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Formel 1 – Ex-Fahrer Zanardi im Interview: "Ich habe viel Blut verloren"


Interview
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Ex-Formel-1-Fahrer Zanardi
"Ich war so froh, am Leben zu sein"

InterviewVon Cian Hartung

06.12.2019Lesedauer: 5 Min.
Mit seinem Handbike auf der Rennstrecke in Fuji: Rennfahrer und Paralympics-Athlet Alex Zanardi.Vergrößern des Bildes
Mit seinem Handbike auf der Rennstrecke in Fuji: Rennfahrer und Paralympics-Athlet Alex Zanardi. (Quelle: BMW Motorsport)

Alex Zanardi verlor bei einem dramatischen Rennunfall beide Beine und kehrte danach in den Motorsport zurück. Als Handbiker gewann er mehrere Paralympics-Goldmedaillen – und hat noch lange nicht genug.

Der Italiener Alex Zanardi fuhr zwischen 1991 und 1999 in der Formel 1. Dort startete er unter anderem im Williams-Team an der Seite des jungen Ralf Schumacher. Anschließend wechselte er in die amerikanische Champ-Car-Serie, wo er 2001 am Lausitzring bei einem folgenschweren Unfall beide Beine verlor.

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Zanardi kämpfte sich aber zurück ins Cockpit: Nur zwei Jahre später saß er wieder in einem für ihn umgebauten Rennwagen und fährt seitdem in unterschiedlichen Rennklassen. Damit nicht genug: 2011 stieg der ehrgeizige Italiener auch in den Radsport und den Ironman ein.

Bei den Paralympics 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro krönte er seine Sportlerkarriere mit mehreren Goldmedaillen. Im Interview mit t-online.de spricht er nun über seine Pläne für die Zukunft.

t-online.de: Herr Zanardi, Sie sind weltberühmt für Ihre Comeback-Geschichte und Ihre Erfolge nach dem Horrorunfall 2001. Provokant gefragt: Ist der Unfall das Beste, was Ihnen im Leben passiert konnte?

Alex Zanardi (53): Wenn man sich den Lauf meines Lebens in den letzten 18 Jahren anguckt: wahrscheinlich ja. Nach dem Unfall sah es für mich nicht gut aus. Zwischen dem Krankenhausbett 2001 in der Berliner Charité und dem Paralympics-Triumph in London 2012 sind Welten. Aber heutzutage Alex Zanardi zu sein, eröffnet mir sehr viele Türen. Ich werde dafür bezahlt, meine Hobbies auszuüben. Aber von nichts kommt nichts. Man muss das Glück manchmal erzwingen.

Welche Erinnerungen haben Sie noch an Ihren Unfall am Lausitzring 2001, wo Sie beide Beine verloren?

Ich habe nur noch sehr verschwommene Erinnerungen, da ich dabei viel Blut verloren habe. Einige Bilder kamen mit der Zeit zurück wie zum Beispiel, als ich über den Rasen rutschte und meine Hände verzweifelt versuchten, wieder Kontrolle über das Auto zu kriegen. Die nächste Erinnerung, die ich habe, ist der Moment, als ich im Krankenhausbett in der Charité in Berlin aufwache und mir meine Frau Daniela erklärt, was passiert ist.

Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Ich war so froh, am Leben zu sein. Diese Freude war überwältigend. Es war für mich nicht schwierig, nach vorne zu gucken, anstatt der Vergangenheit hinterherzutrauern.

Im September verstarb beim Formel-2-Rennen in Spa der Nachwuchsfahrer Anthoine Hubert, als sein Konkurrent Juan Manuel Correa in ihn hineinfuhr. Diese Szene hatte eine große Ähnlichkeit mit Ihrem Unfall – mit aber noch fataleren Folgen. Was haben Sie gedacht, als Sie diese Szene sahen?

Mir tat Anthoine Hubert unglaublich leid, denn er hatte bei dem Unfall ein großes Pech. Für seine Familie war es eine absolute Katastrophe, ihren Sohn so früh zu verlieren. Ich sagte mir selbst: "Solche Unfälle passieren leider – Shit happens".

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Ist der Motorsport zu gefährlich geworden?

Anthoine ist einer von wenigen Todesfällen im Rennsport der letzten Jahre und ich gehöre zu den wenigen, der seine Beine bei einem vergleichbaren Unfall verloren hat. Im Gegensatz dazu passieren jeden Tag im Straßenverkehr viel Unfälle, vor allem wenn die Leute eher auf das Smartphone gucken anstatt auf die Straße. Das Leben besitzt manchmal eine böse Ironie.

Was meinen Sie damit?

