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Rock im Park in Nürnberg: Wie sicher ist das Festival?


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Neues Awareness-Konzept
Wie sicher ist Rock im Park?


04.06.2022Lesedauer: 5 Min.
Polizisten gehen über das "Rock im Park"-Gelände in Nürnberg.Vergrößern des Bildes
Polizisten gehen über das "Rock im Park"-Gelände in Nürnberg. (Quelle: Daniel Karmann/dpa)

Rock im Park soll Spaß machen. Damit das für ausnahmslos jeden Festivalgänger gilt, hat der Veranstalter das Awareness-Konzept eingeführt. Wie sehr braucht es das? Ein Rundgang zeigt das Sicherheitsgefühl.

Einer habe sie gestern gegen ihren Willen an der Schulter angefasst, erzählt Lili. Die 18-Jährige ist alleine unterwegs zur Bühne, wo sie ihre Freunde trifft. Ein Typ habe unvermittelt den Träger ihres Kleides in die Hand genommen und gemeint: "Das ist ein Nachthemd, oder?" Das war ihr unangenehm, erzählt sie. Nicht die einzige Situation, die ihr so passiert sei.

Sicher fühle sie sich bei Rock im Park trotzdem. Tagsüber habe sie deshalb kein Problem damit, alleine rumzulaufen. "Es sind ja viele Leute hier, das Gemeinschafts- und Solidaritätsgefühl ist groß." Das habe sich auch beim Träger-Vorfall gezeigt: Sofort seien Leute zur Stelle gewesen, um den Typen in die Schranken zu weisen. Außerdem gebe es hier viel Security.

Hat sich Lili heute dann zwei Mal überlegt, was sie anziehen soll? Sie trägt eine Shorts und ein weißes, kurzes Top. "Am wichtigsten ist die Praktikabilität", lacht sie. Vor allem, wenn es dann gleich in die Menge geht.

Situationen, die die meisten Frauen kennen

Es sind Szenen wie diese, die wohl die meisten Frauen kennen – und die gerade bei Festivals immer wieder vorkommen. Ein Awareness-Konzept, das der Veranstalter Argo Konzerte heuer neu eingeführt hat, will solchen Situationen vorbeugen. Es soll Besucher wie auch Mitarbeiter sensibilisieren. Ähnliche Sicherheitskonzepte gibt es bei der Erlanger Bergkirchweih und dem Münchner Oktoberfest seit Jahren.

Es ist Lilis erstes Festival: Sie ist positiv überrascht, hat es sich schlimmer vorgestellt. Mit zwei Freunden campt sie hier, angereist sind sie aus Garmisch. Ob sie sich in ihrer ersten Festivalnacht ein abschließbares Zelt gewünscht hätte? "Nein, Angst hatte ich nicht." Auf dem Campingplatz habe sie sich sicher gefühlt. Trotz der 15 besoffenen Jungs im Nachbarszelt. "Aber die sind ganz lieb."

Alles, was es für ein sicheres Festival braucht

Sollte Lili der Trubel doch mal zu viel werden, findet sie am Stand des Jugendamts Unterschlupf. Der Omnibus bietet mit Lounge-Stühlen und einer alkoholfreien Bar eine ruhige Ecke zum Durchschnaufen, seit 1997 schon. Das haben am ersten Tag deutlich mehr Menschen genutzt als erwartet.

"Wir haben am Freitagabend so viel verkauft, wie wir für das ganze Wochenende eingeplant hatten", erzählt Leiterin Juliane Werhof lachend. "Wir mussten dann gestern Nacht noch Nachschub besorgen." Alkoholfreie Cocktails gibt es hier für drei Euro. Außerdem gibt es Taschen mit Kondomen, Sonnencreme, Ohrstöpseln oder Notfallnummer – eben alles, was es für einen sicheren Festivalaufenthalt braucht.

Ihr Highlight war aber gestern ein anderes: Als eine Frau auf sie zukam und gemeint hat: "Wisst ihr noch? Vor fünf Jahren habt ihr mir den Arsch gerettet." Für solche Momente sei Werhof Sozialpädagogin geworden. Die Frau um die 40 war damals in einer Ausnahmesituation, kam aufgelöst an den Stand, wo ihr zugehört und geholfen wurde. So sehr, dass sie sich auch fünf Jahre danach für die Hilfsbereitschaft bedankt.

Unbehagliches Gefühl am Ausgang

Tanja kommt gerade von einem Konzert, sie ist mit Christian und Patrick unterwegs. Wie sicher fühlt sie sich hier? "Angst hatte ich hier noch nie". Die 29-Jährige aus Eckental ist bereits zum zwölften Mal hier. Jeder, der auf ein Festival geht, wisse ja, worauf er sich einlasse, meint sie.

