Leverkusen-Boss Herr Völler, werden die Bayern je schwächeln?
Der Boss von Bayer Leverkusen spricht im exklusiven Interview von ambitionierten Titel-Plänen, über die deutschen Klubs in Europa und Anfragen für Durchstarter Bailey.
t-online.de: Herr Völler, die Bundesligisten haben in Europa in der vergangenen Saison extrem schlecht abgeschnitten. Müssen wir uns auch für die neue Saison Sorgen machen?
Rudi Völler (58): Nein. Die Bayern werden wie jedes Jahr weit kommen. Und die anderen werden eine ordentliche Rolle spielen. Ich bin mir ganz sicher: Die deutschen Klubs werden in der Champions- und Europa-League definitiv besser abschneiden – und das sage ich nicht nur, weil ich überzeugt davon bin, dass wir dazu beitragen werden. Dortmund und Schalke werden wieder stark sein, Hoffenheim und Leipzig haben dazu gelernt. Und auch wir haben unseren Kader dafür jetzt schon verbessert.
Sie haben Paulinho, Mitchell Weiser und mit Lukáš Hrádecký aus Frankfurt einen neuen Top-Torhüter geholt – der alte ist mit Bernd Leno aber noch da.
Ich habe schon betont, dass ein Wechsel von Bernd Leno nur zu unseren Bedingungen stattfinden wird – aber Sie können sich wahrscheinlich denken, was der Grund ist, warum wir Hrádecký verpflichtet haben?
Weil Bernd Leno den Verein verlassen wird.
Das haben Sie jetzt gesagt (lacht).
Paulinho ist ein 17-jähriges Sturm-Talent aus Brasilien – Ist er schon ein Ersatz für Leon Bailey, der von Klubs aus ganz Europa umworben wird?
Nein.
Aber es wird schwierig, Bailey zu halten?
Ich will es mit meiner Lieblingsantwort sagen: Wenn wir eine Transferphase haben und sich niemand mehr für einen Spieler von uns interessiert – dann haben wir ein Problem. Nicht nur Bailey ist für andere Vereine interessant. Wir haben viele junge, gute Spieler. Aber wir haben auch bewiesen, dass wir sie halten können.
Sie meinen Julian Brandt, der überraschend verlängert hat?
Wir haben es geschafft, mit Julian und Jonathan Tah zu verlängern, das hätte uns vor sechs Monaten niemand zugetraut. Es wird immer wieder Spieler geben, bei denen uns das nicht gelingt – aber in diesen Fällen ist es ein Riesenpfund, dass wir das geschafft haben.
Können Sie garantieren, dass Bailey kommende Saison bei Bayer spielt.
Er ist fest eingeplant, das kann ich sagen. Da wird noch einiges auf uns zukommen, da werden Vereine und angebliche Ablösesummen genannt werden. Das hatten wir ja schon. Aber wir haben sehr viel vor in drei Wettbewerben, dafür brauchen wir nicht nur eine gewisse Anzahl von Spielern, sondern vor allem auch die Qualität. Im Moment sieht das sehr gut aus. Es gibt eher die Tendenz, dass wir noch jemanden holen, als dass wir jemanden abgeben.
Brandt und Tah haben gesagt, sie wollen mit Leverkusen Titel holen. Ist das realistisch?
Es ist doch gut, dass sie das sagen. Wenn man mit Bayern München in einer Liga spielt, ist die Meisterschaft natürlich ausgesprochen schwierig – aber die anderen Wettbewerbe gibt es ja auch noch. Im Pokal muss immer das Ziel sein, den Titel zu holen – und die Bayern mal in einem Spiel zu schlagen.
Davon waren Sie in der abgelaufenen Saison recht weit entfernt.
Die Bayern waren leider im Halbfinale in absoluter Topverfassung. Ich hätte gerne gegen sie gespielt in der Verfassung, in der sie im Finale waren. Da hätten wir sicher auch eine Chance gehabt.
Was ist mit der Europa League?
Da wollen wir natürlich so weit kommen, wie möglich. Die Gruppenphase wollen wir sowieso überstehen und dann in der K.o.-Phase peu a peu weiter nach vorne kommen. In der Bundesliga wird das Erreichen der Europa League unser Minimalziel bleiben, das große Ziel die Champions League.
Machen Sie sich Hoffnung, dass die Bayern mal einen Umbruch vergeigen, den falschen Trainer verpflichten und ihren Status für ein Jahr verlieren?
Nicht wirklich. Die Bayern haben es im Vergleich zu vielen anderen Vereinen – gerade in England – immer geschafft, ihr Geld sinnvoll zu investieren und richtige Entscheidungen zu treffen. Vielleicht mit Ausnahme von Renato Sanches aus Portugal haben sie in den vergangenen Jahren ganz wenig Fehler gemacht, deshalb liegen sie in der Bundesliga so weit vorne. Das ist letztlich das Erfolgsrezept, dass du bei Kaderveränderungen überwiegend richtig liegst.
Embed
Wird Bayer Leverkusen noch etwas tun?
Wir haben drei Spieler, die gegangen sind, die aber sportlich keine große Rolle mehr gespielt haben – und deswegen eigentlich keine wirklichen Abgänge sind. Allein durch die Verpflichtungen, die wir schon getätigt haben, sind wir besser aufgestellt – aber bis zum 31. August halten wir natürlich trotzdem die Augen offen.
Damit ist insbesondere Jonas Boldt als Sportdirektor beschäftigt. Er ist aufgerückt, Sie sind nun Geschäftsführer Sport. Was hat sich im Alltag verändert?
Wenn man genau hingeschaut hat, habe ich schon im letzten Jahr die Nähe zur Mannschaft etwas zurückgefahren. Wir hatten bereits beschlossen, dass Jonas Boldt auf die Bank geht. Mein Kontakt zu Trainer Heiko Herrlich und zur Mannschaft ist natürlich nach wie vor da – aber vielleicht nicht mehr ganz so intensiv, wie ich es in den Jahren zuvor üblicherweise praktiziert habe. Jetzt machen wir den nächsten Schritt. Ich bin in der Hauptverantwortung, werde immer meine Meinung sagen – und dann gemeinsam mit Jonas Boldt und meinem Geschäftsführer-Kollegen Fernando Carro Entscheidungen treffen. Es gibt ein paar andere Aufgaben, die ich im Verein übernommen habe – aber die Basis ist der Sport. Da spielt die Musik.
Mit welchen Zielen haben Sie umstrukturiert – wo soll es für Leverkusen hingehen?
Wir sind schon lange nicht mehr das Bayer Leverkusen, dass wir in den Achtziger Jahren waren. Wir haben so viele Champions-League-Teilnahmen und Erfolge feiern können, standen sogar 2002 im Finale. Wir wollen da in allen Wettbewerben weitermachen, immer vorne mitmischen und auch mal einen Titel holen. Diesem Anspruch wollen wir gerecht werden in den kommenden Jahren. Die Titelchance ist im Pokal oder in der Europa League natürlich am ehesten gegeben.
Gerade in der Europa League haben das einige Klubs vorgemacht.
Genau. Salzburg ist ins Halbfinale gekommen und etwas unglücklich ausgeschieden. Marseille und Atlético standen im Finale. Das ist ein langer Weg mit ganz vielen Spielen – aber das muss unser Anspruch sein.