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ManCity vs. FC Bayern: "Tuchel wurde stark von Guardiola beeinflusst"


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Topspiel in der Champions League
"Bayern tickt eben nicht so"

InterviewVon Julian Buhl

11.04.2023Lesedauer: 8 Min.
Pep Guardiola und Thomas Tuchel (r.): Die beiden Trainer verbindet eine ganz besondere Historie und Rivalität.Vergrößern des Bildes
Pep Guardiola und Thomas Tuchel (r.): Die beiden Trainer verbindet eine ganz besondere Historie und Rivalität. (Quelle: Pierre Philippe Marcou)
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ManCity gegen Bayern, Guardiola gegen Tuchel – das Viertelfinalduell der Champions League wird mit Spannung erwartet. England-Experte Honigstein erklärt t-online, wie genau.

Aus Manchester berichtet Julian Buhl

Für viele Fans und Experten ist das Viertelfinalduell des FC Bayern mit Manchester City die vorweggenommene Endspielpaarung der Champions League. Beide wissen um die jeweilige Stärke ihres Gegners, der Respekt voreinander ist riesig. Das brachten die Verantwortlichen vor dem Hinspiel am Dienstagabend (21 Uhr) in Manchester auch noch mal bei einem persönlichen Treffen zum Ausdruck.

In einer spanischen Tapasbar tauschte sich eine Delegation der Münchner um Vorstandsboss Oliver Kahn, Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Präsident Herbert Hainer mit Klubvertretern von City aus – auch Pep Guardiola schaute zumindest kurz vorbei. Für Guardiola, der vor seinem Engagement in England von 2013 bis 2016 noch die Münchner trainierte, ist es ein spezielles Wiedersehen, bei dem er auch noch auf Thomas Tuchel trifft, mit dem ihn eine ganz besondere Historie und Rivalität verbindet.

Auch in England wird das Aufeinandertreffen der beiden Trainergenies mit Spannung erwartet. England-Experte Raphael Honigstein, der seit 30 Jahren in London lebt und als Journalist unter anderem für "The Athletic" sowie als TV-Experte für Sky und BT Sport arbeitet, erklärt im Interview mit t-online, warum die Partie etwas so Besonderes ist.

t-online: Herr Honigstein, der FC Bayern tritt am Dienstagabend bei Manchester City an. Wie sind die Erwartungen in England an dieses Viertelfinalhinspiel der Champions League?

Raphael Honigstein: Bei ManCity ist die Stimmung nach acht Pflichtspielsiegen in Folge und speziell dem 4:1 zuletzt gegen Liverpool super. Das war das beste Saisonspiel – und zwar ohne Erling Haaland. City ist zum richtigen Zeitpunkt in Topform und wird hier deshalb ein bisschen stärker eingeschätzt, Bayern jetzt aber auch nicht als Underdog, da geht es eher um Nuancen. Liverpool oder United stehen hier aber deutlich mehr im Fokus, da wäre das Echo noch viel größer. Das Interesse ist aber da, gerade weil Pep (Guardiola; Anm. d. Red.) auf Thomas Tuchel trifft.

Dieses Duell ist in England also bedeutender als Guardiolas erstes Wiedersehen mit Bayern seit seinem Abschied 2016?

Tuchel ist als Chelsea-Trainer noch präsenter. Trotzdem ist es eine spannende Konstellation, vor allem, wenn Pep nächste Woche zurück nach München kommt. Ein Anlass zu schauen, warum er die Champions League nicht mehr gewinnen konnte – mit der möglichen Pointe, dass ausgerechnet Bayern ihn nun daran hindert.

Dieser Titel steht über allem, oder?

Für ihn ja – vielleicht auch für die Klub-Eigentümer. Für die City-Fans ist kurioserweise der Meistertitel immer noch wichtiger. Das ist auch in der Hassliebe zur Uefa begründet, von der sie sich gegängelt und aufgrund diverser Financial-Fairplay-Auflagen benachteiligt fühlen. Aber für Guardiola ist der Champions-League-Titel das allerhöchste Ziel. Je länger er ihm hinterherjagt, desto größer wird seine Sehnsucht danach.

2021 musste er sich im Finale Tuchel und dem FC Chelsea geschlagen geben. Hat er das im Hinterkopf?

Er hat keine Revanchegedanken. Ihm geht es einfach darum, zu gewinnen. Wenn er gegen Tuchel oder auch Jürgen Klopp antritt, ist das eine größere Herausforderung und deshalb vielleicht auch eine größere Genugtuung zu gewinnen. Es ist aber nicht so ein Verhältnis wie bei McEnroe gegen Borg oder Becker gegen Edberg. Der Respekt und die Wertschätzung stehen über der emotionalen Komponente.

