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"Drachenlord"-Prozess in Nürnberg: Zeugen-Festnahme vor Gericht


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Urteil steht voraussichtlich bevor
"Drachenlord"-Prozess in Nürnberg: Zeugen-Festnahme vor Gericht


Aktualisiert am 24.03.2022Lesedauer: 9 Min.
Festnahme vor dem Gericht in Nürnberg: Am Rande des Prozesses gegen den "Drachenlord" kommt es zur Festnahme eines Zeugen.Vergrößern des Bildes
Festnahme vor dem Gericht in Nürnberg: Am Rande des Prozesses gegen den "Drachenlord" kommt es zur Festnahme eines Zeugen. (Quelle: Lars Wienand/t-online)
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Youtuber "Drachenlord", Zielscheibe zahlloser Attacken, steht wieder vor Gericht in Nürnberg. Die Vorwürfe der Körperverletzung räumt er ein er habe seine Rechte verteidigt. Es kommt zur Festnahme eines Zeugen.

Im erneuten Prozess um den "Drachenlord" räumt Rainer Winkler die Vorwürfe ein. Sein Verteidiger geht ausführlich darauf ein, wie es zu Polizistenbeleidigungen, Schlägen und Steinwürfen auf Menschen vor seinem Haus kommen konnte. Ursache dafür seien die vielfältigen Provokationen gewesen, er habe "seine Ehre verteidigt".

In einem Fall soll Winkler auf einen Mann losgegangen sein, der sturzbetrunken auf sein Grundstück geklettert sein soll. Der "Drachenlord" habe ihn "zur Verteidigung seines Rechts" in den Schwitzkasten genommen und mehrfach mit der Faust geschlagen, erklärt der Verteidiger am Anfang des Prozesses am Mittwoch.

"Die Faustschläge waren unnötig" und hätten "eine Überschreitung seines Notwehrrechts" dargestellt. Der Verteidiger beharrt darauf, dass Winkler nur seine Rechte verteidigt hätte.

Vorwürfe in Nürnberg erneut auf dem Prüfstand

Während der Vernehmung des ersten Zeugen kommt es nach rund zehn Minuten zu einer Sitzungsunterbrechung: Der Zeuge muss auf Toilette. Er gibt zu, dass er auf der Zugfahrt von Schwandorf zum Prozess zwei Bier getrunken hat. Wieder zurück schildert er, wie er von Winkler mit einer Taschenlampe angegangen worden sein soll. Der Zeuge selbst sei kein "Haider" – wie sich die Kritiker des "Drachenlords" selbst nennen –, sondern habe sich vielmehr von einem Kumpel überreden lassen.

Später, gegen Mittag, wird der Zeuge vor dem Gerichtsgebäude festgenommen: Er weigerte sich, betrunken und brüllend einem Platzverweis nachzukommen, beleidigte die Beamten. Dabei wurde ein Polizist leicht verletzt. Daraufhin wird er zur Wache mitgenommen, wo ein Alkoholtest einen Wert von 1,76 Promille ergibt. Dieser Vorfall könnte eventuell folgenreich sein: Der Festgenommene ist schließlich Hauptbelastungszeuge beim gravierendsten Anklagepunkt.

Im Gerichtssaal wird ein Video der Szene von jener Nacht auf dem "Drachenlord"-Grundstück gezeigt: Es zeigt, wie Winkler in jener Nacht zwei alkoholisierte Besucher erst gegen den Zaun drückt. Anschließend schlägt er dem Zeugen, der im Video über ihn spottet, mit einer Taschenlampe gegen die Stirn – mit den Worten: "Der hat gesessen!"

In einem weiteren Vorfall sagt ein Palliativkrankenpfleger aus. Er wurde von Winkler in den Schwitzkasten genommen und mit Fäusten ins Gesicht geschlagen, als er betrunken aufs Grundstück gefallen war. Der Zeuge bedaure sein damaliges Verhalten. Heute sei ihm die "dumme Aktion" peinlich. Er zeigt sich reflektiert, sagt aber auch, dass Winkler mit voller Wucht zugeschlagen habe.

Gericht in Nürnberg: Festnahme eines Zeugen

Und was ist der Sinn hinter diesem "Drachengame"?, will das Gericht von ihm wissen. Das sei reine Freizeitaktivität und Ablenkung – ganz ohne Ziel, antwortet er. Es gehe nicht um Mobbing, "aber es wäre gut, wenn er seine Arbeit auf YouTube einstellt".

