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Bundestagswahl: Köln verschickt Wahlunterlagen an einen Toten


Einladung zur Wahlfälschung?
Wenn Verstorbene zur Wahl eingeladen werden

Michael Hartke

22.02.2025 - 06:30 UhrLesedauer: 4 Min.
Achim Kraus, Sohn des Verstorbenen, mit dem Gratulationsschreiben, das seine Mutter zur Diamantenen Hochzeit bekommen hat.Vergrößern des Bildes
Achim Kraus, Sohn des Verstorbenen, mit dem Gratulationsschreiben, das seine Mutter zur Diamantenen Hochzeit bekommen hat. (Quelle: Michael Hartke)
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Die Stadt Köln verschickt seit Jahren immer wieder offizielle Schreiben an einen Toten und seine Witwe. Nun erhielt der Tote sogar eine Wahlbenachrichtigung.

Der 24. März 2016 bleibt für Margarete Kraus und ihre Kinder für immer in schmerzhafter Erinnerung. Eigentlich wollte sie in der Zeit mit ihrem Mann nur eine entspannte Zeit in der Karibik verbringen. Aber an diesem Tag war der Urlaub jäh zu Ende. Ihr Mann Peter war plötzlich tot.

Nach fast zehn Jahren glaubte Margarete, dass sie ihre Trauer überwunden habe. Doch genauso lange wird sie in regelmäßigen Abständen immer wieder schmerzhaft an den Tod ihres Mannes erinnert. Immer dann, wenn wieder eine Wahl ansteht. Denn: Peter Kraus ist in Köln beim Wahlamt noch immer als Wähler registriert, so auch jetzt bei der Bundestagswahl 2025.

Land schickt Glückwünsche zur Diamantenen Hochzeit

"Meine Mutter war im Januar wieder völlig aufgelöst", erzählt ihr Sohn Achim. Denn nicht nur die erneute Einladung zur Wahl lag Anfang des Jahres im Briefkasten, auch eine Urkunde der Landesregierung zur Diamantenen Hochzeit. So geht das schon jahrelang.

Es fing schon wenige Monate nach dem Tod des Ehemannes an. Da erreichte sie die erste Einladung zu den Landtags- und Bundestagswahlen 2017. "Sofort kamen die Erinnerungen hoch. Meine Mutter war sehr traurig und hat geweint. Sie hat mich ganz aufgeregt angerufen und gefragt, was soll ich damit machen?", sagt Achim.

Danach hat die Familie einiges unternommen, um diesen Fehler von der Stadt korrigieren zu lassen. Sie hat beim Wahlamt angerufen und dort die Sterbeurkunde eingereicht, das Standesamt mehrfach informiert und auch das Einwohnermeldeamt. Es habe aber keine Reaktion gegeben, während weiterhin Wahlbenachrichtigungen für den verstorbenen Ehemann zugestellt wurden. Der vorläufige Höhepunkt: Zum 60. Hochzeitstag gratulierte die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker mit einem Schreiben sowie einer Urkunde vom NRW-Regierungspräsidenten Dr. Thomas Wilk.

"Da hat meine Mutter die Welt nicht mehr verstanden", erzählt Achim Kraus. "Sie hat sich dann zwar mit einem Brief bei der Oberbürgermeisterin bedankt, sich aber auch beschwert, was das denn solle. Schließlich sei ihr Mann ja schon jahrelang tot." Auch habe der Bestatter damals alle bürokratischen Schritte unternommen, um den Tod von Peter Kraus zu bescheinigen. Das alles hat nichts gebracht.

"Jeder könnte anstelle meines Vaters wählen"

Achim Kraus sorgt sich bei solchen Pannen um die Demokratie: "Ich gehe davon aus, dass es noch mehr Fälle wie diesen gibt. Wer Wahlfälschung betreiben möchte, hat damit eine gute Möglichkeit." Denn: Jeder könnte im Namen des Toten wählen. Dass das theoretisch möglich wäre, weiß Kraus aus eigener Erfahrung: "Ich war lange selbst Wahlhelfer und weiß, wie es im Wahllokal läuft. Wir sind nicht verpflichtet, alle Ausweise zu kontrollieren, außer es bestehen Zweifel an der Identität der Person."

