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Vor Eishockey-WM-Start: DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel im Inteview


DEB-Sportdirektor Stefan Schaidnagel
"Die NHL-Stars sind unsere Aushängeschilder"

InterviewVon Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 10.05.2019Lesedauer: 8 Min.
Interview
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Der starke Mann beim DEB: Stefan Schaidnagel.Vergrößern des Bildes
Der starke Mann beim DEB: Stefan Schaidnagel. (Quelle: Sven Simon/imago-images-bilder)

Das Eishockey-Märchen bei Olympia zog ganz Deutschland 2018 in seinen Bann. Es war ein einzigartiger Boom, der Wirkung hinterließ. Bei der WM will das DEB-Team wieder glänzen.

Nicht der Fußball, sondern der Puck war noch vor etwas mehr als einem Jahr das Sportgerät Nummer eins in Deutschland. Als im Februar 2018 die deutschen Eishockey-Herren bei den Olympischen Spielen in Südkorea die Silbermedaille erkämpften, stand ganz Deutschland mit auf dem Eis.

Seitdem hat sich viel verändert. Zum heutigen Start der WM in der Slowakei ist einiges anders. Kapitän Christian Ehrhoff? Karriere beendet. Trainer Marco Sturm? Trainer in der NHL. Olympia-Held Danny Aus den Birken? Nicht nominiert. Trotzdem macht sich der DEB große Hoffnungen. In den letzten Monaten wurde viel verändert, um den Erfolg weiter aufrecht zu erhalten. Einer der verantwortlichen Personen dabei ist Stefan Schaidnagel, der als Sportdirektor der "starke Mann" beim DEB ist. Im Interview mit t-online.de spricht er über die NHL-Stars, Trainer Toni Söderholm und dem Vergleich zwischen Eishockey und Fußball.

t-online.de: Herr Schaidnagel, wann sind Sie das letzte Mal nachts wach geblieben, um ein Spiel von einem Ihrer NHL-Spieler zu sehen?

Stefan Schaidnagel: Wir waren zuletzt auf Reise durch Nordamerika und haben Leon (Draisaitl Anm. d. Red.) und die anderen Spieler vor Ort besucht. Auch von Deutschland aus sind wir immer dabei, die Spieler am TV oder in der Video-Analyse zu beobachten. Dazu sind wir im engen Austausch mit den Trainern und Managern aus Nordamerika.

Wie ist das denn für Sie, Ihre Spieler auf solch einer großen Bühne zu sehen?

Sehr schön! Diese Jungs sind unsere Aushängeschilder, die sich in der besten Liga der Welt behaupten. Für uns und Eishockey-Deutschland ist es eine große Auszeichnung der Arbeit und Ansporn, noch mehr Spieler dahin zu führen.

In den letzten Jahren haben es gleich mehrere Spieler aus Deutschland nach Übersee geschafft. Warum?

Das ist ein Gütesiegel für unsere Arbeit in Deutschland. Das ist aber nicht nur bei den Profis der Fall, sondern auch im Jugendbereich. Einige Spieler wechseln ja bereits zum High-School-Alter in die USA oder nach Kanada, andere empfehlen sich über Großturniere mit der Nationalmannschaft und zuletzt schaffen es auch einige über starke Leistungen in der DEL. Es ist ein sehr heterogenes Bild was zeigt, dass es nicht den einen Weg gibt, nach Nordamerika zu kommen. Man muss aber auch sagen, dass von der Masse, die diesen Weg geht, es nur die besten Jungs schaffen. Einige kommen vorzeitig zurück. Solch ein Wechsel kann auch schlecht sein für die eigene Entwicklung. Nordamerika schön und gut, aber in Deutschland haben wir auch eine Ausbildung auf einem guten Niveau.

Kommen Spieler häufiger auf Sie zu und fragen Sie um Rat, wenn eine solche Entscheidung ansteht?

Ja, immer wieder. Die Jungs holen sich gerne Feedback ein und kennen das Netzwerk, was man hat. Wir können ja gut einschätzen, ob es Sinn macht, jetzt schon in die USA oder nach Kanada zu wechseln oder noch zu warten. Diese Gespräche gibt es jedes Jahr.

Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, was Sie antworten?

Das ist immer unterschiedlich. Wir schauen nicht nur auf die sportliche Situation, sondern auch auf die familiäre. Auch die Ausbildung ist wichtig: Welche Schulabschlüsse hat der Spieler? Was ist der berufliche Plan für die Zeit nach der Eishockey-Karriere? Diese Faktoren spielen alle eine Rolle. Und in diesem Gespräch kristallisiert sich heraus, welche Ratschläge der Spieler will.

Und welche Ratschläge geben Sie ihnen?

