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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wutauftritt in Dortmund So kämpft sonst nur einer für Bayern
Beim Klassiker in Dortmund lebt Trainer Thomas Tuchel seiner Mannschaft Aggressivität und Angriffslust vor. Damit erinnert er an den Klubpatron des FC Bayern.
Aus Dortmund berichtet Julian Buhl
"Es war giftig, sehr klar und voller Selbstvertrauen", sagte Thomas Tuchel im ZDF-"Sportstudio", als sich sein Gemütszustand wieder etwas beruhigt hatte, über die Geschehnisse am Samstagabend in Dortmund. "Der entscheidende Trumpf war unsere Einstellung, unsere Verbissenheit, unser absoluter Wille, das hier durchzuziehen." Der Cheftrainer des FC Bayern sprach eigentlich über das herausragende Topspiel, das seine Mannschaft mit einem 4:0-Auswärtssieg beim BVB geboten hatte.
All das, was Tuchel aufzählte, hatte sein Team dabei eindrucksvoll gezeigt. Es war aber auch die perfekte Beschreibung für das, was er seinen Spielern rund um die Partie vorgelebt hatte. Während der 90 Minuten waren es leidenschaftliches Coaching und bedingungsloser Einsatz an der Seitenlinie gewesen, was in einer Auseinandersetzung mit dem Schiedsrichter zu einer Verwarnung in Form einer Gelben Karte für Tuchel führte.
Vor allem aber auch unmittelbar vor sowie nach der Partie hatte sich der 50-Jährige ungewohnt angriffslustig gezeigt und immer wieder die direkte Konfrontation mit seinen Kritikern gesucht. Das gipfelte schließlich darin, dass er das Sky-Interview mit seinem persönlichen Chef-Nörgler Lothar Matthäus am Ende einfach abbrach (mehr zu dem Zoff lesen Sie hier).
Bayerns Abteilung Attacke schlägt gleich doppelt zurück
Die Abteilung Attacke des FC Bayern schlug am Samstag mit aller Macht zurück – und zwar gleich doppelt: Die Mannschaft fertigte Titelrivale Dortmund mit einer wahren Machtdemonstration ab und Tuchel lieferte sich einen denkwürdigen TV-Zoff.
"Ich möchte gar nicht in die Diskussion. Wenn ich durch bin, möchte ich gehen, das ist mir too much (zu viel)", sagte er live on air und beendete das Gespräch so, wie er es bereits begonnen und geführt hatte: mit beißender Ironie und verbalen Spitzen. "Ihr habt den Job, ihr dürft das benennen, wie ihr möchtet. Da ist gar keiner sauer", sagte er, während er bereits den Mikrofonsender auf den Tisch legte, und fügte auf dem Weg noch hinzu: "Wir haben 4:0 gewonnen, jetzt müsst ihr eine 180-Grad-Wende machen, viel Spaß."
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Die einen sahen in Tuchels Wutauftritt schlechten Stil, unnötige Dünnhäutigkeit und einen Beleg dafür, wie angespannt die Stimmungslage nach dem Pokal-Aus bei Drittligist Saarbrücken (1:2) am Mittwoch momentan ist. Die anderen sahen aber auch einen Trainer, der derart leidenschaftlich – im Stile einer Löwenmama – für sich, seine Sache und vor allem den FC Bayern kämpfte, dass er damit fast schon an Uli Hoeneß erinnerte. Das Klub-Oberhaupt ereifert sich schließlich ebenfalls seit Jahrzehnten mit mindestens ähnlichem Enthusiasmus, sobald er einen Angriff auf seine Bayern-Familie wittert.
Hoeneß dürfte Tuchels emotionaler Abteilung-Attacke-Auftritt jedenfalls gefallen haben. Möglicherweise ist der auch als Zeichen zu werten, dass der Chefcoach damit nun endgültig beim Rekordmeister angekommen ist.
Tuchel: "Es hat gereicht jetzt"
Selbst bei seinem Eingangsstatement auf der Pressekonferenz nahm Tuchel nochmals den Fehde-Handschuh auf. "Soll ich Didi und Lothar zitieren? Für eine Mannschaft ohne Weiterentwicklung und mit schlechtem Innenverhältnis zwischen Spielern und Trainer, sah es ganz okay aus", sagte er. "Den Rest erfahrt ihr von den Experten ja direkt."