Die beiden kennen sich schon lange, Tuchel traf Guardiola einst in der Bar Schumann's, wo sie über Taktik philosophierten und dabei Salz- und Pfefferstreuer auf dem Tisch hin- und herschoben …

Ihre Historie und vor allem ihre Verbundenheit machen das Duell sehr speziell. Die war noch ausgeprägter, als Tuchel noch Guardiolas Hospitant – und nicht sein Konkurrent – war. Guardiola sieht Tuchel als ebenbürtigen Gegner. Der hatte bisher noch nicht die Chance, langfristig für einen Topklub zu arbeiten, und so weniger Titel gewonnen. Andererseits hat er 2021 mit Chelsea das geschafft, was Guardiola seit zwölf Jahren weiter umtreibt: die Champions League zu gewinnen. Es wird spannend zu beobachten sein, ob Tuchel Guardiola wieder dazu bringt, etwas Verrücktes zu machen – so wie im Champions-League-Finale, als er Rodri, seinen besten Mittelfeldspieler, rausnahm.

Ticken die beiden gleich oder wo sehen Sie Unterschiede?

Es gibt sehr viele Gemeinsamkeiten, was ihre Grundidee des Fußballs angeht. Dieses Obsessive, die Fixierung auf Systeme und Muster, beide versuchen, den Fußball zu entschlüsseln, ihre eigenen Vorstellungen dem Gegner aufzuzwingen. Tuchel ist etwas pragmatischer und gemäßigter, richtet seine Taktik eher nach den eigenen Spielern aus. Guardiola hat eine Idee, die er punktuell immer etwas anpasst, je nach Gegner – manchmal auch zu viel. Tuchel wurde sehr stark von Guardiola beeinflusst. Er hat sich viel abgeschaut, aber trotzdem nie versucht, ihn zu kopieren. Ein Unterschied: Guardiola konnte sich bei Barça, Bayern und City seine Mannschaften immer so hinbauen, dass sie seinen Ideen entsprechen. Tuchel musste dagegen immer mit dem arbeiten, was ihm gegeben wurde. Ich bin gespannt, wie sich das jetzt bei Bayern entwickeln wird.

Der erhoffte Trainereffekt mit Tuchel ist dort nicht ganz wie gewünscht eingetreten, oder?

Das Pokal-Aus gegen Freiburg tut enorm weh, denn das gute Gefühl gegen Dortmund ist damit schon wieder weg. Andererseits haben sie es in der Champions League bisher immer geschafft, sich zu sehr konzentrierten Leistungen aufzuraffen. Der Druck ist jetzt aber schon enorm groß. Wenn Bayern jetzt ausscheiden sollte und dann "nur" noch Meister werden könnte, wäre das Gefühl da, dass die Saison vorbei ist. Sie haben Tuchel geholt als jemanden, der eine Mannschaft kurzfristig besser machen kann. Den Beweis kann er jetzt liefern.

Wie viel steht nun auch für ihn auf dem Spiel?

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Ein Ausscheiden gegen City würde die Entscheidung des Trainerwechsels zu diesem Zeitpunkt schon infrage stellen. Das müsste sich aber in erster Linie der Bayern-Vorstand vorwerfen lassen. Wenn er gewinnt, wird man den Erfolg an ihm festmachen. Wenn er verliert, wird es keine Vorwürfe in seine Richtung geben. Gegen City rauszufliegen, ist immer möglich und nicht vergleichbar mit dem Aus im vergangenen Jahr gegen Villarreal, die die Zweifel und Fragen an Nagelsmann mit Sicherheit verstärkt haben. Man würde Tuchel sicher eine Vorbereitung und ein paar Veränderungen zugestehen, damit er in der nächsten Saison richtig angreifen kann.

Hat Sie Nagelsmanns Entlassung trotz der erwähnten Zweifel überrascht?

Beim FC Bayern laufen die Dinge etwas anders. Da werden Wechsel vorgenommen, wenn negative Tendenzen wahrgenommen werden. Auch Louis van Gaal, Carlo Ancelotti oder Niko Kovac wurden in ihrer zweiten Saison gefeuert. Wenn es nach der Meinung der Verantwortlichen nicht in die richtige Richtung läuft, handeln sie. Das ist radikal, brutal, aber auch Teil der Vereinsphilosophie und -historie, da Misserfolg ganz einfach nicht toleriert wird. Von daher ist der Wechsel nicht allzu verblüffend. Trotzdem hätte auch ich gedacht, dass Nagelsmann aufgrund seiner Herkunft, Verbundenheit mit dem Klub und seiner Fähigkeiten eine Langzeitlösung werden würde. Wir werden nie erfahren, ob er es nicht doch noch hinbekommen hätte. Aber Bayern tickt eben nicht so. Es geht dabei gar nicht so sehr um vermeintliche Fehler oder atmosphärische Dinge, Bayern orientiert sich ganz stark an Leistung und Ergebnissen. In der Champions League war alles in Ordnung, in der Bundesliga alles allerdings sehr wechselhaft. Mit Blick auf die wichtigen Spiele im April wollte sich Bayern diese fehlende Konstanz nicht leisten.

Sie haben Anfang des Jahres ein vielbeachtetes Interview mit Kapitän Manuel Neuer geführt, in dem er sich deutlich zu der von Nagelsmann vorangetriebenen Entlassung seines Torwarttrainers und Trauzeugen Toni Tapalovic äußerte. Welchen Einfluss hatte das möglicherweise?

