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Zum journalistischen Leitbild von t-online.U21-Nationalspieler Baku "Der deutsche Fußball ist aktuell hintendran"
Ridle Baku ist Stammspieler beim Bundesligisten FSV Mainz 05 sowie in der U21-DFB-Elf. Dennoch blickt der 21-Jährige im t-online.de-Interview kritisch auf die deutsche Nachwuchsförderung.
Im April 2018 feierte Ridle Baku seinen Traumeinstand als Fußballprofi: Völlig überraschend stand der Mittelfeldspieler für die abstiegsbedrohten Mainzer die vollen 90 Minuten auf dem Platz, erzielte sein erstes Bundesligator und feierte einen sensationellen 3:0-Heimsieg gegen RB Leipzig.
Seitdem ist der heute 21-Jährige eine feste Stütze der 05er und hat sich so auch in der Startelf von U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz festgespielt. Auch wenn seine Karriere bisher optimal verlief, sieht Baku den Umgang mit deutschen Talenten kritisch. Im Interview mit t-online.de spricht er über mangelnde Einsatzzeiten für Nachwuchsspieler, die Konkurrenz aus dem Ausland und seine Chancen auf Olympia 2020.
t-online.de: Herr Baku, Sie sind in der Hinrunde auf 14 Einsätze gekommen, dabei elfmal von Beginn und siebenmal über die vollen 90 Minuten. Nicht selbstverständlich für einen deutschen U21-Spieler.
Ridle Baku (21): Ich sehe in der U21-Nationalmannschaft, wie viele Spieler in den Vereinen nicht zum Einsatz kommen. Ich kriege es ja auch bei meinem Zwillingsbruder Makana mit, der erst regelmäßig und dann immer weniger gespielt hat. Deshalb bin ich umso glücklicher darüber, dass ich in Deutschlands höchster Spielklasse regelmäßig zum Einsatz komme.
Stimmen Sie der Kritik von U21-Nationaltrainer Stefan Kuntz zu, dass Nachwuchskräfte zu wenig Einsatzzeit bekommen?
Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier über Herrenfußball, über den Seniorenbereich sprechen. Da herrscht ein wesentlich größerer Konkurrenzkampf als bei den Junioren. Als junger Spieler muss man sich da einfach durchbeißen – auch wenn es einen dann zwei Jahre kostet.
Dass sie regelmäßig zum Einsatz kommen, erhöht sicherlich auch Ihre Chancen, den Sprung ins Olympiateam zu schaffen.
Natürlich habe ich das Turnier im Blick und möchte mich empfehlen. Dafür muss ich jedoch zunächst in der Rückrunde der Bundesliga konstant Leistung auf den Platz bringen.
Von potenziellen Mitspielern wie Lukas Podolski und Kevin Volland, die für die drei U23-Plätze im Gespräch sind, können Sie sicher noch eine Menge lernen.
Podolski und Volland sind Spieler mit einer unglaublichen Erfahrung, Spieler, die sich im deutschen und internationalen Fußball bereits bewiesen haben. Natürlich wäre es da toll, wenn sie Teil dieser Mannschaft wären und ich das ein oder andere von ihnen lernen könnte.
Tauschen Sie sich zur Thematik Nachwuchsförderung auch mit Ihren französischen Teamkollegen Moussa Niakhaté und Jean-Philippe Mateta aus?
Ab und zu kommt das Thema auf, besonders, nachdem die beiden die U21-EM im vergangenen Sommer gespielt haben. Es ist jedoch eher ein Geben und Nehmen, ein ausgeglichener Austausch. So wie sie mit Tipps von ihren Nationalmannschaften zurückgekehrt sind, tue ich es auch. Unsere Gespräche beschränken sich oftmals jedoch einfach nur darauf, welche Nationalmannschaft denn nun die bessere ist (lacht).
Zu welchem Ergebnis sind denn Ihre Diskussionen gekommen? Wer wird bei der EM im Sommer das Vorrundenduell für sich entscheiden – Deutschland oder Frankreich?
(Lacht.) Die Franzosen sagen natürlich Frankreich, ich halte zu Deutschland. Aber das kann man jetzt nur schwer voraussagen. Fest steht jedoch, dass uns da ein absolutes Topspiel erwartet.
Der Mainzer Vorstandsvorsitzende Stefan Hofmann blickt mit Sorge auf die deutsche Nachwuchsförderung. Ist dieses Bewusstsein für die Bedürfnisse des Nachwuchses auch mit ein Grund, warum es in Mainz ganz anders läuft?
Sie müssen nur unseren aktuellen Kader betrachten: Wir haben viele Spieler, die in der französischen Ligue 1 gespielt haben, aber die ihre nächsten Schritte nur in der Bundesliga gehen können. Schauen Sie sich nur an, wie viele Spieler es zur Entwicklung aus England, Frankreich und Spanien in die Bundesliga zieht. Da geht der deutsche Fußball schon ein Stück weit unter.
Zählen Sie nur einmal, wie viele deutsche und wie viele ausländische Talente in der Bundesliga zum Einsatz kommen und wie viele sich im Vergleich dazu in den heimischen Ligen durchsetzen. Allein daran sieht man, dass der ausländische Fußballnachwuchs aktuell einen Vorsprung hat. Dennoch wird mir da nicht bange um die Zukunft des deutschen Fußballs. Es gibt noch genügend Talente hierzulande, die sich – wenn nicht jetzt – dann in den nächsten Jahren aufdrängen werden.
Und es gibt Vereine wie Mainz 05, die traditionell auf den eigenen Nachwuchs auch in der Bundesliga setzen. Robin Zentner, Alexander Hack, Stefan Bell, Jonathan Burkardt, Florian Müller, Leandro Barreiro und ich sind alle aus unserem NLZ und hatten schon Startelf-Einsätze in dieser Saison, sind Stammspieler – das ist eine starke Quote.