Der "Drachenlord" sei ein Spiegel dessen, was Fehlentscheidungen auslösen können. Es geht um "Beratungsresistenz", "Sturheit" und "negative Charaktereigenschaften, die man auch an sich selbst feststellen kann". Der Palliativkrankenpfleger wolle Winkler zwar nicht hinter Gitter sehen, "aber für ihn wären ein geregelter Tagesablauf und Gesundheitsversorgung gut."

Urteil soll heute gefällt werden

Am Nachmittag werden vier weitere Zeugen gehört. Darunter ein Polizist der Zuständigen Polizei in Neustadt an der Aisch. Er berichtet, dass die Polizei an manchen Tagen fast komplett von Einsätzen in Altschauerberg in Beschlag genommen wurde. Seinem Eindruck nach wollten die "Haider" provozieren, damit sie den wütenden Winkler auf Video festhalten konnten.

Eine Art Trophäe, die dann mit der Community geteilt wird. Winkler allerdings sei "beratungsresistent, wie er sich besser verhalten sollte." Beide Seiten seien nach Meinung des Polizisten komplett unzugänglich und überzeugt, im Recht zu sein.

Auch nach seiner Verurteilung im Oktober habe es gegen Winkler acht bis zehn Anzeigen wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung gegeben, unter anderem weil er in Richtung der "Haider" geworfen hatte.

Mit Spannung erwartet werden die Ausführungen des Forensikers Dr. Michael Wörthmüller. Sein Gutachten hat die Verteidigung erst so spät komplett eingereicht, dass die Frage aufgekommen war, ob sich die Verteidigung somit noch ausreichend vorbereiten könne. Sein Gutachten wird nicht öffentlich vorgetragen zum Schutz des Angeklagten: Details aus dem Familien- und Intimleben könnten von der "Hater"-Community sonst missbraucht werden.

Verteidiger fordert "maßvolle Mindeststrafe"

Der Verteidiger erklärt in seinem Plädoyer schließlich: Wer am Drachengame teilnehme und wisse, wie die Rahmenbedingungen auf dem Spielfeld seien und dass Herr Winkler auch irgendwann ausraste, der sei nicht schützenswert. "Die wussten, jetzt gibt's Haue, das war dann eine Einwilligungshandlung."

Das schließe Rechtswidrigkeit aus. "Wenn mir die Nase blutet, kann ich nur mich selbst veratwortlich machen." Schutzwürdig sei in dem Fall einzig die Polizei. Deshalb fordert der Verteidiger "maßvolle Mindeststrafe" vom Gericht.

In ihrem Plädoyer am Abend warf die Staatsanwältin, die Konflikte gezielt gesucht zu haben: "Die Provokationen fangen nicht erst auf dem Grundstück an, es geht damit los, dass Herr Winkler Videos produziert und Plattform bietet, um die Angriffe darzustellen. Das provoziert andere Besuche, er will, dass die Leute kommen. Wenn keiner kommen würde, hätte er keinen Job."

Sie forderte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten.

"Drachenlord" Rainer Winkler war im Oktober zu zwei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Nun steht das Urteil auf dem Prüfstand. Auf ihn könnte eine Zelle in der JVA warten oder das Leben eines Vagabunden. Darüber entscheidet unter anderem Richter Axel Dunavs.

"Drachenlord" in Nürnberg: Hass ist Geschäftsmodell

"Wenn der noch einmal Bewährung bekommt, dann zerreißen uns die Leute hier. Das geht nicht." Die Stimme des Kommunalpolitikers aus der fränkischen Provinz zitterte, als er am 8. Februar befürchtete, dass der bekannteste Einwohner des 40-Einwohner-Örtchens vielleicht doch nicht hinter Gitter muss.

Der aufgelöste Kommunalpolitiker hatte sich in den Sprachchat einer Gruppe gewagt, die viele Menschen noch ratloser macht als der "Drachenlord" selbst: Er war auf Telegram unter "Haidern". So nennen sich die überwiegend männlichen Angehörigen einer Szene, die die große Abneigung gegen Rainer Winkler verbindet. Ihre Sorge ist, dass sich Rainer Winkler nach dem Urteil als "unbesiegt" inszenieren könnte. Manche Haider sagen, Gefängnis wäre für ihn das Beste, um sein Leben in den Griff zu bekommen.

"Haider" hat Winkler seine "Hater" selbst mit seinem fränkischen Dialekt genannt. Vor acht Jahren hatte der "Drachenlord" großspurig erklärt, Kritiker könnten ja zu ihm kommen: Altschauerberg 8. Da war er noch ein kleiner Youtuber und es war noch nicht sein Markenzeichen, dass er das Mobbingopfer und sehr von sich überzeugt ist. Winkler ist – auch finanziell – erfolgreich auf YouTube, weil er gehasst wird, weil er das ausbreitet und auch zu befeuern scheint, wenn es ruhiger wird. Der Hass gegen ihn ist sein Geschäftsmodell, und er steht das seit Jahren durch.

139 Ermittlungsverfahren gegen Winkler

Als Winkler vor acht Jahren gehöhnt hatte, "Haider" sollten doch zu ihm kommen, waren sie gekommen – und provozierten ihn. Altschauerberg wurde mit den Jahren Schauplatz eines absurden und ungleichen Machtkampfs, mit viel Geschrei, Straftaten auf beiden Seiten und entnervten Nachbarn.

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139 Ermittlungsverfahren gab es in den vergangenen Jahren gegen Winkler, erklärt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Nürnberg auf Anfrage. 152 Ermittlungsverfahren verteilen sich auf viele Anti-Fans.

Die meisten Anzeigen gegen Winkler stellten sich schnell als heiße Luft heraus. Mancher Vorfall wurde allerdings auch gar nicht angezeigt, weil die vermeintlichen Opfer vorher selbst Täter und auf sein Grundstück gelaufen waren, ihn bis auf das Blut gereizt hatten.

Doch ein Schlag von Winkler mit einer Stabtaschenlampe auf die Stirn eines Mannes und ein anderer Mann in seinem Schwitzkasten sowie diverse Beleidigungen von Polizisten kamen zur Anklage und brachten Winkler im Oktober 2021 die Strafe ohne Bewährung ein. Am Tag danach machte er sich im Stream über die "Witzfiguren" lustig. Vorher hatte er einmal eine Bewährungsstrafe für den Einsatz von Pfefferspray erhalten.

Anwesen ist abgerissen

Die Polizei hatte in der zurückliegenden Zeit gut 15 Mal täglich anrücken müssen wegen Besuchern, die manchmal auch nur die "Drachenschanze" sehen wollten und beim Eintreffen längst weg waren. Es ist kein Wunder, dass der Kommunalpolitiker, selbst kein Ratsmitglied, schockiert war von der Aussicht, es könnte so weitergehen, wenn in der Berufung doch Bewährung ausgesprochen wird.

Doch genau das kann passieren und die Aktiven in den Niederungen fränkischer Kommunalverwaltung müssen wohl trotzdem nicht mehr insgeheim finstere Gedanken hegen wie der junge Parteifunktionär im Sprachchat. "Ich habe insgeheim schon überlegt, das Haus einfach abzufackeln", sagte er in dem Chat. Danach wollte er nicht mehr darüber reden. Das Anwesen ist aber jetzt abgerissen.

Am letzten Abend vor seinem Auszug ist Winkler noch einmal filmend durchgegangen. Die Aufnahme hatte er sogar erst später veröffentlicht, er war da schon weg. Jetzt steht die fragwürdige Attraktion mit Flecken von Farbpatronen und mit kaputten Fenstern nicht mehr, nachdem die Gemeinde das Anwesen von Winkler gekauft hat und er ausgezogen ist.

"Drachenlord" sei unverbesserlich

Das könnte Winkler dabei helfen, jetzt doch nicht ins Gefängnis zu müssen. Er hatte den Verkauf in der vorigen Gerichtsverhandlung angekündigt, gesagt, er werde den Ort verlassen. Aber es war für das Gericht nicht überprüfbar, nichts, was das Gericht zu seinen Gunsten würdigen konnte.

Vom Erlös des Hausverkaufs hat er sich einen mächtigen SUV gekauft: Sein Ford ist seither in vielen Teilen Deutschlands gesichtet worden – und vor seinem Auszug noch auf einer durchweichten Wiese bei Altschauerberg gefahren.

"Haider" hatten dort einen Verteilerkasten zerstört und damit wegen Winkler das Internet gekappt, aber nicht nur ihm. Am zerstörten Kasten traf der "Drache" junge Leute an, ließ sich durch einen Eierwurf auf sein Auto weiter provozieren und fuhr ihnen auf die Wiese nach. Erst fuhr er sich fest, dann auf einige seiner Peiniger zu, die zur Seite liefen.

Sie sprachen von "Mordversuch" und sahen darin einen weiteren vermeintlichen Beleg, dass Winkler unverbesserlich ist. In einer anderen Szene verfehlte er mit einem Wurf mit einem Konservenglas einen von seinem Haus weggehenden Haider.

