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"Die sollen lieber arbeiten gehen": Aktivisten blockieren Straßen in Nürnberg


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Aufregung in Nürnberg
"Die sollen arbeiten gehen": Aktivisten kleben sich vor Bahnhof


Aktualisiert am 16.08.2022Lesedauer: 4 Min.
Klimaaktivisten kleben auf der Straße: Ein Großaufgebot an Einsatzkräften war im Einsatz.Vergrößern des Bildes
Klimaaktivisten kleben auf der Straße: Ein Großaufgebot an Einsatzkräften war vor Ort. (Quelle: Meike Kreil)

Aufregung in Nürnberg: Vor dem Bahnhof ging stundenlang nichts mehr, weil Klimaaktivisten die Straße blockierten. Zum Ärger mancher.

"Das ist doch beschissen", schimpft Rolf, der am Rand steht und mit seiner Frau das Geschehen beobachtet. "Die sollen lieber arbeiten gehen!" Immerhin gebe es in Deutschland Fachkräftemangel, erklärt er aufgebracht. In einer Schreinerei zum Beispiel seien die jungen Leute viel besser aufgehoben. Eigentlich wollten er und seine Frau in der Stadt shoppen gehen.

Hier, beim Klimaprotest, sind sie nun ganz erschrocken. Für die Anliegen der Demonstranten fehle ihnen jegliches Verständnis. "Deren Eltern haben doch bestimmt alle Häuser und sie selbst jeder ein Handy!" Und überhaupt: Ob es wirklich besser für das Klima sei, wenn die Autos jetzt hier stundenlang im Stau ständen?

Für mehrere Stunden ging ab 12 Uhr am Dienstagmittag vor dem Hauptbahnhof in Nürnberg nichts mehr. Am Frauentorgraben, wo sich sonst die Verkehrslawinen vorbeischieben, wurde getanzt, gepicknickt – vor allem aber protestiert. Rund 50 Aktivisten der Gruppen "Letzte Generation" und "Extinction Rebellion" haben sich zusammengetan, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Nur echt mit Sekundenkleber. 16 von ihnen klebten sich teilweise mit Händen und Füßen an der Fahrbahn fest. Denn: "Es ist 100 Sekunden vor 12."

Protest mit Klavierbegleitung

Die Aktivisten ließen sich allerhand einfallen, um aufzufallen. Das sorgte für Aufregung rund um den Hauptbahnhof. Menschenmassen beobachteten das Spektakel. Ein Klavier stand da mitten auf dem Frauentorgraben, das für musikalische Untermalung sorgte. Ein Jongleur brachte Jahrmarkt-Charakter. Daneben Picknickdecken. Banner mit Klimaforderungen in verschiedensten Formen und Farben, etwa mit "Entschuldigen Sie die Störung, aber es geht ums Überleben".

Hohe dreibeinige Holzkonstruktionen wurden aufgestellt: "Da bekommt uns die Polizei nicht so leicht runter." Aktivisten, die auf Oberleitungs- oder Ampelmasten kletterten – was aufgebrachte Polizisten auf den Plan rief, die Lebensgefahr wegen eines möglichen Stromschlags sahen. Die Kletterer beeindruckte das indes wenig.

Ernste Minen auch bei den anderen zahlreichen Polizisten, die den Überblick über das Geschehen zu behalten versuchten. Blaulicht überall, Sirenen von Fahrzeugen, die mehr und mehr am Bahnhofsvorplatz eintrafen. Die im Stau stehenden Autofahrer nahmen die Blockade überraschend gelassen hin. Für sie gab es kein Durchkommen, genauso wenig wie für manche Straßenbahn und Buslinie. Die Autofahrer wurden nach rund einer halben Stunde nach und nach abgeleitet.

Demonstrativ gelassen wirkten auch die Aktivisten, die Geschlossenheit signalisierten. Geschlossen in der Kritik an der Regierung und in der Wut. Rund 50 waren vor Ort, teilweise sind sie aus ganz Deutschland angereist. "Wir müssen nerven", sagt Henning, der entspannt und festgeklebt auf dem Asphalt sitzt. Er ist aus Greifswald, es ist nicht seine erste Aktion dieser Art. "Wir steuern in eine Klimahölle", sagt er. Wie frustrierend muss das sein, dass es trotz aller Proteste beim Klimaschutz noch immer so wenig vorangeht? Er sehe vielmehr das Positive, antwortet Henning. Nämlich, dass die Gruppe zuletzt einen so großen Zuwachs bekommen habe. Es ist nicht die erste Aktion dieser Art in Nürnberg: Im Februar haben Aktivisten den Frankenschnellweg blockiert.

