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Union Berlin ist Bundesliga-Tabellenführer: Ekliger geht's kaum


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Überraschender Tabellenführer
Ekliger geht's kaum


Aktualisiert am 12.09.2022Lesedauer: 4 Min.
Lennart Grill, Torhüter des 1. FC Union Berlin, gibt seinen Vorderleuten lautstark Anweisungen.Vergrößern des Bildes
Lennart Grill, Torhüter des 1. FC Union Berlin, gibt seinen Vorderleuten lautstark Anweisungen. (Quelle: IMAGO/Anke Waelischmiller/Sven Simon)

Union Berlin grüßt von der Tabellenspitze. Nicht etwa Bayern, Dortmund oder Leipzig. Der Erfolg der Köpenicker ist das Ergebnis jahrelanger guter Arbeit.

Für Steffen Baumgart war die Sache klar: "Es ist ein verdienter Sieg, das muss man ganz klar anerkennen. Ich habe lange keine Mannschaft so gut hier spielen sehen wie Union. Das muss man anerkennen, der Plan, den wir hatten, ist gar nicht aufgegangen. Das lag daran, dass Union es sehr gut gemacht hat und wir keine Antworten hatten."

Der Trainer des 1. FC Köln konnte angesichts der Leistung des Gegners mit der ersten Saisonniederlage für sein Team leben. Dieser Gegner heißt Union Berlin und ist nun Tabellenführer der Bundesliga. Mit zwei Punkten Vorsprung vor dem großen FC Bayern.

Das Spiel gegen Köln als Sinnbild

Wie immer zeigten die Geißböcke vom Anstoß weg eine engagierte Leistung, pressten hoch und setzten den Gegner unter Druck. Das Problem: Union Berlin war darauf perfekt vorbereitet. Wieder einmal zermürbten die Köpenicker ihren Gegner mit einer disziplinierten Defensivarbeit. Lücken ließen sie fast keine zu. Anspiele der Kölner auf Mittelstürmer Florian Dietz landeten fast immer beim Gegner. Und wenn die Spieler des "Effzeh" mal durchbrachen, war Torwart Lennart Grill zur Stelle. Der war kurzfristig für Stammkeeper Frederik Rönnow eingesprungen und fügte sich perfekt in die starke Unioner Defensive ein. Ein wiederkehrendes Muster beim Team von Trainer Urs Fischer. Wer ausfällt, wird eben ersetzt. Kein Problem. Ein Unterschied ist kaum zu spüren.

Vor einer Woche war die Situation ähnlich. Gegen den FC Bayern fiel Topstürmer Jordan Siebatcheu kurzfristig aus. Mittelfeldmotor Janik Haberer wurde zudem Vater. Beide Neuzugänge, die ihre Vorgänger Grischa Prömel und Taiwo Awoniyi schnell vergessen machten, fehlten ausgerechnet im Topspiel gegen den Rekordmeister. Am Ende jubelte aber Union. Zwar nicht über drei Punkte, aber über einen. Sie hatten die Bayern erfolgreich geärgert.

Kaum ein Team ist so eklig zu bespielen wie die "Eisernen". Union spielt aggressiven, physischen Fußball. Zweikämpfe sind ein fester Bestandteil der Taktik. Kein Team führt so viele Zweikämpfe wie Union. Nach sechs Spielen sind es bereits 1.330. Die zweitplatzierten Kölner haben fast 60 weniger. Dazu foulen die Berliner am meisten. 88 Verstöße sind es bereits, Eintracht Frankfurt folgt mit 81. Doch mit sechs Gelben Karten und keinem einzigen Platzverweis rangiert Union Berlin in der Fairness-Tabelle auf Platz eins.