Wie sehen seine Perspektiven in der Zukunft aus?

Es gibt seit der Verurteilung am Amtsgericht im Oktober mindestens ein Verfahren, das vorläufig eingestellt worden ist, weil die mögliche Strafe nicht ins Gewicht falle angesichts der zu erwartenden Strafe im laufenden Prozess. Solche Verfahren können wieder aufgenommen werden, wenn im Urteil doch eine mildere Strafe herauskommt.

Mit dem Kauf des geräumigen Wagens hatte Winkler eine weitere Ankündigung wahr machen wollen: Nach dem Verkauf des Hauses reisen zu wollen, keinen festen Wohnsitz zu haben, um weniger Angriffsfläche zu bieten. Das Gericht hat nur seine alte Adresse, eine der ersten Fragen im Prozess gilt seiner ladungsfähigen Anschrift. In den vergangenen Tagen stand sein Wagen gegenüber der Polizeistation in Neustadt an der Aisch, sein Aufenthaltsort war unklar.

Aber welche Zukunftsperspektive hat es, mit dem auffälligen Auto auf der ständigen Flucht vor den Anti-Fans zu sein und in Videos weiter selbst Hinweise zu liefern, wo er unterwegs ist? Winkler will sich treu bleiben, weiter der Youtube-Star sein, der es auch ohne Hauptschulabschluss zu etwas gebracht hat, "mehr als ihr je erreichen werdet", sagt er manchmal an die Adresse der Haider.

Hausverkauf und Vagabundenleben

Friedrich Weitner, Pressesprecher des Oberlandesgerichts Nürnberg, hält es für "völlig offen, ob es bei einer erneuten Verurteilung zu einer Haftstrafe ohne Bewährung kommt". Entscheidende Frage könnte sein, "wie maßgeblich sich Dinge im Gegensatz zur ersten Verhandlung verändert haben", sagte er zu t-online.

Hausverkauf und Vagabundenleben könnten Grund sein, eine andere Prognose für seine Zukunft und künftige Straffälligkeit zu stellen. Wenn nicht mehr Menschen aus der halben Republik anreisen können zum Tor mit Nato-Draht, an dem täglich gebrüllt wurde, läuft Winkler weniger Gefahr, irgendwann entnervt handgreiflich zu werden gegen aus der anonymen bedrohlichen Masse im Netz auftauchende Gesichter.

Strafe mit Bewährung möglich

Es könnte aber auch andere Gründe geben, die Winkler weiter Freiheit sichern. Das Gericht bestätigt, was Winkler erzählt hat: Auf Anregung seines Verteidigers ist der 32-Jährige psychiatrisch begutachtet worden. "Wenn das Gutachten zum Schluss kommt, dass eine verminderte Schuldfähigkeit vorliegt, könnte das zu niedrigeren Einzelstrafen und damit zu einer niedrigen Gesamtstrafe führen, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, aber nicht muss", erklärt Weitner.

Die Laienschöffen bei der Verhandlung könnten auch mit einem anderen Gerechtigkeitsempfinden einen härteren Kurs des Vorsitzenden Richter überstimmen, wenn sie in Winkler mehr das Opfer als den Täter sehen.
Der Würzburger Anwalt Chan-Jo Jun sieht einen weiteren Aspekt, der für die Frage der Bewährung eine wichtige Rolle spielen könnte.

Man könne zum Schluss kommen, Winkler habe die Körperverletzungen in Notwehr begangen, weil er kein anderes geeignetes Mittel gehabt habe. Diese Bewertung könnte auch zu einer deutlich milderen Strafe führen – mit Bewährung.

Auch ein Freispruch ist möglich

Als er das in einem Video vortrug, bekam er sofort die Macht der "Haider" zu spüren: Manche gehen blindlings und gnadenlos gegen jeden vor, der auch nur den Eindruck erweckt, öffentlich Partei zu ergreifen. Das ärgert auch in der völlig heterogenen Szene viele und macht dort einigen Angst: Einige "Haider" sind ständig kampfbereit und auf der Suche nach Zielen für ihre Lektionen.

Journalisten und Anwälte haben Shitstorms abbekommen, massenhaft schlechte Bewertungen, unverlangte Lieferungen, Besuch an der Haustür. Jun zog zunächst sein Video zurück und wagte sich auch in den Chat. Da waren dann "Haider", die an sachlichen Darstellungen und anderer Sicht interessiert waren. Und der Kommunalpolitiker, der es mit der Angst bekam, weil ein Freispruch möglich ist.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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