Wer ein Problem damit habe, angesprochen zu werden, der sei auf einem Festival falsch. Das sei wie eine eigene kleine Welt hier, ergänzt Patrick. Die meisten seien locker und entspannt.

Einzig unbehaglich gefühlt haben sich die drei gestern, als sie nach einem Konzert das Gelände verlassen wollten. Viel zu eng sei der Ausgang gewesen, die Menschenmassen seien wie ein Trichter zusammengeführt worden – "gerade in Zeiten von Corona ist das schwierig". Früher habe es mehr Ausgänge gegeben.

Awareness-Konzept soll Diskriminierung und Belästigung vorbeugen

Von dem neuen Awareness-Konzept hat keiner von ihnen gehört. Das Konzept soll Diskriminierung und Belästigung vorbeugen. Ein Zelt steht dafür bereit, direkt neben dem Stand der Jungen Union. Das kann jeder aufsuchen, der einen sicheren Ort braucht.

Hier sei jeder willkommen, der Wärme braucht – im körperlichen wie mentalen Sinne, erklärt Teamleiterin Lena. So haben gestern auch Opfer sexualisierter Gewalt Schutz im Zelt gesucht, erzählt sie weiter. Frauen, denen Männer unter Alkoholeinfluss zu nahe gekommen waren. Zu genauen Zahlen wolle sie sich aber nicht äußern.

"Die Polizei ist für die Strafverfolgung da, die Sanitäter für die körperliche Versehrtheit und wir sind für das dazwischen zuständig", erklärt sie den Gedanken hinter dem Awareness-Team. Neben dem Zelt sind sie außerdem in Zweierteams mit grauen Westen auf dem Gelände unterwegs.

"Das Festival hat ein Sexismus-Problem"

Das neue Konzept hat vorab vereinzelt für Kritik gesorgt: Von einer Moralpolizei war unter anderem in den sozialen Netzwerken die Rede. Vor allem Männer hätten wenig Verständnis, erklärt Fabian vom Awareness-Team. Bei den weiblichen Festivalgängern hingegen komme die Neuerung gut an.

"Das Festival hat ein Sexismus-Problem", so lautete der Titel eines offenen Briefes, den 2019 Nürnberger Frauen-Organisationen veröffentlichten. Auch die Frauenbeauftragte der Stadt, Hedwig Schouten, hat den Brief damals unterschrieben. Heute erklärt sie auf Nachfrage, dass die Maßnahmen von Argo ein Schritt in die richtige Richtung sind. "Ob diese guten Maßnahmen ausreichend sind, kann ich noch nicht beurteilen." Das Angebot des Veranstalters, an der Evaluation mitzuwirken, habe sie gerne angenommen.

Sie erklärt auf Nachfrage, dass Nürnberger Beratungsstellen immer wieder berichtet hätten, dass Frauen und Mädchen nach Großveranstaltungen wie diesen zu ihnen gekommen seien und von Bedrohungen, Belästigungen und teilweise massiver sexualisierter Gewalt berichtet hätten, darunter aufgezwungene Berührungen, K.o.-Tropfen, Vergewaltigungen auf dem Zeltplatz.

Sexualdelikte Thema im Wirtschaftsausschuss der Stadt Nürnberg

Beim letzten RIP 2019 verzeichnete die Polizei sechs Sexualdelikte im Vergehensbereich, das sind mehr als im Jahr zuvor. So steht es im Bericht des Ordnungsamt, der im Mai im Wirtschaftsausschuss der Stadt Nürnberg vorgestellt wurde. Die Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen haben das Thema auf die Agenda gesetzt. Zusammen mit Experten entwickelte der Veranstalter ein Konzept, wie bei Rock im Park möglichst sicher gefeiert werden kann.

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Freilich sei Sexismus kein spezifisches Problem von Rock im Park, sondern ein gesellschaftliches. Doch, so steht es in dem Bericht an den Ausschuss weiter: "In den vergangenen Jahren konnten verschiedenste Entwicklungen, Niveaus und Ausprägungen von Sexualisierung beobachtet werden." So seien an den Zelten teils "Aushänge mit sexuellen Inhalten" wie "Anmachsprüchen" zu finden gewesen. Oder Besucher hätten Shirts mit "anzüglich provokanten Aufdrucken oder aufblasbaren Geschlechtsteilen" getragen.

Ist das eine Grenzüberschreitung? Eine Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes unter Festivalbesuchern ergab: Auch in Nürnberg passieren "grenzüberschreitende Vorkommnisse eindeutig", heißt es in dem Bericht. "Der damit verbundenen Diffamierung von Frauen als bloße Objekte ist daher entschieden entgegenzutreten und [sie ist] vor allem auch sichtbar zu machen."

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
  • Nachfrage bei der Frauenbeauftragten
  • Bericht: Ordnungsamt im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit am 11. Mai 2022
  • Antrag Stadtratsfraktion Bündnis 90/Grüne
  • Berichtsvorlage
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