t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeSportFormel 1

Formel 1: Ex-Mercedes-Boss Haug über neue Saison, Hamilton und Schumacher


Vor Saisonstart
Norbert Haug über Formel 1 in Deutschland: "Ein Trauerspiel"

InterviewVon Nils Kögler

13.03.2025 - 16:28 UhrLesedauer: 5 Min.
Norbert Haug: Als Mercedes-Motorsportchef war er jahrelang in der Formel 1 aktiv.Vergrößern des Bildes
Norbert Haug: Als Mercedes-Motorsportchef war er jahrelang in der Formel 1 aktiv. (Quelle: HZ/imago-images-bilder)
News folgen

Die neue Formel-1-Saison könnte die spannendste seit Langem werden. Im t-online-Interview analysiert Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug, was die Fans erwartet.

Am Sonntag (ab 5 Uhr im Liveticker bei t-online) startet die Formel 1 mit dem Grand Prix von Australien in die neue Saison. Spannung ist garantiert: Nachdem die Red-Bull-Dominanz der vergangenen Jahre in der letzten Saison gebröckelt war, werden mit McLaren, Red Bull, Ferrari und Mercedes vier Teams Chancen auf Rennsiege und womöglich sogar den WM-Titel eingeräumt.

Loading...

Aufmerksam beobachten wird den Titelkampf auch Norbert Haug. Der heute 72-Jährige war von 1990 bis 2012 Motorsportchef von Mercedes-Benz und prägte unter anderem mit McLaren-Mercedes und später auch dem Werksteam von Mercedes die Geschehnisse in der Königsklasse des Motorsports mit. Mika Häkkinen wurde auch unter Haugs Führung in legendären Duellen mit Michael Schumacher zum Weltmeister. Auch der Start von Lewis Hamiltons Formel-1-Karriere und dessen erster WM-Titel fallen in die Ära von Haug.

Im Gespräch mit t-online schaut Haug auf die neue Saison voraus und spricht dabei über die Favoriten, Lewis Hamiltons Versuch, Michael Schumachers WM-Rekord zu brechen, sowie über den Zustand der Formel 1 in Deutschland und die Zukunft von Mick Schumacher.

t-online: Herr Haug, die neue Formel-1-Saison steht an und McLaren geht als Topfavorit ins neue Jahr. Freut es Sie, dass das traditionsreiche Team, das ja auch Ihr alter Rennstall ist, wieder um Titel kämpft? Und vor allem: auch das Traditionsduell mit Ferrari wieder aufleben könnte?

Norbert Haug: McLaren nahm 2024 zweifellos eine überaus erfreuliche Entwicklung. Vom Letzten am Saisonbeginn 2023 zum Ersten am Saisonende 2024 ist geradezu atemberaubend und passiert in der Formel 1 höchst selten. Dass dies mit identischem Antrieb des Mercedes-Werksteams gelang, macht diesen Erfolg noch viel bemerkenswerter. Und: Ja, McLaren-Mercedes startet zweifellos als Favorit in die neue Saison, was mich schon aus nostalgischen Gründen sehr freut; und sollte es dann erneut zum Prestigekampf McLaren-Mercedes und Ferrari wie zu den damaligen Hochzeiten der Formel 1 kommen, wäre das sicher nicht nur für mich ein Leckerbissen.

Im letzten Jahr wurden McLaren-Pilot Lando Norris mentale Schwächen nachgesagt. Glauben Sie, er hat das Format, um Fahrern wie Max Verstappen und Lewis Hamilton die Stirn zu bieten? Ist Verstappens Dominanz endgültig vorbei?

Lando Norris ist zum Siegen stark genug, genauso wie sein Teamkollege Oscar Piastri, das haben beide bewiesen. Die Rechnung ohne Max Verstappen zu machen, würde ich indes niemandem im Feld empfehlen. Genauso wenig ist Lewis Hamilton nach seinem Wechsel zu Ferrari nur als Mitfahrer zu sehen. Hat er das Auto und das Team dazu, wird er um den WM-Titel fahren.

McLaren ließ vergangenes Jahr unter den sogenannten "Papaya Rules" beide Fahrer auch bis tief in die Saison hinein gegeneinander fahren. Halten Sie das für richtig oder sollten sie sich auf eine klare Nummer eins festlegen?

Ich halte es für absolut richtig, dass diese damals exakt so von Ron Dennis (Ex-Teamchef, Anm. d. Red.) bei McLaren und uns bei Mercedes praktizierte Marschorder bis heute als "Papaya Rules" überlebt hat. Exakt so geht in meinen Augen Rennsport, von Stallordern habe ich noch nie etwas gehalten, selbst wenn deren Nichtanwendung uns Weltmeistertitel gekostet hat.

Mercedes hat in den letzten Jahren nicht nur seine Dominanz eingebüßt, sondern nun auch noch Lewis Hamilton verloren. Was trauen Sie den Silberpfeilen mit George Russell und Andrea Kimi Antonelli zu?

Ich bedauere sehr, dass sich Mercedes und Lewis Hamilton getrennt haben, und hätte damit auch niemals gerechnet. Mercedes muss 2025 zweifellos beweisen, dass sie so viel wie McLaren mit gleichem Antrieb zu leisten in der Lage sind. Die Fahrer dazu haben sie nach meiner Einschätzung durchaus.