Kurz danach erklärte er seine verbalen Ausbrüche noch einmal abschließend. Irgendwann sei es eben auch mal gut. "Es hat gereicht jetzt", führte er aus. Er sei es leid, jede Woche nach den Einschätzungen von Matthäus und Dietmar Hamann gefragt zu werden. Bei diesem Ping-Pong-Spiel habe er "keine Lust, da in der Mitte zu stehen und Kommentare dazu abzugeben", so Tuchel. "Heute war mal der Tag, das endgültig zu sagen. Ich werde darauf nicht mehr weiter eingehen."
11. Spieltag
Sein Wutauftritt in Dortmund wird also so schnell wohl keine Wiederholung finden. Damit hatte er – ob gewollt oder nicht – zwangsläufig auch die starke Leistung seiner Mannschaft etwas in den Hintergrund gerückt und selbst die Schlagzeilen bestimmt.
Bayerns Motto: Angriff ist die beste Verteidigung
Das Motto, dass Angriff die beste Verteidigung ist, hatte sich aber auch sein Team zu eigen gemacht. Mit dem deutlichen Triumph bei dem Titelrivalen zeigte das nach dem bitteren Pokal-Aus eine Reaktion, die damit auch ein wichtiges Statement im Kampf um die Meisterschaft setzte.
"Das war, denke ich, unser bestes Spiel in dieser Saison", sagte Harry Kane nach der gelungenen Wiedergutmachung bei ESPN. "Es war gut, dass wir nicht viel Zeit zum Nachdenken hatten und sofort die Gedanken auf dieses Spiel richten mussten." In seinem zehnten Bundesliga-Spiel erzielte der Star-Neuzugang, seine Treffer Nummer 13 bis 15, womit er einen weiteren Rekord aufstellte. Neben Leroy Sané, dem zwei Assists gelangen, verdiente sich auch Kane damit die t-online-Note 1.
Dreierpack bringt Kane in Verlegenheit
Sein bereits dritter Dreierpack bringt den Kapitän der englischen Nationalmannschaft langsam in Verlegenheit, wie Thomas Müller süffisant feststellte. "Dein Hotelzimmer wird kleiner und kleiner", rief er ihm noch auf dem Platz grinsend zu und gab ihm später noch den einen gut gemeinten Tipp: "Der muss langsam das Hotelzimmer wechseln. Oder endlich ein Haus finden, das dazu passt, dass er die ganzen Hattrick-Bälle gut unterbringt."
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Kane sicherte sich freilich trotzdem wieder den Spielball als Souvenir. Dass er "nach einem Hattrick in einem solchen Spiel und vor diesen Fans", wie er bei X (vormals Twitter) schrieb, die Gelegenheit dazu bekam, sei "unglaublich! Ein spezieller erster Klassiker."
Anstatt sich vom BVB in der Tabelle überholen zu lassen, vergrößerten die Bayern (26 Punkte) mit dem 4:0 ihren Vorsprung auf den BVB auf fünf Punkte. Noch wichtiger war es für den Rekordmeister aber, an Tabellenführer Bayer Leverkusen (28 Punkte) dranzubleiben.
Müller: Leverkusen der Hauptkonkurrent um den Titel
"Die haben einmal unentschieden gespielt und den Rest gewonnen. Aktuell sieht es danach aus", antwortete Müller, als t-online ihn danach fragte, ob man in diesem Jahr auf dem Weg zum Titel eher Leverkusen als den BVB schlagen müsse. Nur beim 2:2 in München Mitte September ging das von Cheftrainer Xabi Alonso angeführte Bayer in den bisherigen zehn Bundespartien nicht als Sieger vom Platz.
"Wir haben Schritt gehalten mit Leverkusen", sagte Müller, nachdem die Werkself wenige Stunden zuvor mit 3:2 in Hoffenheim gewonnen hatte. "Da habe ich nur die erste Halbzeit gesehen und nach dem 2:0 für Leverkusen gedacht, oh, das geht ja schon wieder gut los", sagte der 34 Jahre alte Routinier, "aber auf einmal steht es 2:2. Insgesamt haben sie zumindest mal gespürt", so jedenfalls Müllers Hoffnung, "dass sie auch verwundbar sind."
Mit dieser kleinen Spitze eröffnete Müller quasi auch die verbale Abteilung Attacke im sich mehr und mehr abzeichnenden Meisterduell mit Leverkusen. Auch dank Tuchel blieb das an diesem Abend aber nur eine Randnotiz.
- Eigene Beobachtungen vor Ort in Dortmund
- Mixed-Zone-Gespräch mit Thomas Müller
- TV-Interviews von Thomas Tuchel bei Sky und im ZDF
- Pressekonferenz mit Thomas Tuchel