Chemie-Unglück in Leverkusen Firma leitete nach Explosion Giftstoffe in Rhein
Nach der Explosion in einem Chemiepark in Leverkusen, bei der mehrere Menschen starben, hat der Betreiber Sonderabfälle in den Rhein geleitet. Das zeigte sich im niederländischen Trinkwasser.
Die Firma Currenta hat Sonderabfälle und Löschwasser über ein Klärwerk in den Rhein geleitet. Das geht aus Recherchen des WDR hervor. Die Auswirkungen reichen bis ins Trinkwasser der Niederlanden. Das Unternehmen betreibt den Chemiepark, auf dem im Juli eine Explosion mehrere Tote gefordert hatte.
Nach der Explosion waren demnach im Abwasser des Klärwerks deutlich erhöhte Werte des in Deutschland verbotenen Insektengifts Clothianidin sowie eines "extrem gewässerschädlichen" Stoffes namens PFOS gemessen worden. Letzterer kommt in Löschschaum vor. Gegenüber dem WDR gibt der Chemiepark-Betreiber zu: Das Insektengift stammt aus einem der Tanks, die bei dem Unglück explodiert waren.
BUND-Experte: "Currenta musste wissen, dass gefährliche Stoffe in den Rhein gelangen"
Die niederländischen Wasserwerke gaben auf Nachfrage des WDR an, dass auch dort in Messprotokollen von Juli und August erstmals Clothianidin gefunden wurde – also im zeitlichen Zusammenhang mit der Explosion. Auch PFOS tauchte in Mengen über dem Grenzwert auf. Gerard Stroomberg, Direktor des Verbandes der niederländischen Rhein-Wasserwerke, kritisiert, dass Currenta niemanden über die Einleitung der Giftstoffe informiert hat: "Wir hätten die Aufnahme von Rheinwasser stoppen können, um unsere Verbraucher zu schützen".
Currenta zufolge seien die restlichen Flüssigkeiten und das belastete Löschwasser aufgefangen und in die Kläranlage auf dem Werksgelände abgelassen worden. Das Problem: Laut BUND-Wasserexperte Paul Kröfges können die genannten Schadstoffe in einer solchen Kläranlage gar nicht abgebaut werden: "Currenta musste wissen, dass gefährliche Stoffe mit dem Abwasser in den Rhein gelangen", sagt er dem WDR.
Nach Chemie-Explosion nahe Köln: 60 bis 70 Liter Insektengift fließen bis in die Niederlande
In einer Stellungnahme betont die Firma zwar, dass der Stoff tatsächlich nicht vollständig habe abgebaut werden können – dennoch seien bei der Aktion "zu keiner Zeit" die geltenden Grenzwerte überschritten worden. Kröfges zufolge gibt es für das Insektengift keinen Grenzwert, jedoch werden ähnliche Gifte extrem streng reglementiert. "Insgesamt sind etwa 60 bis 70 Liter des Insektengiftes in den Rhein gelangt", so Wasserexperte Kröfge. Die gemessene Menge betrage demnach das 60.000-fache der Umweltqualitätsnorm für einen vergleichbaren Stoff.
Der Chemiepark-Betreiber beruft sich in einer Stellungnahme gegenüber dem WDR unterdessen auf einen Notstand: Die Ersatztanks hätten nicht ausgereicht, die Chemieabfälle drohten, direkt in die Kläranlage zu gelangen, was wiederum der Umwelt hätte schaden können. Der BUND und die niederländischen Wasserwerke fordern dennoch Aufklärung darüber, warum keine sichere Entsorgung möglich war – und warum niemand über die giftigen Chemikalien im Rhein informiert wurde.
Im Juli war es in der Sondermüllverbrennungsanlage in Leverkusen nach einem ersten Vorfall im Jahr 1980 ein zweites Mal zu einer Explosion gekommen. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, sieben kamen ums Leben. Gegen drei Mitarbeiter wurden Ermittlungen aufgenommen und auch den Behörden wurden nach dem Vorfall Vorwürfe gemacht.