Lewis Hamilton versucht sich ausgerechnet bei Michael Schumachers Weltmeister-Rennstall Ferrari nun daran, seinen WM-Rekord endgültig zu brechen. Wie groß sind seine Chancen?

Wenn wir von Lewis Hamilton und seinen Titelgewinnen reden, muss aus meiner Sicht zunächst gesagt werden, dass er mit über 100 Siegen nicht nur der erfolgreichste Formel-1-Fahrer aller Zeiten ist, sondern statt sieben bereits neun WM-Titel haben müsste.

Wie das?

Den ersten haben wir ihm gleich in seinem Formel-1-Premierenjahr 2007 als Team mit einer falschen Strategie beim vorletzten Rennen in China vermasselt.

Bei dem von Ihnen angesprochenen Rennen rutschte er mit zu stark abgefahrenen Reifen ins Kiesbett der Boxeneinfahrt, blieb stecken und schied so aus.

Genau. Ihm fehlte dann in der Saisonbilanz ein einziger Punkt zum WM-Titelgewinn.

Und was wäre der neunte Titel gewesen?

Der zweite für Hamilton vereitelte WM-Titel passierte 2021 beim letzten Grand Prix in Abu Dhabi durch eine vollkommen falsche Safety-Car-Entscheidung des damaligen Fia-Rennleiters.

Die Fehlentscheidung sorgte dafür, dass der in Führung liegende Hamilton auf der Schlussrunde noch von Verstappen überholt werden konnte und so den Titel verlor.

Richtig. Ein Titelgewinn mit Ferrari in seinem Premierenjahr dort wäre aus meiner Sicht also durchaus die späte Gerechtigkeit für den 2007 durch uns vermasselten.

Würde Ihnen als Deutscher das Herz bluten, sollte Hamilton Schumachers Rekord brechen oder gönnen Sie es ihm?

Natürlich würde ich ihm diesen dann achten WM-Titel so sehr gönnen wie all seine Siege. Ich habe mit Lewis Hamilton bereits als damals 14-jähriger Kart-Rennfahrer zusammengearbeitet und weiß sehr genau, wie außergewöhnlich er und seine Leistungen sind. Ganz sicher bin ich auch, dass Michael Schumacher der Erste wäre, der dann Lewis Hamilton von Herzen gratulieren würde, wäre er dazu in der Lage.

Mit Charles Leclerc hat Hamilton einen ambitionierten, jüngeren Teamkollegen. Das bietet Sprengstoff. Könnte Ferrari die Entscheidung für diese Fahrerpaarung bald bereuen?

Das sehe ich keineswegs so. Leclerc ist sehr schnell, neigte aber, zumindest in der Vergangenheit, immer wieder zu Fahrfehlern. Bei Hamilton als Teamkollegen sollte er sich diese nicht erlauben. Ferrari hat einen Spielplan für die neue Saison. Für sie zählt nur der Titelgewinn und möglichst der doppelte, bei Fahrern wie bei Konstrukteuren.

Loading...
Loading...

Die Fahrer beklagen immer wieder die zunehmende Belastung im Rennkalender. In dieser Saison werden es 24 Rennen sein. Sind das zu viele?

So um die 20 Formel-1-Rennen waren es auch bereits zu meiner Zeit, dazu Testfahrten, Indycar in Amerika, GT-Rennen in Europa, DTM in Deutschland und Umgebung, über 30 Renntermine kamen da allemal alljährlich zusammen. Aber mit 24 ist in der Formel 1 sicher eine Obergrenze erreicht, rechnerisch sind das ja immerhin monatlich zwei Rennen.

Mercedes ging 2010 mit den Fahrern Rosberg und Schumacher als deutsche Nationalmannschaft an den Start. Heute bevorzugen sie mit Antonelli einen 18-Jährigen vor Mick Schumacher. Nico Hülkenberg ist mit stolzen 37 Jahren der einzige verbliebene Deutsche im Fahrerfeld. Was läuft falsch in Deutschland?

Im Jahr 2010 gab es ganze sieben deutsche Fahrer. Zwischen 1994 und 2016 gewannen deutsche Fahrer zwölf von 23 möglichen Fahrertiteln, Trefferquote also über 50 Prozent. Deutschland hatte zwölf Jahre lang zwei Formel-1-Grand-Prix pro Jahr. Was sich heute zum Thema Formel 1 in Deutschland abspielt, ist angesichts dieser einmaligen Bilanz umso mehr ein Trauerspiel. Audi wird hier ab 2026 diese Marktlücke nutzen und im Land neue Impulse setzen, da bin ich sicher. Auch wenn das dank spektakulärer Erfolge sicher nicht sofort gelingen wird.

Glauben Sie noch an ein Formel-1-Comeback von Mick Schumacher?

Aus meiner Sicht sollte Mick Schumacher ein Formel-1-Engagement nur dann in Betracht ziehen, wenn ihm das richtige Team das richtige Angebot macht und ihn so sehr haben will, wie Ferrari Lewis Hamilton haben wollte. Das würde dann zweifellos auf einem anderen Niveau passieren, aber Formel 1 zu fahren um des Formel-1-Fahrens willen, das hat Mick Schumacher ja bereits hinter sich.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Norbert Haug
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom