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Köln-Mülheim: Zwischen Strukturwandel, Migration und Brauchtum


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Die große Veedel-Serie
Mülheim – zwischen Strukturwandel, Migration und Brauchtum


08.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Blick auf die Mülheimer Promenade und Brücke: "Inzwischen möchte jeder am Strom wohnen", sagt Stephan Brandt über sein Veedel.Vergrößern des Bildes
Blick auf die Mülheimer Promenade und Brücke: "Inzwischen möchte jeder am Strom wohnen", sagt Stephan Brandt über sein Veedel. (Quelle: Thomas Banneyer/t-online)

Ob Ausflugsziel oder Heimat fürs Leben, linksrheinisch oder Schäl Sick: Kölns Veedel sind so verschieden wie seine Bewohner. In unserer Veedel-Serie begeben wir uns auf Erkundungstour durch die schönste Stadt am Rhein.

Das bevölkerungsreichste Stadtviertel Kölns liegt auf der Schäl Sick, die schon lange nicht mehr die schlechtere Seite von Köln ist. Auf 7,7 Quadratkilometern leben 43.055 Menschen aus 142 Nationen – Mülheim ist multikulti.

Mehr als die Hälfte der Mülheimer haben einen Migrationshintergrund, bei den unter 18-Jährigen sind es sogar 77 Prozent. Dennoch ist das größte Fest im Veedel ein ganz traditionelles: Die Mülheimer Gottestracht, die seit dem 14. Jahrhundert gefeiert wird und die größte Schiffsprozession auf dem Rhein ist.

Köln: Die Mülheimer Keupstraße ist ein Abenteuer

Mülheim ist ein Universum für sich. "Müllem" ist bunt, schillernd, lustig und lebendig. Allein der Besuch der Keupstraße ist ein Abenteuer: Wer die Straßen hoch oder runter schlendert, vergisst schnell, dass er sich gerade in einer deutschen Stadt befindet.

Die Straße ist als türkischer Mikrokosmos bekannt. Juweliere, Konditoreien, Friseure sind vertreten. Viele Restaurants laden zum Verweilen ein. Sehr lecker ist übrigens nicht nur der Döner, sondern auch die Linsensuppe. Besonders speziell sind die türkischen Süßigkeiten – das muss man einfach mal probieren.

Viele verbinden mit der Straße auch das "Nagelbombenattentat", welches 2004 stattfand. Bekannt ist auch das Multi-Kulti-Festival "Birlikte", das im Gedenken an die Opfer von damals ausgerichtet wurde.

Auf dem Carlswerk-Gelände tummeln sich die TV-Promis

Nur wenige Meter weiter befindet sich das Gelände des Carlswerks, heute sind hier über 50 Unternehmen zu Hause. Die Soccerhalle von Lukas Podolski findet man, auch die Bühnen der Stadt Köln sind präsent. Die Ära Viva hatte in Mülheim ihr Zuhause, Stefan Raab wurde hier berühmt, die TV Firma Brainpool ist hier beheimatet.

Das E-Werk befindet sich um die Ecke, die Halle entstand 1991 aus einem Industriedenkmal. Krätzchensänger Willi Ostermann wurde in Mülheim geboren, Rainer Maria Woelki und Pfarrer Franz Meuer sind hier aufgewachsen. Beliebt ist die Punkrock-Kneipe Limes, auch das Café Jakubowski hat sich einen Namen gemacht.

Das Bürgerhaus MüZe und die Mülheimer Selbsthilfe MüTZe sind Locations, die es gefühlt schon immer gegeben hat. Aber Mülheim, das ist auch sozialer Brennpunkt. Schlagzeilen über Drogenhandel und Tötungsdelikte auf dem Wiener Platz gehören ebenso zum Veedel wie die bunte Welt der TV-Promis. Und in Mülheim befindet sich der Clevische Ring mit Schadstoffwerten, die zu den Spitzenreitern in Köln und in Nordrhein-Westfalen zählen.

Georg Brandt: "Mir liegt ganz viel an Mülheim"

Gelegen zwischen dem Rhein, Höhenhaus, Buchheim, Buchforst, Stammheim und Deutz soll das Veedel immer noch wachsen – zum Beispiel mit Mülheim-Süd und dem Büroviertel "/I/D Cologne" am alten Güterbahnhof.

Einen Kennerblick auf die bisherige Geschichte haben die Brüder Stephan und Georg Brandt. Sie sind alteingesessene Mülheimer. "Mir liegt ganz viel an Mülheim", sprudelt es aus Moderator Stephan Brandt (bekannt für "Center TV", "Brandt charmant", Anm. d. Red.) heraus.

