Klinsmann nach Hertha-Aus "Die ganze Scheiße hätte nicht sein müssen"
Am Tag nach seinem überraschenden Hertha-Aus spricht Jürgen Klinsmann im Facebook-Livechat zu den Fans der Alten Dame – und erklärt seine Entscheidung in deutlichen Worten.
Jürgen Klinsmann hat die Umstände seines plötzlichen Rücktritts als Trainer von Hertha BSC selbst als "fragwürdig" bezeichnet. Er wolle sich für die Art und Weise seiner überraschenden Demission beim Berliner Fußball-Bundesligisten nach nur elf Wochen im Amt entschuldigen, sagte der 55-Jährige am Mittwochabend in einem Videochat bei Facebook. Seine klaren und wichtigsten Aussagen sehen Sie hier im Video. Er hätte sich "mehr Zeit lassen sollen, mehr reden sollen mit der Hertha-Führung", fügte Klinsmann hinzu. Die Entscheidung sei aber bereits seit Wochen in ihm gereift.
Auslöser für seinen Rücktritt seien Meinungsunterschiede über die Aufteilung von Kompetenzen zwischen ihm als Trainer und Sport-Geschäftsführer Michael Preetz gewesen. Dies habe ihm "unglaublich aufgestoßen". Bis zuletzt habe er sich bei den Berlinern in einem vertragslosen Zustand befunden, sagte Klinsmann.
Seinen Verbleib im Hertha-Aufsichtsrat ließ er dagegen offen. "Das ist allen überlassen bei der Hertha, da habe ich gar kein Problem damit. Da sollen die Leute sagen, wie sie es wünschen." Klinsmann war am Dienstag völlig überraschend als Cheftrainer zurückgetreten. Dabei hatte er angekündigt, sich künftig wieder seiner Rolle im Kontrollgremium der Hertha widmen zu wollen.
Der frühere Bundestrainer war Anfang November durch die Tennor Holding von Geldgeber Lars Windhorst für einen Platz im Aufsichtsrat der GmbH & Co. KGaA benannt worden, nachdem diese ihre Anteile für insgesamt 224 Millionen Euro auf 49,9 Prozent aufgestockt hatte. Dieses Amt ließ Klinsmann ruhen, als er knapp drei Wochen später den Cheftrainerposten übernahm.
Aus dem Umfeld von Geldgeber Windhorst erfuhr die Deutsche Presse-Agentur, dass eine mögliche Rückkehr von Klinsmann in den Aufsichtsrat geklärt werden soll, wenn sich die Wogen nach seinem Rücktritt geglättet haben. Für Donnerstag (11.30 Uhr) hat die Hertha zu einer Pressekonferenz mit Windhorst, Vereinspräsident Werner Gegenbauer und Sport-Geschäftsführer Michael Preetz geladen.
Klinsmanns wichtigste Aussagen im Protokoll:
++ 18.02 Uhr: Klinsmann erklärt sich ++
Jürgen Klinsmann ist live bei Facebook und will sich in den folgenden Minuten den Fragen der Fans stellen. Er erklärt, dass sein Rücktrittsgedanke sich in den vergangenen Wochen entwickelt hat: "Es glich einem Himmelfahrtskommando, musste so schnell wie möglich ein Top-Team zusammenstellen."
++ 18.05 Uhr: "Bin bis heute vertragslos, das hat nichts mit Geld zu tun"
Klinsmann beschwert sich über die fehlende Kompetenzverteilung: "Es ist uns über zehn Wochen nicht gelungen, einen Vertrag auszuarbeiten, in dem meine Kompetenzen geregelt sind."
Sein Rücktritt habe nichts mit Geld zu tun, wie einige Medien ihm unterstellen: "Das hat nichts mit Geld zu tun. Es ging mir nie um Geld."
"Der Trainer muss entscheiden. Er muss die Entscheidungen treffen. Er muss der Verantwortliche in der täglichen Arbeit mit der Mannschaft sein."
++ 18.08 Uhr: "Habe nächtelang nicht geschlafen"
Klinsmann ist die Krise bei Hertha nahegegangen: "Ich habe nächtelang nicht geschlafen. Wir wollten diese Mannschaft stabilisieren und haben rund um die Uhr daran gearbeitet."
++ 18.10 Uhr: Chaos?`"Absoluter Quatsch"
Klinsmann wehrt sich gegen Kritik: "Manche unterstellen mir, dass ich nur Chaos hinterlassen habe. Das ist absoluter Quatsch."
++ 18.11 Uhr: Klinsmann glaubt weiter an Herthas Ziele: "Nächstes Jahr Europa League angreifen"
Trotz seines Abgangs und der aktuellen sportlichen Krise sieht Klinsmann die Hertha auf dem richtigen Weg: "Das kurzfristige Ziel ist der Klassenerhalt. Ich bin sicher, dass die Mannschaft das Ziel erreicht. Und ich bin mir auch sicher, dass die Ziele überhaupt nicht großkotzig sind. Hertha kann im nächsten Jahr die Europa League angreifen."
++ 18.17 Uhr: Klinsmann kritisiert Lizenz-Debatte: "Die ganze Scheiße hätte nicht sein müssen"
Zum Abschluss seiner Stellungnahme greift Klinsmann noch einmal die Medien an, die aus seiner Sicht die Debatte um seine angeblich abgelaufene Trainerlizenz überspitzt hätten. Er stellt klar: "Meine Lizenz war nie abgelaufen. Die ganze Scheiße, die da abgelaufen ist, hätte auch nicht sein müssen."
"Ich mache genauso Fehler, wie jeder andere auch", sagt Klinsmann und hofft auf eine friedliche Rückkehr in die Heimstätte der Hertha: "Ich hoffe, wir sehen uns alle bald wieder in Berlin, im Olympiastadion."