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Formel 1: Red Bull überraschend schwach – erwischt beim Schummeln?


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Formel 1
Plötzlich verwundbar: Wurde Red Bull beim Schummeln erwischt?


Aktualisiert am 20.09.2023Lesedauer: 6 Min.
Max Verstappen (rechts) mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner: Ist es mit der Dominanz nun vorbei?Vergrößern des Bildes
Max Verstappen (rechts) mit Red-Bull-Teamchef Christian Horner: Ist es mit der Dominanz nun vorbei? (Quelle: IMAGO/Then Chih Wey)

Beim Rennen in Singapur präsentierte sich der bisherige Formel-1-Dominator Red Bull überraschend schwach. Wurde das Team beim Schummeln erwischt?

Erst als die Ferrari-Mechaniker vor dem Podium die italienische Nationalhymne leidenschaftlich in die Nacht von Singapur brüllten, wurde es den Formel-1-Fans so richtig bewusst. Der Mann, der da freudestrahlend auf dem obersten Podest für den Rennsieger stand, war tatsächlich Ferrari-Pilot Carlos Sainz und nicht Weltmeister Max Verstappen.

Zehn Siege in Folge hatte der Niederländer zuvor gefeiert und damit den zehn Jahre alten Rekord von Sebastian Vettel um einen überboten. Saisonübergreifend feierte Verstappens Red-Bull-Rennstall gar 15 Siege in Folge – und die österreichische Hymne für das siegreiche Team aus der Alpenrepublik drohte zum offiziellen Abspann einer jeden Rennübertragung zu werden.

In Singapur kam es nun ganz anders: Das gesamte Wochenende hatte Red Bull große Probleme und entsprechend nichts mit dem Kampf um die Spitze zu tun. In Abwesenheit des sonstigen Dominators entwickelte sich ein Renn-Krimi, bei dem vier Fahrer aus drei verschiedenen Teams bis zum Schluss um den Sieg kämpften. Doch warum war Red Bull auf einmal so schwach? Grund dafür könnte eine Regelanpassung sein, die dem Rennstall dauerhaft schaden und damit auch in Zukunft für mehr Spannung sorgen könnte.

Spannung gab es nur im Kampf um Platz zwei

Packende Duelle hatte es in der Formel-1-Saison 2023 auch vor dem Rennen in Singapur schon häufiger gegeben. Immerhin kämpften mit Ferrari, Mercedes, McLaren und Aston Martin teils vier Teams verbissen um die Vorherrschaft – jedoch nur über den Rest des Feldes. Denn so spannend der Kampf der vier Teams auch war, es ging immer maximal um Platz zwei. Ganz vorne stellte sich von Rennen zu Rennen lediglich die Frage, wie groß der Abstand von Verstappen auf den Zweitplatzierten dieses Mal sein würde.

Die Dominanz des Niederländers ging gar so weit, dass der sogenannte Cool Down Room, in dem die drei Erstplatzierten, bevor es aufs Podium geht, kurz die Gelegenheit bekommen, zu verschnaufen und sich über das Rennen auszutauschen, von Fans aufgrund seiner Dauerpräsenz scherzhaft in "Max-Verstappen-Podcast" umbenannt wurde.

Neue technische Direktive

Zum Rennen in Singapur gaben die Regelhüter des internationalen Automobilverbandes Fia dann die "technische Direktive 018" aus. Bei solch einer technischen Direktive handelt es sich um eine Konkretisierung der Regeln in einem bestimmten Bereich durch die Fia.

In diesem Fall ging es dabei um die Beschaffenheit der Front- und Heckflügel. Zum Hintergrund: Bei der Abstimmung der Autos auf eine Rennstrecke müssen die Teams genau überlegen, wie steil oder flach sie ihre Flügel anstellen wollen. Ein steil angestellter Flügel bringt mehr Anpressdruck und lässt somit höhere Kurvengeschwindigkeiten zu, hat allerdings den Nachteil, das Auto auf der Geraden durch den höheren Windwiderstand zu verlangsamen. Andersherum sorgt ein flacher Flügel auf der Geraden für weniger Windwiderstand und damit für höhere Topgeschwindigkeit, generiert allerdings weniger Abtrieb und bringt in den Kurven entsprechend einen Nachteil.