Wenn das sportliche Potenzial groß genug ist und die anderen Faktoren auch passen, dann empfehle ich einen Wechsel. In anderen Fällen sagt man: "Es macht für dich Sinn, noch ein Jahr hier zu bleiben. Du kannst hier viel spielen, drüben ist eine andere Marschrichtung. Da wirst du an wenigen Einsätzen gemessen." Es sind sehr unterschiedliche Gespräche, aber sie finden immer auf Augenhöhe statt. Das ist meist ein väterlicher Rat.

Wenn ein Spieler aber wirklich in die NHL will, kann man ihn wirklich noch aufhalten?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt genug Spieler aus Deutschland, aber auch aus Tschechien, Schweden oder Finnland, bei denen es nicht auf Anhieb geklappt hat. Die Jungs sind sehr sensibel für diese Beispiele. Sie wollen wissen, wie ihre Chancen stehen und mit welcher Wahrscheinlichkeit es klappt. Das ist dann sehr schwer zu beantworten, weil Sport nicht planbar ist. Dadurch ist die Entscheidung nicht leicht und von Fall zu Fall unterschiedlich.

Sie sind seit Anfang des Jahres "Sportdirektor mit Generalverantwortung". Was sind denn die Punkte, die Sie im deutschen Eishockey verbessern wollen?

Ich will für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Das gilt für die Männer, für die Frauen und für die Junioren. Wir wollen dauerhaft auf einem hohen Niveau mithalten und konkurrenzfähig sein. Dafür müssen wir noch ein paar Schritte im strukturellen Bereich gehen. Dazu müssen wir bei der Talentförderung, bei den Entwicklungssystemen und auch im Breitensport noch einiges schärfen. Wenn wir uns da stetig hinterfragen und fordern, dann haben wir eine positive Zukunft vor uns.

Nennen Sie bitte ein Beispiel, was sie mit dem "strukturellen Bereich" meinen.

Wir wollen die Vereinslandschaft stärken. Dafür müssen wir klar definieren, welcher Verein welche Rolle einnimmt. Also vom Breitensport im regionalen Bereich bis hin zum Leistungssport bei einem großen Verein. Da müssen wir klar definieren, welcher Klub der Ausbildungsverein ist.


Also ist es der Verein, bei dem der Spieler angefangen hat, Eishockey zu spielen oder ist es der, bei dem er Profi geworden ist? Dazu kommt, dass wir uns beim wichtigsten Teil unserer Arbeit verbessern, nämlich der Rekrutierung von jungen Talenten. Wir müssen es schaffen, dass immer mehr Kinder Lust darauf haben, mit dem Eishockey anzufangen.

Auf die Heim-WM 2017 folgten sensationelle Olympische Spiele 2018, die einen Eishockey-Boom in Deutschland auslösten. Spüren Sie davon auch was in der Jugendarbeit?

Da spüren wir deutlich etwas. Bei den 8- bis 12-Jährigen haben wir einen Anstieg bei den Anmeldungen von zwölf Prozent. Das ist eine tolle Basis, mit der wir unsere Ausbildung vorantreiben. Das müssen wir jetzt noch in den Spitzenbereich bringen. Olympia hat uns da definitiv geholfen, aber es ist zum Glück auch eine Grundtendenz, die wir spüren.

Wie wichtig ist solch ein Erfolg wie die Silbermedaille für Sportarten wie Eishockey, die oft noch im Schatten vom Fußball geschehen?

Das ist nicht nur für jede Sportart wichtig, sondern für die ganze Gesellschaft. Mannschaftssportarten sorgen für eine große Identifikation bei den Menschen. Ob das die Fußball-WM 2006, die Eishockey-Medaille in Südkorea oder die Handball-WM in diesem Jahr ist. Diese Wirkung ist nicht zu unterschätzen. Der Stellenwert dieser Großereignisse hat eine enorme Tragweite.

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Sie haben selbst im Fußball gearbeitet, waren "Sportwissenschaftlicher Leiter" beim FC Ingolstadt. Was können denn die Sportarten voneinander lernen?

Der Fußball ist sehr gut organisiert, die Struktur in den Ligensystemen und den Verbänden ist sehr gut. Davon können wir uns etwas abschauen. Im Eishockey haben wir dafür eine Sicht auf den Leistungssport, die im Fußball zwar da ist, aber noch geschärft werden kann. Damit meine ich die Motivation der Spieler im Training, die Ausbildung im athletischen und physiologischen Bereich.

Zum Beispiel?

Unsere Jungs haben bei der WM in zehn Tagen sieben Spiele. Das ist eine hohe Frequenz, die im Fußball auf andere Art und Weise auch da ist. Da sind es eben ein bis zwei Spiele in der Woche. Trotzdem glaube ich, dass man die Mannschaften trainingswissenschaftlich vergleichen kann und da sind wir dem Fußball etwas voraus.

