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Ex-BVB-Profi Reina: "Schalke hat kaum eine Chance"


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Ex-Profi Reina
"Fußball in Dortmund ist kein Sport. Das ist eine Religion"

InterviewVon Luis Reiß

26.04.2019Lesedauer: 5 Min.
Derbyzoff: Dortmunds Giuseppe Reina und der Schalker Andreas Möller geraten aneinander.Vergrößern des Bildes
Derbyzoff: Dortmunds Giuseppe Reina und der Schalker Andreas Möller geraten aneinander. (Quelle: WEREK/imago-images-bilder)

Der frühere BVB-Profi Giuseppe Reina glaubt, dass dem BVB im Revierderby auch 90 Prozent zum Sieg reichen. Und er verrät, was vor dem Titelgewinn 2002 in der Kabine passiert ist.

Giuseppe Reina ist Dortmunder durch und durch. Im benachbarten Unna aufgewachsen schaffte er es über Umwege in die Profi-Mannschaft des BVB und feierte 2002 den Gewinn der Deutschen Meisterschaft.

Mittlerweile lebt er in Österreich. Doch den BVB hat er nie aus den Augen verloren.

t-online.de: Herr Reina, an diesem Samstag kann Schalke Ihrem Ex-Klub Borussia Dortmund die Chance auf den Titel nehmen. Fürchten Sie einen Patzer im Ruhrpott-Derby?

Giuseppe Reina (47): Nein. Ich habe die letzten Spiele beider Teams gesehen und glaube: Selbst wenn der BVB nur 90 Prozent abrufen kann, hat Schalke kaum eine Chance zu punkten. Ich sage das nicht, weil ich Dortmunder bin oder um zu provozieren. Aber Schalke fehlt aktuell einfach die Qualität. Sie haben keine Struktur in der Mannschaft. Der 15. Platz in der Tabelle entspricht auch ihren aktuellen Leistungen.

Beim letzten brisanten Spiel gegen einen Erzrivalen in München haben allerdings die Nerven der Dortmunder versagt, es endete 0:5. Wird das jetzt anders sein?

Das wird spannend zu beobachten. Der BVB hat viele junge Spieler aus dem Ausland im Kader – und ich weiß nicht, ob allen über den Titelkampf hinaus die Bedeutung dieses besonderen Spiels bewusst ist. Schalke hat aber natürlich auch nicht annähernd die Qualität des FC Bayern, deshalb glaube ich trotzdem fest an einen BVB-Sieg.

Reicht es für den BVB denn anschließend auch zur Meisterschaft?

Das wünsche ich mir natürlich sehr – nicht nur als Dortmunder, sondern weil die Jungs von Anfang an den schöneren Fußball in dieser Saison gespielt haben. Das Restprogramm beinhaltet mit Werder und Gladbach aber noch zwei sehr schwere Gegner. Zudem sehe ich die Bayern wegen ihrer Erfahrung psychologisch im Vorteil.

Wie meinen Sie das?

Selbst beim 4:0 gegen Freiburg haben die Dortmunder phasenweise ängstlich gespielt. Alles war sehr vorsichtig und kontrolliert, aber den begeisternden Offensivfußball der Hinrunde habe ich schon vermisst. Jeder hat zuerst geschaut, dass er bloß keinen Fehlpass spielt, der dann möglicherweise den Traum vom Titel zerstört. Ich kann das als Ex-Fußballer natürlich nachvollziehen, der Druck ist riesig. Aber du kannst nur bestehen, wenn du diese Gedanken aus dem Kopf bekommst und mit voller Leidenschaft spielst.

Sie haben insgesamt 114 Spiele für den BVB gemacht, sind 2002 Meister geworden. Wie ist die Mannschaft damals damit umgegangen?

Je näher die Entscheidung rückte, desto ruhiger ist es bei uns geworden. In den letzten beiden Wochen der Saison war es teilweise totenstill in der Kabine, das waren für mich die Schlüsselmomente auf dem Weg zum Titel. Jeder war total auf seine Aufgaben fokussiert und du wusstest – hier stimmt es hundertprozentig in der Mannschaft.

Wer hat die Verantwortung bei Ihnen übernommen?