Ich habe viele Freunde in der Handbike-Szene, die gelähmt sind, weil sie Opfer eines absurden Zufalls wurden. Beispielsweise ist ein sehr gläubiger Sportkollege von mir gelähmt, weil ihm ein großes Bild der Jungfrau Maria auf den Nacken gefallen ist. Es hing jahrelang über seinem Bett und fiel eines Nachts runter. Das ist das Leben – man kann sich nie vor allen Gefahren schützen.

Mit BMW haben Sie eine Fahrzeug-Steuerungstechnik entwickelt, bei der Sie mit Ihren Fingern am Lenkrad Gas geben und bremsen können während Sie lenken. Wie fühlt es sich an, in einem Rennauto ganz ohne Beine auszukommen?

Der Unterschied beim Fahren ist, rein physisch betrachtet, wie Tag und Nacht. Manchmal ist das sogar weniger anstrengend, als mit Beinen zu fahren. In manchen Rennen habe ich noch nicht einmal geschwitzt (lacht). Diese Steuerung ist aber ein großer Fortschritt. Bei den ersten Fahrversuchen damals habe ich es mit meiner Beinprothese versucht. Das war aber ein Alptraum. Ich konnte die Bremse kaum betätigen und hielt nicht länger als zehn Runden durch.

In dieser Saison ist Williams-Fahrer Robert Kubica nach langer Verletzung mit Handicap an der Hand gefahren. Hat er die Anerkennung bekommen, die er verdient hat?

Dieses Jahr haben wir nicht den "echten" Robert Kubica gesehen. Robert ist ein super Typ und ein großartiger Fahrer. Diese Saison konnte er das leider nicht zeigen. Es ist schade, dass er auf diese Weise die Formel 1 verlässt und seine Geschichte so unvollendet bleibt. Wo der Grund dafür liegt? Das kann ich nicht genau sagen. Ich glaube nicht, dass es viel mit seiner "kleinen" Behinderung an der Hand zu tun hat.

Von Ihnen stammt der Satz: "Sogar die größte Niederlage kann in den größten Sieg umgewandelt werden." Wie gelingt es einem Sportler, aus einer Niederlage Kraft zu ziehen?

In Italien sagen wir: "Wenn man auf einer Straße keine Schlaglöcher erlebt, kann man eine ebene Straße nicht wertschätzen". Jeder meistert Rückschläge auf eine eigene Weise. Fest steht aber: Wenn man eine Hürde im Leben meistert, ist da eine Erfahrung, die einem niemand mehr nehmen kann.

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Wie sind Sie nach Ihrer größten Niederlage – dem Horrorunfall 2001 – wieder aufgestanden?

Ich dachte mir: "Andere Menschen haben auch das vor mir geschafft. Wenn die das können, dann kann ich das noch besser." Ich war schon immer ein optimistischer Mensch und das hat mir Kraft gegeben.

Was gibt Ihnen der Sport?

Ich finde große Genugtuung bei einem Wettkampf teilzunehmen und diesen erfolgreich abzuschließen. Der spannendste Teil eines Wettkampfes, wie dem Ironman oder Handcycling ist, wenn ich mittendrin bin. Ich liebe das. Daher werde ich auch so lange weitermachen, wie ich noch mithalten kann.

Für viele Menschen und Sportler sind Sie ein Held. Wie geht man damit um, wenn die ganze Welt Heroisches von einem erwartet?

Damit habe ich kein Problem. Ich weiß, dass ich begabt bin, fühle aber nicht die Verpflichtung, irgendeine Rolle zu spielen. Ich weiß nämlich, dass das, was die Leute in mir sehen, weit über meine Fähigkeiten hinausgeht. Ich kann einfach ich selbst sein und das hat mir den Respekt und die Liebe vieler Menschen geschenkt. Offenbar muss ich da etwas gut gemacht haben (lacht).

Wie stehen die Chancen, dass wir Sie bei den Paralympics in Tokio sehen?

Die Chancen stehen sehr gut. Dieses Jahr habe ich die Weltmeisterschaft im Zeitfahren gewonnen. Ich wurde Zweiter bei dem Straßenrennen und Zweiter in der Weltrangliste. Ich bin daher für Tokio sehr optimistisch.

Welche Ziele haben Sie in Ihrem Leben noch?

Solange ich in der Lage bin, im Handbike oder im Rennauto als Erster die Ziellinie zu überqueren, bin ich glücklich und mache damit weiter. Wenn sich etwas Neues ergibt, dann kann es sein, dass ich meinen Weg ändere. Das Leben meint es gut mit uns. Aber machen Sie sich keine Sorgen um mich: Mir wird auch in der Zukunft sicher nicht langweilig.

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