Der Vorsitzende der Stiftung LebenMülheim berichtet: "Wir unterstützen das Brauchtum, organisieren aber auch ganz konkrete Hilfsprojekte". Auch Norbert Fuchs – mit 33 Amtsjahren dienstältester Bezirksbürgermeister, Gastronom Helmut Zoch und viele weitere Müllemer sind in der Stiftung aktiv.

Mülheim ist durch Migration geprägt

"In den achtziger Jahren kam es durch die Umstrukturierungen in der Großindustrie zu massiver Arbeitslosigkeit", blickt Stephan einige Jahrzehnte zurück. Dies und der hohe Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund, das präge Mülheim.

"Aber der Stadtteil entwickelt sich, inzwischen möchte jeder am Strom wohnen", schmunzelt er, sichtbar stolz auf sein Veedel. Lange Zeit habe es hier noch bezahlbare, große Wohnungen gegeben, immer mehr, auch junge Kölner, seien hinzugezogen. "Wir organisieren jetzt wieder die Mülheimer Nacht, da sieht man die alle mal", freut er sich schon. Am 23. April um 20 Uhr geht es los.

Wenn man "Mister Brandt charmant" fragt, was genau an Mülheim so schön ist, hat er schnell die passende Antwort: "Wir haben den richtigen Blick auf den Dom", strahlt der 53-Jährige. Seine Lieblingsorte sind der Rheinboulevard, das Müllemer Mäuerchen und das Café Rheinspaziert. "Das ist eine Traummeile", schwärmt er.

Stephan Brandt: "Wir haben immer noch Kommunikationsprobleme"

Und dann ist da natürlich der Wiener Platz: Dreh- und Angelpunkt des Veedels. "Hier ist schon viel passiert, man denke nur an das Strukturförderprogramm Mülheim 2020", so Stephan Brandt.

Und doch fehle ein letzter Schritt, um zwischen Deutschen und Nichtdeutschen ein komplettes Miteinander zu finden. "Wir haben immer noch Kommunikationsprobleme, die ich gerne lösen würde. Wenn ich hier den richtigen Schlüssel finden würde, da würde ich einiges für geben", gibt er nachdenklich zu.

Georg Brandt will Mülheim attraktiver gestalten

Auch Georg Brandts Herz schlägt für sein Veedel. "Ich liebe mein Mülheim", sagt der 57-Jährige. Er ist im Vorstand der Bürgervereinigung Köln-Mülheim engagiert und kämpft an vielen Ecken dafür, sein Veedel attraktiver zu gestalten – auch für "Nicht-Mülheimer".

Jede Woche widmet er sich acht bis zehn Stunden verschiedenen Projekten. Er spricht zum Beispiel mit Linda Rennings vom Verein Heimatlos in Köln (HiK), mit der Arche und anderen mehr, um die Situation der Obdachlosen zu verbessern.

Seit Beginn dieses Jahres wurde eine neue Anlaufstelle in der Nähe des Wiener Platzes installiert. "Die Betroffenen können dort Hilfe bekommen, auch eine medizinische Versorgung und eine kostengünstige Verpflegung ist möglich", weiß Brandt. Zwei bis drei Dutzend Obdachlose kommen jeden Tag zu den Containern, die am Bergischen Ring aufgebaut wurden.

Wiener Platz: "Wir wollen hier wieder mehr Leben haben"

"Der Wochenmarkt liegt mir auch sehr am Herzen", berichtet der "Kümmerer" vom Wiener Platz, wie man ihn hier nennt. In Sachen Wochenmarkt will er sich darum bemühen, dass dieser für die Händler wieder attraktiver wird. "Wir sind da im Gespräch", sagt Brandt.

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Der Markt sei vor allem deshalb auch so wichtig, weil der Wiener Platz ohne das bunte Treiben schnell trostlos wirke. "Wir wollen wieder mehr Leben hier haben", betont er und benennt als Beispiel die früher groß gefeierte Karnevalseröffnung, die traditionell an Altweiber auf dem Wiener Platz stattfand.

Im Mülheimer Stadtgarten ist bei gutem Wetter viel los

Sein ganz persönlicher Lieblingsplatz ist der Stadtgarten, "Mülheims grüne Lunge", so beschreibt er die Idylle. Bei gutem Wetter sei hier richtig viel los, berichtet er zufrieden.

Georg Brandt könnte noch Stunden über sein Veedel sprechen. An oberster Stelle wünscht er sich ein besseres Zusammenleben – ohne Ausgrenzung. "Ich werbe für Toleranz und Akzeptanz, denn das Beste an unserem Veedel ist das Zusammengehörigkeitsgefühl", betont er.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Stephan und Georg Brandt
  • Eigene Recherchen, Besuche und Erfahrungen
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