Flexible Flügel verboten

Deshalb haben die Teams in der Vergangenheit Möglichkeiten gefunden, ihre Flügel so flexibel zu bauen, dass sie sich unter dem Windwiderstand, der bei Vollgas auf der Geraden entsteht, etwas nach unten senken. So soll der Windwiderstand verringert und die Geschwindigkeit erhöht werden. Steigt der Fahrer am Ende der Geraden auf die Bremse, nimmt der Luftdruck auf dem Flügel durch die verringerte Geschwindigkeit ab und der Flügel schnellt wieder nach oben. Somit kann er in der Kurve wieder für optimalen Anpressdruck und damit für möglichst hohe Kurvengeschwindigkeiten sorgen.

Das technische Reglement der Formel 1 gibt jedoch mittlerweile vor, dass sich alle aerodynamisch relevanten Komponenten nicht verbiegen dürfen. Vereinfacht gesagt heißt das: Die sogenannten Flexi-Wings sind verboten. Auf der anderen Seite können die Flügel aber auch nicht komplett steif sein, da sie unter der Belastung sonst brechen würden. Also hat die Formel 1 bestimmte Grenzen vorgegeben, innerhalb derer sich die Flügel biegen dürfen.

Die Grauzonen im System

Ein weiteres Problem: Die Flexibilität der Flügel kann während der Fahrt nicht einfach gemessen werden. Die Fia muss sich deshalb auf Tests am stehenden Auto verlassen, die die Bedingungen auf der Rennstrecke jedoch nicht akkurat simulieren können. Teils werden deshalb auch überraschende Tests durchgeführt, die über den eigentlich Testumfang hinausgehen. Bei diesen Kontrollen waren zuletzt wohl Zweifel daran aufgekommen, ob alle Teams die Regeln wirklich gleich interpretieren oder sich Grauzonen zunutze machen, um möglichst viel Flexibilität bei den Flügeln zu erreichen.

Die technische Direktive soll genau diese Unklarheiten nun aufgelöst haben. Eine weitere "technische Direktive 039" soll selbiges bei einigen Teilen am Unterboden der Autos bewirkt haben.

Auf einmal hat Red Bull Probleme

Die Spekulation ist nun: Red Bull musste nachbessern, um den Regeln zu entsprechen, und kämpft deshalb mit Problemen. "Es wird interessant", sagte Mercedes-Teamchef Toto Wolff bereits vor dem Wochenende in Singapur über vermeintliche Veränderungen im Feld durch die neuen Regularien. Er zweifelte jedoch daran, dass Red Bull auf einmal deutlich langsamer sein würde. "Das wäre schön, aber ich glaube nicht, dass das der Fall sein wird", so Wolff.

Die Ergebnisse auf der Strecke sprachen dennoch eine deutliche Sprache. Beide Red Bulls schafften es im Qualifying nicht unter die Top 10. Im Rennen konnte speziell Verstappen dann zwar einen Sprung nach vorne machen und kam am Ende auf Rang fünf ins Ziel. Doch um den Sieg kämpfte er zu keinem Zeitpunkt mit.

Es wäre nicht das erste Mal

Es wäre nicht das erste Mal, dass eine technische Direktive einem Rennstall Probleme bereitet. So überraschte etwa Ferrari während der Saison 2019 mit ungewöhnlich starker Motorleistung und erstaunlichen Geschwindigkeiten auf den Geraden. Später stellte sich heraus, dass die Italiener insgeheim mehr Benzin in ihre Motoren einspritzten als erlaubt. Eine technische Direktive der Fia schob dem einen Riegel vor – und Ferrari bekam über Jahre Probleme mit der Motorleistung.

Neutrale Fans hoffen nun auf einen ähnlichen Effekt bei Red Bull, um auch an der Spitze endlich wieder mehr Spannung erleben zu können.