Sie haben die Mainzer Jugendmannschaften durchlaufen. Worauf wird in der Ausbildung am Bruchweg besonderer Wert gelegt?
Mainz ist ein sehr familiärer Verein. Zwar mögen andere Klubs finanziell besser aufgestellt sein als wir, dennoch kriegen Nachwuchsspieler in Mainz eine Topausbildung geboten. Und die Chance auf den Sprung in die Bundesliga – hier haben es immer Spieler aus dem Nachwuchs in die Profimannschaft geschafft. Das hat uns damals immer motiviert, in den Jugendmannschaften alles zu geben.
Inwiefern birgt der Mainzer Kurs auch Gefahren? Immerhin liegt der Altersdurchschnitt des Kaders bei gerade einmal 24 Jahren.
Ein solch junger Kader setzt die ständige Entwicklung der Spieler voraus. Dabei ist gleichzeitig klar, dass das Team auch mal schwächere Phasen durchleben wird. Doch da ist dann der Charakter der Mannschaft gefordert. Jeder Spieler muss willens sein, auch Rückschläge hinzunehmen, denn die gehören nun einmal auch zum Lernprozess dazu.
Trotz der guten eigenen Nachwuchsförderung schlägt Mainz auch regelmäßig bei jungen Profis auf dem Transfermarkt zu. Verhindert dies nicht ein Stück weit das Aufblühen der eigenen Talente?
Fußball ist ein Leistungssport. Und wenn der bessere Spieler aus Frankreich kommt, holt man ihn und lässt ihn spielen. So ist es nun einmal, das gilt es zu akzeptieren. Es hat ein wenig den Anschein, dass der deutsche Fußball aktuell im europäischen Vergleich etwas hintendran ist. Doch es gilt nun auch Geduld zu haben und zu schauen, wie sich die aktuellen Nachwuchsgenerationen entwickeln. Dann bin ich mir sicher, dass wir den momentanen Rückstand auch wieder einholen werden.
Müssen Sie, um sich für die A-Nationalmannschaft zu empfehlen, nicht irgendwann zwangsläufig den Verein wechseln? Alexander Nübels Transfer folgt ja dieser Logik.
Schwierige Frage. Momentan laufe ich für die U21 auf, bin dort Stammspieler. Aus meiner Sicht spricht grundsätzlich nichts dagegen, sich auch in Mainz zum A-Nationalspieler entwickeln zu können. Aber darüber denke ich im Moment nicht nach – ich will erst mal im Verein weiter Leistung bringen.
Ein anderer bemerkenswerter Aspekt an Mainz 05 ist die Diversität des Profikaders. Wie zeigen sich die verschiedenen Herkünfte und Wurzeln der Spieler im Alltag am Bruchweg?
(Schmunzelt.) Eigentlich ist das Miteinander für uns sehr einfach. Oftmals reicht ein Lächeln oder eine Handbewegung, um sich zu verständigen. Hinzu kommt, dass wir fast alle im selben Alter sind und uns schon dadurch auf derselben Wellenlänge befinden.
Inwiefern lernen insbesondere junge Spieler wie Sie in einem solchen Umfeld auch über den Fußball hinaus?
Wir lernen, Werte wie Toleranz und Weltoffenheit zu leben. Aber ehrlich gesagt waren diese Fragen nach der Herkunft des anderen bei uns noch nie so ein großes Thema. Für mich zählt in erster Linie, was mein Mitspieler auf dem Platz kann.
Wächst durch ein gegenseitiges Interesse an der Kultur des Mitspielers auch der sportliche Zusammenhalt? Gerade Ihr Rivale Eintracht Frankfurt steht als Exempel für diese These.
Solche Bindungen brauchen Zeit. Da braucht es nicht nur Führungsspieler, die sich dessen annehmen, sondern auch Spieler, die Erfahrungen gesammelt haben, die sie mit anderen teilen wollen. Bei uns läuft es in dieser Hinsicht aktuell ganz gut, wir haben eine eng verknüpfte Truppe, obwohl wir einige Spieler haben, die noch recht frisch bei Mainz sind und sich im Verein und Deutschland zurechtfinden mussten. Ich bin mir sicher, dass sich diese Spieler mit der Zeit noch stärker in die Mannschaft einbringen werden und dadurch unser sportlicher sowie menschlicher Zusammenhalt noch weiter wachsen wird.
Nun ist Mainz ein etablierter Bundesligist, spielt jedoch auch regelmäßig gegen den Abstieg an. Inwiefern ist es dennoch richtig, an diesem Mainzer Weg – eigene Talente fördern und in die Profimannschaft einbinden, ausländische Talente früh entdecken und maximal gewinnbringend verkaufen – festzuhalten?
Das ist die Philosophie des Vereins – und aus meiner Sicht funktioniert sie sehr gut. Dass dazu gehört, dass uns vielleicht auch am Ende dieser Saison wieder sehr gute Spieler für einen größeren Verein verlassen werden und wir uns als Team neu erfinden müssen, gehört nun einmal dazu.
Zum Abschluss noch eine drängende Frage: Sind Sie schon auf Ihren Namensgeber Karl-Heinz Riedle getroffen?
Nicht persönlich, aber wir hatten zwischenzeitlich Kontakt.
Also besteht weiterhin der Wunsch, ihn persönlich kennenzulernen? Was würden Sie sich denn als zentraler Mittelfeldspieler Ridle Baku für Tipps vom Weltklassestürmer "Kalle" Riedle holen wollen?
Ich würde schon gerne wesentlich torgefährlicher werden. Da kann er mir sicher sehr gut weiterhelfen (grinst).