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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Philipp Lienhart "Ein Auto mit viel PS? Glücklicher macht mich das nicht"
Seit Sommer 2017 spielt Philipp Lienhart für den SC Freiburg. Zuvor sammelte der Österreicher Erfahrungen bei Real Madrid. Im Interview spricht er über das Profi-Dasein sowie seine erste Begegnung mit Zinédine Zidane.
Aktuell läuft es für den SC Freiburg und Philipp Lienhart. Nach einem holprigen Saisonstart hat sich die Elf von Trainer Christian Streich gefangen, gewann zwischenzeitlich sogar fünf Spiele in Folge und steht in der Tabelle auf einem mehr als passablen neunten Rang.
Bevor am Samstag mit Borussia Dortmund (15.30 Uhr, im Liveticker auf t-online) ein absolutes Schwergewicht in den Breisgau kommt, hat t-online mit dem österreichischen Nationalspieler gesprochen. Über seine Zeit bei Real Madrid unter Zinédine Zidane, Gesprächsthemen in der Kabine sowie dicke Autos und ungetragene Outfits.
t-online: Herr Lienhart, das Portal "Transfermarkt" führt Sie als zweifachen Champions-League-Sieger mit Real Madrid. Werden Sie oft darauf angesprochen?
Philipp Lienhart: Ehrlich gesagt nur von euch Journalisten. Sonst weiß das fast keiner (lacht).
Von 2014 bis 2018 standen Sie bei den Madrilenen unter Vertrag, haben dort auch in einer Kabine mit den Topgrößen des Weltfußballs gesessen. Wie war das damals für Sie?
Das war eine extrem spannende und aufregende Zeit. Als ich zu den Profis gekommen bin, wurde ich in der Kabine direkt super aufgenommen. Ich bin kein Typ, der gleich große Töne spuckt, sondern habe mich erst mal zurückgehalten. Aber es herrschte eine angenehme, freundliche und offene Atmosphäre. Auch Cristiano Ronaldo hat sich zu Beginn gleich mit mir unterhalten: Er kam auf mich zu und fragte, wie es mir geht, welche Sprachen ich spreche und woher ich komme. Es war unglaublich, dass ich auf einmal mit den Besten der Welt trainieren durfte.
In der zweiten Mannschaft von Real Madrid war auch Weltstar Zinédine Zidane ihr Trainer. Was haben Sie für Erinnerungen an ihn?
Zum ersten Mal getroffen habe ich ihn in der Kabine, als er sich als unser Trainer vorgestellt hat. Er hat eine unglaubliche Ausstrahlung und Aura.
Was macht den Trainer Zidane aus?
Er ist extrem kommunikativ, geht auf die Spieler zu. Du merkst ihm an: Er will jeden einzelnen Spieler besser machen. Und wenn ich einen Tipp von Zinédine Zidane bekomme, versuche ich den natürlich doppelt so schnell umzusetzen (lacht).
Wie sieht so ein Tipp vom Weltmeister und Champions-League-Sieger aus?
Er hat mir zum Beispiel gesagt, dass ich als Innenverteidiger immer schnell spielen soll. Mit wenigen Kontakten den besser postierten Spieler suchen, um das Spiel anzutreiben. Aber ich erinnere mich auch noch an eine andere bemerkenswerte Geschichte.
Erzählen Sie.
Wir haben einmal nach dem regulären Training Freistöße geübt, aber keiner hat getroffen. Dann hat Zidane sich den Ball geschnappt und ihn gleich beim ersten Versuch im Winkel versenkt. Da wussten wir, was Sache ist (lacht).
Hand aufs Herz: Wie groß war Ihre Hoffnung, bei Real den Durchbruch zu schaffen?
Für mich als ganz junger Abwehrspieler war es utopisch, Sergio Ramos oder Raphael Varane in der Innenverteidigung zu verdrängen, so realistisch habe ich das schon einschätzen können. Aber ich habe dennoch wahnsinnig viel aus der Zeit mitgenommen – sportlich, aber auch was meine persönliche Entwicklung angeht. Für mich war es dann wichtig, Spielpraxis auf hohem Niveau zu bekommen. Beim SC Freiburg habe ich den optimalen Ort gefunden, um mich weiterzuentwickeln. Ebenso mit einem großartigen Trainer, der mich geprägt hat.
Nicht jeder schafft den Sprung zum Profi, Vorurteile gegenüber Topfußballern gibt es aber zuhauf: Sie verdienen zu viel Geld, sind wie Roboter, ernähren sich nur gesund. Wie außergewöhnlich, würden Sie sagen, ist Ihr Leben?
Mein Leben ist ziemlich normal, zumindest sehe ich es überhaupt nicht als wahnsinnig außergewöhnlich an. Ich trainiere ein- bis zweimal am Tag, verbringe etliche Stunden des Tages im Trainingszentrum, meinem Arbeitsort. Danach wartet auf mich der weitere Alltag: Haushalt machen, einkaufen gehen, Rechnungen bezahlen. Da unterscheide ich mich als Fußballer nicht groß vom Otto Normalverbraucher, denke ich.
Ein weiterer Vorwurf ist, dass Fußballprofis abgehoben und arrogant sind. Sie sind Bundesliga-Stammspieler und haben bei Real Weltstars erlebt. Wie fällt Ihr persönliches Urteil aus?
Mein Eindruck ist generell: Oft geht es gar nicht um Angeberei. Wenn ein Spieler nach außen so wirkt, liegt das häufig eher daran, dass er sich eine harte Schale zugelegt hat. Man steht oft im Mittelpunkt, wird heftig kritisiert und will sich schützen. Wenn man dann etwas abblockt, wird einem das schnell als Arroganz ausgelegt.