Dass es atmosphärische Probleme gab, liegt auf der Hand – sonst meldet sich der Kapitän nicht mitten in der Saison so zu Wort. Andererseits ist Neuer momentan verletzt und somit auch kein direkter Teil der Mannschaft. An ihm und möglichen Differenzen mit Nagelsmann kann man es nicht festmachen, dass Bayern nicht gut gespielt hat, das war sicher nicht einer der Gründe, warum die Mannschaft häufig unter ihren Möglichkeiten geblieben ist. Aber diese Geschichte ist eben auch kein Ausdruck von grenzenloser Harmonie. Die Verantwortlichen haben trotzdem die Entscheidung mitgetragen und damit versucht, Nagelsmann bis zum Ende zu stützen und zu stärken.

Nagelsmann wurde zuletzt als Kandidat bei Chelsea genannt, wo Frank Lampard nun als Interimstrainer übernommen hat. Bleibt Nagelsmann aber ein Thema in London?

Er ist weiterhin Kandidat für den Sommer. Chelsea wird sich ihn ganz genau anschauen. Aber auch die Kandidaten werden genau hinschauen, in welchen Verein sie da kommen – einen mit schwierigen Strukturen und einem aufgeblähten Kader. Nagelsmann ist ein Toptrainer, der vielleicht noch etwas lernen muss. Es ist aber keine Überraschung, dass sich ein Verein wie Chelsea für ihn interessiert. Er ist jetzt schon einer der besten Trainer und wird das in Zukunft erst recht sein.

Welchen Stellenwert haben Ilkay Gündogan, Kevin De Bruyne und Erling Haaland bei City?

Das sind mit die wichtigsten Spieler im System von Guardiola. Aus einem starken Kollektiv ragen diese drei noch mal ein bisschen heraus. Gündogan ist als Kapitän und mit seiner Ruhe am Ball unheimlich wichtig. De Bruyne hat aufgrund seiner vielen Vorlagen einen enormen Stellenwert. Und Erling Haaland schießt alles in Grund und Boden. Er ist der, dem alle zutrauen, dass er nach all den vergeblichen Anläufen auf den Champions-League-Titel derjenige sein wird, der dazu fähig ist, den Unterschied auszumachen.

Mit Dortmund verlor er allerdings alle sieben bisherigen Duelle mit Bayern …

Er hat aber trotzdem viele Tore geschossen, und City ist jetzt deutlich besser als Dortmund. So ganz schlau wird man aus ihm aber noch nicht.

Warum?

Einerseits hat er enorm viele Tore geschossen, schon 44 in allen Wettbewerben. Trotzdem kann es aber passieren, dass City am Ende gar nichts gewinnt. Das würde die Diskussion wieder aufkommen lassen, ob er die Mannschaft wirklich besser gemacht hat mit all seinen Toren oder ob City mit ihm nicht vielleicht doch noch anfälliger für Konter ist und nicht ganz so dominant auftritt. Eigentlich ist diese Debatte absurd. Aber City war eine Maschine, bevor er kam. So ein wichtiges Teil mit einem richtigen Mittelstürmer dann zu verändern, ist nicht so einfach für eine Mannschaft. Das erklärt vielleicht auch die eine oder andere weniger dominante Leistung in der Vergangenheit. Man musste sich gegenseitig erst anpassen.

Gibt es auch bei Guardiola, der als Erfinder der falschen Neun gilt, Zweifel an Haaland?

Er lässt sich auch von Leuten um ihn rum beeinflussen und ist da nicht so ideologisch festgelegt, wie man manchmal denkt. Aber Haaland verändert das Spiel definitiv. Ohne ihn hätte City vielleicht noch größere Probleme, an Arsenal dranzubleiben. Das ist unmöglich zu beantworten. Wenn City noch Meister wird und die Champions League gewinnt, wird Haaland zum Spieler des Jahres gewählt. Wenn City am Ende mit leeren Händen dasteht, wird Haaland auch zum Spieler des Jahres gewählt. Aber dann wird man weiter ein bisschen rätseln, ob es wirklich zu 100 Prozent passt zwischen ihm, Pep und der Mannschaft.

Was wird das Duell aus Ihrer Sicht entscheiden?

Es wird interessant, ob Bayern es schafft, City das Mittelfeld nicht komplett zu überlassen. Versuchen sie gegen Guardiolas Ballbesitzfußball zu bestehen und City den Ball wegzunehmen? Oder spielen sie auf Konter wie Tuchel damals mit Chelsea im Finale? City ist anfällig dafür, weil viele Spieler in der gegnerischen Hälfte agieren. Es gelingt aber so gut wie keiner Mannschaft, City den Ball dauerhaft wegzunehmen. Bayern hätte die Qualität dazu, obwohl das Pressing zuletzt nicht hundertprozentig funktionierte. Die Frage ist, ob Tuchel nicht doch eher auf Umschaltspiel setzt. Ohne echten Mittelstürmer würde sich das eigentlich anbieten.

Verwendete Quellen
  • Telefonisches Interview mit Raphael Honigstein
  • Reporter vor Ort in Manchester
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