Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Pro und Kontra zur Pavian-Debatte Geht es um Artenschutz oder darum Managementfehler zu vertuschen?
Der Nürnberger Tiergarten will Paviane töten – angeblich für den Artenschutz. Ist das gerechtfertigt?
Der Tiergarten in Nürnberg kommt nicht aus den Schlagzeilen. Vor rund einer Woche haben sich die Verantwortlichen an die Öffentlichkeit gewandt: Sie wollen künftig einzelne Tiere aus ihrer Pavian-Gruppe töten. Um die Population in dem chronisch überfüllten Gehege besser kontrollieren und – so zumindest der Zoo – die Art besser schützen zu können. Von Tierschützern hagelt es Kritik. Es gibt aber auch Stimmen, die die Argumente der Verantwortlichen nachvollziehen können.
Tiere töten, um die Art zu schützen – ist das gerechtfertigt?
Wir müssen uns das eingestehen
Paviane sollen sterben, damit ihre Art geschützt werden kann. Das klingt verrückt, ist aber im Zweifel richtig. Um das zu verstehen, müssen wir uns ehrlich machen.
Es wäre ein leichtes, dem Tiergarten und seinem Direktor Tierhass und mangelndes Mitgefühl vorzuwerfen.
Das Problem liegt aber ganz woanders. Mehr als 44.000 Tier- und Pflanzenarten sind vom Aussterben bedroht. Schuld daran sind in den meisten Fällen wir – die Menschen. Nur ein Beispiel: Wir zerstören auf der ganzen Welt Wälder, um das Holz zu verkaufen, neue Industriegebiete zu errichten oder um dort Futter für Rinder anzubauen.
Zugegeben: In Nürnberg wird gerade über Guinea-Paviane diskutiert. Bedroht sind die noch nicht. Aber sie werden seltener. Experten sagen, der Trend dürfte sich fortsetzen. Ein wichtiger Lebensraum der Paviane ist etwa ein Nationalpark in Senegal – die Unesco hat ihn bereits 2007 auf die Liste der bedrohten Welterben gesetzt.
Deshalb stellt sich für die Paviane die gleiche Frage wie für alle anderen bedrohten Tierarten. Wollen wir in Kauf nehmen, dass sie eines Tages komplett von unserer Erde verschwinden?
Wer die Frage mit Nein beantwortet, könnte argumentieren, dass wir für mehr Tierschutz sorgen müssen. Das ist richtig. Aber leider zugleich eine Wunschvorstellung. Das gelingt uns manchmal nicht.
Genau an diesem Punkt kommen die Zoos ins Spiel. Sie können für uns Arten erhalten, die künftige Generationen sonst nur von Bildern kennen würden. Die Lebensbedingungen in den Gehegen sind nun einmal aber andere als in der freien Wildbahn. Heißt: Die Tiere leben länger und vermehren sich schneller. Mehr Tierschutz heißt aber nicht immer mehr Tiere in unseren Zoos.
Genau diese Entwicklung treibt die Verantwortlichen in Nürnberg um. Die Antwort kann sein, dass der Mensch erneut eingreifen muss – um sicherzustellen, dass die Population über Generationen hinweg bestehen bleibt. Tiere zu töten, sollte freilich das letzte Mittel der Wahl sein. Es kann aber nach sorgfältiger Abwägung richtig sein – auch wenn es wehtut.
Der Tod als Instrument des Managements? Nein!
Der Nürnberger Tiergarten erwägt ernsthaft, einen Teil seiner Guinea-Paviane zu töten – eine Maßnahme, um die Population im Gehege zu regulieren.
Doch das Leben eines Tieres darf nicht von räumlichen Kapazitäten und menschlichen Managementfehlern eines städtischen Wirtschaftsunternehmens abhängen.
Zugegeben, Zoos stehen vor komplexen Herausforderungen beim Management ihrer Tierpopulationen. Sie müssen den Spagat zwischen Bildungsauftrag, Erhalt seltener Arten, tiergerechter Haltung und natürlich Entertainment meistern. Das Problem der Überpopulation der Paviane in Nürnberg muss jedoch unter allen Umständen ohne Tötungsmaßnahmen gelöst werden.
Zoologische Gärten haben eine Verantwortung gegenüber den ihnen anvertrauten Lebewesen, die ihr Dasein in Gefangenschaft fristen müssen. Es kann nicht die Lösung sein, Tiere wie überflüssiges Inventar zu behandeln. Stattdessen müssen Konzepte her, die die Würde jedes einzelnen Wesens respektieren. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Nürnberger Tiergarten längst ein Zuschussgeschäft der Stadt ist.
Die Argumentation des Zoodirektors, das Töten sei ein Beitrag zum Artenschutz und nur so könnten stabile Populationen gewährleistet werden, ist daher paradox. Sicher, Zoos müssen ihre Bestände managen und dürfen nicht wahllos züchten. Und wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind, etwa Sterilisation und hormonelle Verhütung, dann müssen sie und ihre Gesellschafter dafür Sorge tragen, dass es mehr Auswilderungen und Investitionen in die Erhaltung und Wiederherstellung ihrer natürlichen Habitate gibt. Auch wenn das kostenintensiv ist.
Darüber hinaus sollten Zoos gemeinsam mit global vernetzten Naturschutzorganisationen nach nachhaltigen Lösungen suchen.
Es reicht daher nicht aus, lokale Schwierigkeiten durch den Tod unschuldiger Tiere lösen zu wollen. Der Tod darf kein akzeptables Instrument des Zoo-Managements sein.
Mit welchem Recht entscheiden wir über das Schicksal anderer Lebewesen? Die Antwort sollte immer lauten: mit keinem. – schon gar nicht, wenn wir selbst die Ursache des Problems sind.
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
- Eigene Recherche