Gladbach-Profi Hannes Wolf verriet im t-online-Interview, dass sein Auftreten nach außen auch ein Weg sei, seine eigene Unsicherheit zu überspielen.
Als Fußballer darfst du an Kritik nicht zerbrechen, sondern musst deinen persönlichen Umgang damit finden. Auch wenn es nach außen hin den Anschein erwecken könnte, man sei arrogant. Wobei ich auch nicht glaube, dass die Mehrheit der Spieler überhaupt arrogant rüberkommt. Ich denke, aufgrund des Verhaltens einiger wird schnell mal generalisiert. Das finde ich etwas schade.
André Schürrle sprach kürzlich davon, dass es in der Kabine viel um Statussymbole ging. Autos, Uhren, Klamotten, exklusive Urlaube: Welche Rolle spielen diese Dinge in Ihrem Leben?
Keine sehr große. Wobei, um ehrlich zu sein: Ich habe mir vor einem Jahr auch ein schickes Auto mit richtig viel PS geholt. Aber wenn ich darüber nachdenke: Glücklicher macht mich das nicht. Ich hätte kein Problem, mit einem kleinen Auto zum Training zu fahren.
Aber würden Sie dann nicht vielleicht schräg angeschaut werden in der Kabine?
Nee, hier sind ohnehin alle ziemlich bodenständig. Eine schicke Uhr, ein noch stärkeres Auto – das ist bei uns eher weniger Thema. Klar, wir sprechen auch mal darüber. Aber das ist doch nicht nur bei uns Fußballprofis so, oder?
Was ist denn bei Ihnen in der Kabine Thema?
Alles Mögliche. Wir unterhalten uns zum Beispiel über Netflix-Serien oder das Zocken an der Playstation (lacht). Ganz normale Dinge halt. Oder mal über andere Sportarten und unterschiedliche Ernährungsformen.
Haben Sie manchmal das Gefühl, dass Sie in der Kabine bestimmte Dinge nicht ansprechen können?
Jeder Spieler trägt womöglich Dinge mit sich herum, die er nicht unbedingt in der Kabine erzählen mag. Ebenso, wie andere Angestellte sicher nicht alles im Büro ausplaudern. Dennoch glaube ich, dass man nicht verurteilt wird, nur weil man zum Beispiel ein außergewöhnliches Hobby hat. Vielleicht kommt mal ein kleiner Spruch. Scherze und Blödsinn gehören in der Kabine dazu. Aber ich habe bislang noch nie erlebt, dass über jemanden ernsthaft negativ geurteilt wurde, nur weil er anders ist oder etwas anderes gern macht. Ich kann ja nur über meine bisherigen Erlebnisse als noch recht junger Spieler sprechen: Aber ich empfinde das Klima in Fußballkabinen als extrem tolerant.
Gibt es etwas, was Sie am Profifußball stört und was Sie gerne ändern würden?
Die exorbitant großen Ablösesummen. Ganz ehrlich: Das ist absurd. In Europa wechselt ein Spieler für 200 Millionen Euro den Klub, auf der anderen Seite der Erde verhungern täglich Menschen. Das ist niemandem mehr zu vermitteln – gerade nicht den Fans. Ich weiß, dass ich Teil dieses Systems bin und davon profitiere. Aber umso mehr ich darüber nachdenke: Immer nur mehr, mehr, mehr – das brauche ich eigentlich gar nicht. Ich habe mir vor ein paar Jahren einige teure Outfits gekauft, die ich bisher nicht mal anhatte …
Geld ist generell ein viel diskutiertes Thema im Fußball …
Wie gesagt, ich habe auch schon unnötig Geld ausgegeben. Aber rückblickend bin ich froh, dass ich noch während meiner Internatszeit eine ganz normale Lehre als Bürokaufmann begonnen habe. So weiß ich auch, wie es ist, für 500 Euro im Monat zu arbeiten. Ich denke, es ist nicht gut, wenn junge Spieler sofort Millionenverträge bekommen.
Warum nicht?
Es besteht die Gefahr, den Bezug zur Realität zu verlieren. So kann sich kein guter Umgang mit Geld entwickeln. Und man kann auch sportlich den Fokus verlieren, weil man denkt, schon viel erreicht zu haben. Daher halte ich es für gefährlich, zu schnell zu viel Geld zu bekommen.
Aktuell läuft es bei Ihnen und dem SC Freiburg. Was, würden Sie sagen, ist das Besondere am Sportclub – auch im Vergleich zu Madrid?
Madrid und Freiburg sind zwei unterschiedliche Welten. In Madrid ist alles sehr, sehr groß, vom Trainingsgelände bis zum Stadion. In Freiburg ist das Familiäre das, was es so besonders macht. Jeder kennt jeden. Häufig gehen wir Spieler nach dem Training zusammen essen oder wir schauen uns abends Champions-League-Spiele an. Dieses Gemeinschaftliche hier genieße ich, auch wenn es aktuell leider nicht so möglich ist.
Ihr Freiburger Teamkollege Nils Petersen sagte einmal im Podcast "Phrasenmäher", dass er als gegnerischer Spieler "nie Bock hatte, gegen Freiburg zu spielen". Merkt man das den Spielern an?
Das nicht, aber es gibt schon verschiedene Faktoren, warum Gegner vielleicht so denken. Zum einen unsere unangenehme Spielweise, dazu das kleine, enge Stadion und die außergewöhnliche Atmosphäre. Das versuchen wir als Mannschaft für uns zu nutzen, um eklig für jeden Gegner zu sein. Gerade in den vergangenen Wochen hat das ganz gut funktioniert.
- Telefongespräch mit Philipp Lienhart