Wenn ein Mann zur Wahl geht, der zum Alter des Verstorbenen passt, sei Wahlfälschung in diesem Fall potenziell möglich, glaubt Kraus, bei der Briefwahl sowieso, und er spinnt den Gedanken noch weiter: "Ich könnte die Wahlbenachrichtigung sogar an jemanden verkaufen, der sie zugunsten einer bestimmten Partei einsetzen will."

Bei Wahlfälschung drohen bis zu fünf Jahre Haft

Das NRW-Innenministerium, das für Wahlen zuständig ist, schätzt diese Gefahr eher als gering ein. Auf Anfrage von t-online sagte eine Sprecherin: "Selbst wenn es in einem Einzelfall dazu kommen sollte, dass eine Wahlbenachrichtigung an eine verstorbene Person versandt werden sollte, stellen die wahlrechtlichen Bestimmungen den Schutz des ordnungsgemäßen Ablaufs der Wahl sicher. Bei Missbrauch greifen hier zudem strafrechtliche Vorschriften."

Heißt also konkret: Wer im Namen eines anderen wählt, muss mit einer Strafe rechnen. Wenn man bei Wahlfälschung erwischt wird, drohen bis zu fünf Jahre Haft oder eine Geldstrafe.

Bürokratie: Stadt Köln vermutet fehlende Sterbeurkunde

Wie kann es dennoch sein, dass immer noch hochoffizielle Schreiben an einen Mensch versandt werden, der schon fast zehn Jahre tot ist und dessen Tod mehrfach bei der Stadt nachgewiesen wurde? Die Stadt Köln sagt dazu, dass die Angehörigen eine Urkunde über den Sterbefall im Ausland noch einmal gesondert hätten beantragen müssen.

Erst dann werde der Verstorbene ins Sterberegister des Standesamtes einer Stadt oder Gemeinde aufgenommen. "Da Herr Kraus in Köln geboren wurde und auch in Köln geheiratet hat, haben wir bei unserer Recherche Einblick in das Geburtenregister und auch in das Eheregister genommen. Weder im Geburten- noch im Eheregister war ein Hinweis auf den Sterbefall eingetragen", erklärt Robert Baumanns, Sprecher der Stadt Köln.

Urkunde zum Hochzeitstag "einfach pietätlos"

Die Familie Kraus braucht also vermutlich diese Sterbeurkunde. Eine Übersetzung der ausländischen Sterbeurkunde, wie sie die Familie bereits bekommen hat, reicht hier in Deutschland nicht aus. Nur der Weg über diesen Antrag könne laut Stadt helfen, das Problem zu lösen. Für Achim Kraus ist das unbegreiflich. "Ich habe doch schon etliche Male nachgewiesen, dass mein Vater tot ist. Sonst hätte mein Vater doch auch weiter Steuern zahlen müssen und wir hätten gar kein Erbe bekommen. Als es um die Erbschaftssteuer ging, da war das Finanzamt dann besonders schnell. Die Behörden können also nicht behaupten, sie wüssten von nichts", ärgert er sich.

Aber viel schlimmer sei es, dass die Stadt so mit seiner Mutter umgeht. "Die Urkunde zum 60. Hochzeitstag ist einfach pietätlos." Achim Kraus und seine Mutter wünschen sich daher nur eins: Keine amtlichen Schreiben mehr an den Vater – damit die Narben, die der Verlust hinterlassen hat, nach zehn Jahren endlich verblassen können.

Hinweis: Der Autor und die im Text genannten Personen sind indirekt miteinander verwandt. Achim Kraus hat in die Familie des Autors eingeheiratet. Zwischen ihm und dem Autor besteht daher kein juristisches Verwandtschaftsverhältnis.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Achim Kraus
  • Telefonat mit der Pressestelle der Stadt Köln

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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