"Keine Bundesligamannschaft macht das besser"

Unions Prunkstück ist die geschlossene Teamarbeit. Trainer Urs Fischer hat dafür gesorgt, dass sich die "Eisernen" wie eine Einheit auf dem Platz bewegen. Fast synchron wird bei gegnerischen Angriffen von links nach rechts verschoben. Wenn ein Spieler zum Pressen herausrückt, ziehen die anderen nach. Jeder weiß, was zu tun ist. Neuzugang Jamie Leweling kommentierte die Arbeit im Trainingslager von Union laut "Kicker" folgendermaßen: "Das Training hier ist anders. Die Arbeit hier ist sehr taktisch. In Fürth hatten wir natürlich auch Taktik-Training, aber es war nicht so ausgeprägt. Das kompakte Verschieben ist eine Top-Stärke von Union, keine Bundesligamannschaft macht das besser."

Auf diese Art und Weise haben die Berliner noch kein Saisonspiel in der Liga verloren. Vier Siege, zwei Unentschieden, 14 Punkte, Platz eins. Nach sechs Spieltagen könnte die Köpenicker Brust kaum breiter sein. Union stellt die beste Defensive und die zweitbeste Offensive. Es funktioniert im Moment einfach alles. Harmlose Schüsse werden abgefälscht und landen im Tor – so wie gegen Schalke oder Köln. Für die 13 Tore brauchte Union nur 69 Torschüsse. Nur vier Klubs haben seltener aufs Tor geschossen. Die Effizienz ist neben der starken Defensivarbeit das große Prunkstück von Union. Wer gegen den FCU in Rückstand gerät, hat's schwer.

Das Erfolgsduo Ruhnert/Fischer

Unions steiler Aufstieg vom Dauer-Zweitligisten zum Bundesliga-Tabellenführer trägt die Handschrift von zwei Männern im Verein: Urs Fischer und Oliver Ruhnert. Letzterer ist seit über vier Jahren als Geschäftsführer im Klub. Eine seiner ersten Amtshandlungen: Fischer zum Trainer zu machen. Gemeinsam führten sie den Klub in die Bundesliga.

Mit guten Transfers, einem klaren Spielsystem und dem Hexenkessel Alte Försterei im Rücken stieg Union bereits im ersten Jahr des Duos auf. Gleich im ersten Jahr reichte es für Platz elf, seitdem erreichten Fischer und Ruhnert zweimal das europäische Geschäft. In der vergangenen Saison fehlte nur ein Punkt zur Champions League.

Betrachter von außen fragen sich oft, warum Ruhnert und Fischer nicht längst weggekauft wurden. Schließlich ist das Geschäft mit Managern und Trainern längst Alltag in der Bundesliga. Doch offenbar fehlt es an Angeboten, aber auch an Interesse vonseiten der beiden Erfolgsgaranten.

Ruhnerts rechte Hand rückt in den Vordergrund

Fischer ist nicht der typische Shootingstar unter den Trainern. Während Julian Nagelsmann, Ole Werner oder Domenico Tedesco mit ihrer jungen, dynamischen Art überzeugen und jedem Klub automatisch ein modernes Gesicht verpassen, ist Fischer mit seinen 56 Jahren schon etwas älter. Bei Interviews vor den Spielen fässt er sich lieber kurz, und einen frechen Spruch lässt er sich auch nicht entlocken.

Ruhnert hält sich sowieso gerne aus der Medienarbeit heraus. Er scoutet lieber Spieler und pfeift Oberliga-Spiele in seiner Sauerländer Heimat. Dafür gewährt ihm Union alle Freiheiten, die Ergebnisse seiner Arbeit stimmen trotz der Sonderrechte. Ex-Profi Michael Parensen rückte als seine rechte Hand stärker in den Vordergrund, nahm ihm viel von der Arbeit ab, die Ruhnert weniger erfüllt.

Und so scheint es, als würden Ruhnert und Fischer nicht so schnell von Union Berlin verschwinden. Und damit wird wohl auch Union Berlin an sich nicht so schnell verschwinden. Gut, Platz eins ist wohl eher nur eine Momentaufnahme. Ein wirklicher Konkurrent für die Bayern im Kampf um die Meisterschaft werden die "Eisernen" wohl nicht sein. Aber wenn der Klub mit der Konstanz weiterarbeitet, dann wird er sich mittelfristig in der oberen Tabellenhälfte festsetzen und noch häufiger den Rekordmeister ärgern.

Verwendete Quellen
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