Sebastian Kehl war damals erst ein halbes Jahr bei uns und noch relativ jung (22 Jahre, Anm. d. Red.). Aber er war schon ein Anführer, der auf dem Platz vorangegangen ist. Unser Torwart Jens Lehmann war natürlich wichtig. Auf die beiden konntest du dich immer verlassen. Du brauchst aber nicht nur klassische Anführer, sondern auch Spieler, die für gute Stimmung sorgen. Das war bei uns zum Beispiel Dede. Er war immer positiv und hat allen anderen Kraft gegeben.

Welche Spieler können diese Rollen heute ausfüllen?

Aufgrund ihrer Erfahrung müssten Axel Witsel und Marco Reus sicher vorangehen. Auch Roman Bürki hat als Torwart eine tolle Saison gespielt und scheint mir von außen betrachtet in eine Führungsposition hineingewachsen zu sein. Für sie wird es ganz wichtig sein, mit den jungen Spielern über diese Drucksituation zu sprechen und ihnen Mut zu machen.

Trainer Lucien Favre wurde zuletzt vorgeworfen, er habe die Mannschaft im Titelkampf und vor allem beim 0:5 gegen die Bayern emotional nicht richtig eingestellt.

Speziell beim Spiel in München hat die Einstellung aus meiner Sicht auch nicht gestimmt. Das Verhalten bei Standardsituationen zum Beispiel ist keine Frage der Qualität, sondern der Mentalität. Wenn die Bayern quasi bei jeder Ecke und jedem Freistoß zu einer gefährlichen Torchance kommen, stimmt etwas nicht.

Wie hat Matthias Sammer das zu Ihrer Zeit als Trainer geregelt?

Er hat keine Experimente gestartet, sondern immer wieder klar an unsere Stärken der Saison erinnert. An den letzten Spieltagen sollten alle Mechanismen eh einstudiert sein. Jeder weiß, was er zu tun hat. Entscheidend ist, was sich dann im Kopf abspielt.

Die Stadt Dortmund im Titelkampf – wie kann man sich die Stimmung vorstellen?

Ich bin mit dem Fußball in Dortmund groß geworden und weiß, wie fanatisch die ganze Stadt mit dem BVB mitfiebert. Ich sage immer: das ist kein Sport, das ist eine Religion. Beim Gewinn des Titels 2002 herrschte der Ausnahmezustand. Was dort passiert ist, kann ich bis heute mit Worten nicht beschreiben. Da freut sich jeder Fußballer in Dortmund zu sein.

Was machen Sie persönlich nach Ihrer aktiven Karriere?

Ich habe zuletzt bei einem Freund im Unternehmen im Vertrieb mitgeholfen. Zudem bin ich noch als Spielertrainer im österreichischen Oberndorf aktiv, das Niveau ist wahrscheinlich in etwa mit der Kreisliga in Deutschland vergleichbar. Aber solange die Knochen noch mitmachen, macht es mir unheimlich Spaß (lacht).

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Warum Österreich?

Ich habe mich vor fünf Jahren von meiner Freundin getrennt und wollte etwas Abstand gewinnen. Also bin ich zum ersten Mal für ein paar Wochen nach Österreich gefahren. Dort habe ich festgestellt: Ich liebe die Berge, mag das entspannte Leben hier an einem Ort, an dem andere Urlaub machen. Und wie das Leben so spielt, habe ich jemanden kennengelernt und bin letztlich ganz her gezogen.

Zwischenzeitlich haben Sie mit ihrem Beruf in Deutschland Schlagzeilen gemacht.

(lacht) Ja, in meinem ersten Jahr in Österreich habe ich als Kellner ausgeholfen. Für die Zukunft habe ich aber andere Pläne.


Verraten Sie die?

Ich würde gerne wieder als Trainer im Profi- oder höherklassigen Amateuerbereich arbeiten. Die Arbeit mit jungen Spielern hat mir als A-Jugend-Trainer beim SV Holzwickede (2010 bis 2012, Anm. d. Red) viel Spaß gemacht – und die B-Lizenz habe ich ja noch. Die würde ich nun gerne erneuern beziehungsweise die Elite-Lizenz auch noch erwerben.

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