Sie haben die strukturellen Dinge angesprochen, die Sie verändern wollen. Was wollen Sie sportlich verbessern?

Wir wollen unser Portfolio schärfen und klarmachen, für welche Philosophie das deutsche Eishockey steht. Ist es eher körperbetont oder eher taktisch und technisch raffiniert? Daran anknüpfend können wir auch die Ausbildung beeinflussen.

Was wäre denn Ihr Wunsch?

Wir brauchen einen Mix, der die Fähigkeiten betont, die ein deutscher Sportler hat.

Welche Fähigkeiten sind das?

Er ist athletisch gut ausgebildet und körperlich robust. Auch das konditionelle und physiologische Niveau ist gut. Gepaart wird das mit einem technischen Grundverständnis und guten taktischen Fähigkeiten, vor allem in der Organisation.

Sie sind schon seit einigen Jahren beim DEB. In Ihrer neuen Rolle ist die kommende WM jedoch das erste Turnier. Was erwarten Sie?

Wir wollen die direkte Olympia-Qualifikation schaffen und einen Wiedererkennungswert erzielen. Das, was wir in den letzten drei Jahren an Entwicklung gesehen haben, wollen wir fortführen. Dabei geht es mir nicht um einen konkreten Platz. Das hängt nicht daran, ob wir jetzt Sechster oder Achter werden. Die Fans sollen sehen, dass wir eine konkrete Richtung haben und die Mannschaft weiterentwickeln. Wir haben trotzdem natürlich die Verpflichtung, gute Ergebnisse zu erzielen.

Der neue Trainer Toni Söderholm folgte auf Marco Sturm, der in wenigen Jahren sehr viel erreicht hat. Das sind große Fußstapfen.

Nach seinen ersten vier Monaten im Amt bestätigt sich für uns das, was wir uns von ihm erwartet haben. Er ist sehr akribisch in seiner Arbeit, arbeitet sehr organisiert und gut strukturiert. Toni kommuniziert sehr viel und sehr gut mit den Spielern. Dazu passen auch die Ergebnisse aus den Vorbereitungsspielen. Ich glaube, dass wir in diesem Fahrwasser auch bei der WM bleiben werden. Trotzdem weiß er, dass wir als DEB bei der WM Ergebnisse liefern müssen. Da bringt dir die gute Vorbereitung nichts.

Was sagen denn die Spieler über ihn?

Das Feedback ist sehr positiv. Er spricht auf Augenhöhe mit den Spielern, haut aber auch dazwischen, wenn etwas nicht läuft. Toni ist an den Jungs so nah wie nötig dran, aber auch so weit wie möglich weg. Die Spieler sagen uns auch, dass er sehr professionell mit ihnen arbeitet, ohne dabei kalt zu sein. Er gibt eine klare Richtung vor, das gefällt uns.

Wichtig für den deutschen Erfolg bei der WM werden auch die Leistungen von Leon Draisaitl sein, der der Top-Star des Teams ist. Wie abhängig ist die Mannschaft von ihm?

Er spielt eine überragende Saison und ist ein überragender Einzelspieler. Das weiß jeder. Er ist einer der Hauptakteure im Team, ohne Frage. Er ist weltweit dafür bekannt, dass er Spiele entscheiden kann. Aber Leon ist auch Teamplayer. Er weiß, dass er gute Leistungen der anderen braucht und ordnet sich dem auch unter. Wir sind froh über jeden einzelnen, der dabei ist. Da wird keiner hervorgehoben.

Neben Leon Draisaitl gibt es im deutschen Kader viele weitere junge Spieler. Einige von ihnen haben gute Chancen bald in die NHL zu wechseln. Moritz Seider zum Beispiel.

Er ist gerade 18 Jahre alt geworden und hat seine erste Profi-Saison gespielt. Er hat viel Zeit auf dem Eis bekommen und konnte viele Erfahrungen sammeln. Er ist einer, der seinen Weg machen wird. Wenn er so weiter macht, wird er sicher die Chance bekommen, in die NHL zu wechseln. Ich sehe auch Markus Eisenschmid als einen der Kandidaten dafür. Gleiches gilt für Marc Michaelis. Das sind alles Spieler, die die nötigen Eigenschaften haben und sich bei der WM beweisen können.

Die erste Chance dafür ist beim Auftakt gegen Großbritannien am Samstag. Was erwarten Sie für ein Spiel?

Wir wollen selbstbewusst auftreten und gut ins Turnier finden. Ich hoffe, dass wir einen guten Start erwischen und den Grundstein für eine erfolgreiche WM legen.

t-online.de zeigt alle deutschen Spiele der Eishockey-WM im Liveticker.

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