Jesuitenpater Jörg Alt, der neben Henning sitzt, ergänzt: In der Geschichte sei es schon immer so gewesen, dass eine kleine Gruppe den Anfang machte, bis etwas Großes folgte. "Die Sklavenbefreiung" oder "Gandhi": Die Fußstapfen seien groß, aber sie seien auf einem guten Weg.

Auch Deutschlands bekanntester Jesuitenpater war nämlich unter den Protestlern. Vor ihm liegt Gemüse, sein Markenzeichen. Der Nürnberger erlangte bundesweite Aufmerksamkeit, weil er sich gegen Lebensmittelverschwendung einsetzt. Und verbotenerweise "containern" ging. Nun also die Straßenblockade. Alt erklärt im Gespräch mit t-online: "Uns geht es um die Erfüllung von Grundrechten und Wahlversprechen und den Amtseid der Politik, das Wohl der Bevölkerung zu mehren und Schaden von ihr abzuhalten." Es sei wichtig, dass sich dazu auch die Kirche positioniere. Der globale Norden lebe auf Kosten des globalen Südens.

Pater Alt: Es braucht einen Systemwechsel

Seit seiner letzten Aktion vor rund einem Jahr habe sich nur wenig getan. Die Schuld gibt Alt vor allem der FDP, die im Bund etwa die Verkehrswende behindere. Es könne kein "Weiter so" geben, es brauche einen Systemwechsel. Die Stadt Nürnberg könne im Kleinen anfangen, sagt der Pater, der sich in Szene zu setzen weiß. Er fragt: "Braucht es wirklich ein neues Opernhaus? Oder den Ausbau des Frankenschnellwegs?" Wäre das Geld nicht in Klimaschutz besser angelegt?

Nach rund einer Stunde rückte die Feuerwehr an. Mit Spezialgerät, Schutzbrille, Handschuhen und Pinsel lösten sie die Aktivisten Schritt für Schritt von der Fahrbahn ab. Einer nach dem anderen wurde so mit viel Aufwand und Einsatzkraft weggeschafft. Für die Aktivisten auf den Masten und den Holzkonstruktionen bauten sie Springkissen auf, sie wurde mit einer Drehleiter zu Boden gebracht.

"Eine Person, die sich am Metallrohr eines Dreibeins festgeklebt hatte, musste mit hydraulischem Gerät von der Konstruktion getrennt werden." Das erklärt die Polizei Mittelfranken in einer Mitteilung. Um das restliche Metallstück von der Hand zu lösen, sei die Person im Anschluss in ein Krankenhaus gebracht worden.

Stundenlange Sperrung der Straße

Wie viele Einsatzkräfte während der Aktion vor Ort waren, darüber gibt Polizeisprecher Michael Konrad keine Auskunft. Dass ein solcher Protest geplant war, habe die Polizei gewusst – jedoch nicht wann und wo. Die Polizei wertete die Aktion als eine nicht angemeldete Versammlung, hat die Polizei Mittelfranken im Nachgang mitgeteilt.

Deshalb habe die Polizei sie nach rund einer Stunde aufgelöst. Die Beamten nahmen die Identitäten der Beteiligten auf. Das zuständige Fachkommissariat der Nürnberger Kriminalpolizei leitet wegen des Verdachts der Nötigung entsprechende strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein.

Der Einsatz blieb weitestgehend ruhig auf allen Seiten, heißt es vonseiten der Polizei. Die Straße wurde in Richtung Bahnhofstraße gegen 13.30 Uhr wieder freigegeben. Die Straße in Fahrtrichtung Plärrer blieb bis zum Ende der polizeilichen Maßnahmen gegen 15 Uhr gesperrt.

Verwendete Quellen
  • Beobachtungen vor Ort
  • Pressemitteilung der Aktivisten vom 16.8.22
  • presseportal.de: Mitteilung der Polizei Mittelfranken vom 16.8.22
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