereits verpflichtet ist und einige Spieler verlängert haben, sehe ich den BVB künftig wieder vorn.

Voraussetzung ist, dass sie die Mannschaft zusammenhalten, also auch Erling Haaland und Jadon Sancho bleiben, sich mit einem neuen Torwart verstärken – vielleicht mit Gregor Kobel vom VfB Stuttgart. Das Wichtigste ist allerdings, dass sie gleich zu Beginn in die Erfolgsspur kommen und die Trainerdiskussion beenden.

Es gibt keine bessere Lösung als Rummenigge oder Hoeneß für den DFB

Der DFB steht mal wieder vor einem Neuanfang – die gesamte Spitze zieht sich bis 2022 zurück und macht Platz für eine neue. Dazu gehört auch Präsident Fritz Keller. Der ist nach kurzer Zeit schon wieder weg – allerdings damit nur der letzte in einer langen Reihe unwürdiger Präsidenten. Der DFB sucht mal wieder einen Nachfolger. Und ich bleibe dabei, dass die Wahl auf denjenigen fallen sollte, der die meiste Fachkompetenz mitbringt. Das trifft zum einen auf Karl-Heinz Rummenigge zu, zum anderen auf Uli Hoeneß. Einer von beiden oder sogar beide zusammen als Doppelspitze wären die perfekte Lösung, dabei bleibe ich. Hoeneß hat sich längst aus allen Ämtern beim FC Bayern zurückgezogen und auch seine Expertentätigkeit für RTL schon wieder beendet, Rummenigge bereitet derzeit seinen Ausstieg als Vorstandschef zum Jahresende vor. An der Nagelsmann-Verpflichtung war er schon nicht mehr beteiligt, womöglich könnte er sich für ein neues Amt auch früher rausziehen.

Es muss definitiv jemand sein, zu dem die Branche aufschaut.

Auch Rudi Völler wäre eine herausragende Lösung. Bei all diesen Kandidaten ist es allerdings auch eine Frage von Motivation und Spaß. Wenn sie den nicht haben oder entwickeln können, wird es schwierig. Auf der anderen Seite wäre es schon unglaublich schade, wenn sich insbesondere Rummenigge oder Hoeneß nicht einbringen und nicht dafür sorgen würden, dass der deutsche Fußball weiterhin von ihren Erfahrungen, Qualitäten und auch Kontakten profitiert.

Für mich ist klar: Es muss jemand mit Erfahrung aus dem Fußball machen. Kein Politiker wie Keller-Vorgänger Reinhard Grindel. Und auch den derzeit gehandelten Philipp Lahm kann ich mir in dieser Rolle noch nicht vorstellen. Lahm sehe ich perspektivisch als Nachfolger von Oliver Bierhoff als Manager und Direktor der Nationalmannschaft.

Das DFB-Führungschaos ist eine Chance für Flick

Sollte sich Hansi Flick den DFB als künftiger Nationaltrainer antun? Zumal sich weitere Interessenten wie der FC Barcelona oder Juventus Turin zu melden scheinen? Ich denke: ja. Bei Bayern hatte er Ärger mit Sportvorstand Hasan Salihamidzic. Beim DFB sehe ich nach den Rücktrittsankündigungen der Verbandsspitze in erster Linie eine große Chance für einen harmonischen Neubeginn.

Ich kann mir abgesehen davon auch nicht wirklich vorstellen, dass Flick nun einen anderen Topverein in Europa trainiert. Für ihn ergibt nach der Zeit beim FC Bayern nur die Nationalmannschaft Sinn. Und das wird auch seit geraumer Zeit sein Plan sein, den er nun umsetzt.

Dortmund schafft die Champions-League-Quali trotz des Restprogramms

Eintracht Frankfurt hat bis heute eine überragende Saison gespielt. Umso bitterer ist es, dass sie wohl dennoch die ersten vier Plätze und die damit verbundene Qualifikation für die Champions League verpassen werden. Sie spielen „nur“ noch gegen das bereits abgestiegene Schalke sowie den SC Freiburg, für den die Saison im Prinzip beendet ist. Sie haben also auf dem Papier das leichteste Restprogramm. Aber ich sehe sie psychologisch klar im Nachteil, weil sie gerade aus den ersten Plätzen rausgerutscht sind.

Leipzig, Wolfsburg und Dortmund werden sich das nicht mehr nehmen lassen. Dortmund hat mit Mainz und Leverkusen sicherlich das härtere Restprogramm als Frankfurt, aber: Sie haben es selbst in der Hand, sie haben einen Lauf und sind eben trotz der holprigen Saison letztlich ein Spitzenteam.

Köln steigt ab und Augsburg droht die Relegation

Kein Verein hat in der aktuellen Saison so viel auf die Ohren bekommen wie der FC Schalke – durchgehend über ein Jahr und in allen Bereichen. Und natürlich vollkommen zu Recht. Aber: Jetzt muss man Schalke auch mal wieder in Ruhe lassen und dem Verein die Möglichkeit geben, an der Rückkehr in die Bundesliga zu arbeiten und eine Mannschaft für die neue Saison aufzubauen.

Welcher Klub geht mit Schalke den Weg in die zweite Liga? Ich gehe davon aus, dass es den 1. FC Köln trifft, der nun in zwei direkten Abstiegsduellen zunächst bei Hertha BSC und dann gegen Schalke antritt. Und dann bleiben noch Bielefeld, Werder, Hertha und Augsburg für die Relegation. Für Hertha wäre ein Abstieg noch schlimmer als für Schalke, allerdings scheinen die Berliner nach der Corona-Zwangspause bislang sehr gut mit der immensen Belastung klarzukommen. Nach der zweiwöchigen Quarantäne haben sie aus vier Spielen bereits acht Punkte geholt.

Mit Müller, Hummels und Boateng kann Deutschland Europameister werden

Kaum zu glauben, aber bis zum Auftaktspiel der EM sind es nur noch 28 Tage. Am kommenden Mittwoch wird bereits der Kader der deutschen Nationalmannschaft für die EM bekannt gegeben. In diesem Jahr aufgrund von Corona mit drei Spielern mehr als gewöhnlich, also 26. Bundestrainer Joachim Löw soll Thomas Müller bereits angerufen und seine Bereitschaft abgeklopft haben, nach zwei Jahren wieder zurückzukehren. Das wäre natürlich das richtige Signal und auch die richtige Entscheidung, ihn mitzunehmen.

Ich bin ein Freund davon, wenn es nach dem Leistungsprinzip geht. Und wenn es danach geht, dann muss Löw neben Müller auch Mats Hummels und Jerome Boateng zurückholen. Löw weiß, dass es nicht mehr darum geht, eine Mannschaft aufzubauen, eine Hierarchie für die nächsten Jahre entstehen zu lassen oder Talenten Spielpraxis zu verschaffen. Es geht bei seinem letzten Turnier um das nackte Ergebnis. Und das wird mit dem Trio sicherlich besser ausfallen.

Da selbst die besten Gruppendritten in den Vorrundengruppen weiterkommen, wird Deutschland sicherlich die K.o.-Runde erreichen – trotz der Gruppe mit Frankreich und Portugal. Anschließend ist dann etwas Außergewöhnliches möglich, sowohl im Positiven als auch im Negativen, also vom Titel bis zum frühen Ausscheiden. Mit Hummels, Müller und Boateng ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass es positiv außergewöhnlich wird, wenn sich die Mannschaft dann in der Vorrunde eingespielt hat.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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