Red Bull hat eine andere Erklärung

Ob auch Red Bulls Probleme auf die technischen Direktiven zurückzuführen sind, ist jedoch fraglich. Sie könnten auch einfach durch die Streckencharakteristik in Singapur begründet sein, die dem Red Bull nicht zu liegen scheint. "Wenn wir irgendwo verwundbar sind, dann auf dem Stadtkurs von Singapur", sagte Verstappen bereits nach dem letzten Rennen im italienischen Monza. "Unser Auto mag Bodenwellen, Randsteine und 90-Grad-Kurven nicht so besonders", so der Weltmeister weiter. Genau davon gibt es in Singapur jedoch genug.

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Entsprechend sagte auch Red-Bull-Teamchef Christian Horner nach dem verpatzten Rennwochenende: "Ich weiß, ihr alle würdet es gerne auf die technischen Direktiven schieben, aber leider können wir es nicht darauf schieben, denn wir haben nicht eine einzige Komponente am Auto verändert." Man habe schon vor dem Wochenende gewusst, dass es ein engerer Wettbewerb werden würde. Wie weit sie nun zurückgelegen hätten, sei "aber eine Überraschung für uns" gewesen, so Horner. Vielleicht "haben unsere Simulationen vor dem Wochenende nicht zu den richtigen Schlussfolgerungen geführt", erklärte der Engländer.

Japan soll Klarheit verschaffen

Alles also ganz harmlos? Ein einmaliger Ausrutscher? Es sind die Worte, die man vom Chef eines Teams, das gerade beim Mogeln erwischt wurde, erwarten kann. Doch ausgerechnet Toto Wolff vom Konkurrenten Mercedes pflichtet Horner bei. Sein Team dominierte mit Fahrer Lewis Hamilton die Rennserie von 2014 bis 2020. Dabei hätten sie ähnliche Phänomene erlebt, sagte Wolff. "Wir kennen das, mit einem dominanten Auto nach Singapur zu kommen und dann hier nicht zu performen", so der 51-Jährige. Er ist sich sicher, dass die technischen Direktiven "keine große Sache" seien und meint: "Das verschiebt nichts."

Einmaliger Ausrutscher oder tatsächliche Probleme mit den neuen Vorgaben: Schon am kommenden Wochenende dürfte es eine deutlichere Antwort auf diese Frage geben. Dann steht mit dem Großen Preis von Japan nämlich bereits das nächste Rennen an. Dabei dürfte der Suzuka International Racing Course mit seinem schnellen Layout dem Red Bull wieder deutlich mehr entgegenkommen als Singapur. Sollte das Weltmeister-Team auch dort Probleme haben, dürfte das bei der Konkurrenz für deutlich mehr Stirnrunzeln sorgen – und Fans Hoffnung auf künftig deutlich mehr Spannung geben.

Verwendete Quellen
  • motorsport.com: "Hidden mechanisms and concealed parts: What triggered F1's flexi-wing clampdown" (Englisch)
  • motorsport.com: "Wolff not expecting flexi-wing F1 crackdown to slow Red Bull down" (Englisch)
  • fia.com: "FIA INSIGHTS: FLEXIBLE STRATEGIES – HOW THE FIA’S LATEST TECHNICAL DIRECTIVE REFLECTS F1’S EVOLUTIONARY RULEMAKING" (Englisch)
  • motorsport-magazin.com: "Neuer Flexi-Flügel-Ärger: FIA zieht F1-Teams Daumenschrauben an"
  • formel1.de: "Versteckte Mechanismen und Gummibeläge: Wovor die FIA Angst hat"
  • faz.net: "Warum Red Bull in Singapur verwundbar ist" (kostenpflichtig)
  • motorsport-total.com: "Teamchef: Technische Direktiven hatten 'null' Einfluss auf Red-Bull-Form"
  • motorsport.com: "TD18 & TD 39: Nur Zufall, dass Red Bull jetzt hinterherfährt?"
  • motorsport-magazin.com: "Red-Bull-Debakel in Singapur: Regelklarstellung schuld?"
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