Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Prozess gegen CDU-Politiker Streit führte zu Schuss – sollte es nur eine Warnung sein?
In Köln steht ein ehemaliger CDU-Politiker vor Gericht, der auf einen 20-Jährigen geschossen haben soll. Jetzt sagte ein Freund des mutmaßlichen Opfers aus – und erzählte von neuen belastenden Erinnerungen.
Vor dem Kölner Landgericht steht weiter der 74-jährige ehemalige CDU-Politiker Hans-Josef Bähner, der am 30. Dezember 2019 einen jungen Mann mit einem Schulterschuss verletzt haben soll.
Als einer der Hauptbelastungszeugen gilt ein Tankstellenmitarbeiter, der an jenem Abend mit dem späteren mutmaßlichen Opfer unterwegs gewesen war. In seiner Aussage beim zweiten Prozesstag am Freitag betonte er insbesondere zwei Aspekte immer wieder: Die Tat liege lange zurück und er trinke für gewöhnlich kaum Alkohol, am fraglichen Abend aber doch.
"Wir waren am Flughafen, um dort Alkohol zu kaufen. Der ist da im Supermarkt günstiger als in Porz am Kiosk", berichtete der Zeuge. Auf der Aussichtsplattform hätten die zwei jungen Männer Wodka und Saft getrunken. Als es ihnen zu kalt geworden sei, hätten sie einen dritten Freund angerufen, damit er sie abhole, weil kein Bus mehr fuhr. "Wir sind dann ins Porzer Zentrum gefahren, herumgelaufen und wollten noch etwas trinken." Auch gekifft hätten sie wohl. Etwas später habe sich ein vierter Freund dazugesellt. An der Mauer zum Grundstück des Angeklagten hätten sie sich die Becher nachgefüllt.
Prozess in Köln: Streit führte offenbar zu Schuss
"Plötzlich bellte ein Hund. Gesehen habe ich ihn nicht, weil es dunkel war. Mein Freund hat sich über den Hund aufgeregt. Es ergab sich dann ein Wortgefecht", so der Zeuge. Sein Freund und Bähner hätten gestritten. Genau wisse er es nicht mehr, "aber es sind auf jeden Fall ausländerfeindliche Worte gefallen."
Woran sich der Anwohner denn wohl gestört habe, wollte der Richter wissen. "Einfach, weil wir da standen", mutmaßte der Zeuge. Laut seien die vier Männer, die inzwischen die zweite Flasche Wodka in Angriff genommen hatten, seinem Empfinden nach nicht gewesen: "Wir hatten ja eine Musikbox dabei." Beleidigungen des später Geschädigten in Richtung des älteren Mannes könne es auch gegeben haben: "Ich glaube, er nannte ihn Hurensohn. Aber das ist ja auch okay, wenn der andere etwas Rassistisches sagte."
Davon, dass der Anwohner eine Waffe habe, sei man nicht ausgegangen. Er habe seinen Freund aus der Situation wegziehen wollen, während die anderen beiden sich ohnehin im Hintergrund gehalten hätten. Unerwartet sei dann ein Schuss gefallen. Die Gruppe habe daraufhin geschockt das Weite gesucht und erst mit einiger Entfernung bemerkt, dass einer von ihnen getroffen worden war: "Der stand ja unter Adrenalin und Alkohol, er hat die Wunde nicht sofort bemerkt." Sie seien daraufhin zur Polizei gegangen.
Zeuge glaubte zunächst an einen Warnschuss – jetzt nicht mehr
Der Richter hielt dem Zeugen vor, dass er in der fraglichen Nacht gesagt habe: "Ich glaube, dass sollte einfach ein Warnschuss sein." Die Auseinandersetzung hatte er laut Polizeiakte in der Tatnacht mit den Worten beschrieben: "Die haben sich immer weiter beleidigt, bis ich meinen Freund nicht mehr halten konnte." Diese Einschätzung entspricht der Darstellung des Angeklagten, der zu Prozessbeginn gesagt hatte, er habe in die Luft feuern wollen. Der Schuss habe sich laut Bähner letztlich versehentlich gelöst, weil ihn im Gerangel ein Schlag getroffen habe.
Von seiner früheren Aussage distanzierte der Zeuge sich jetzt: "Mit dem Wissen, dass jemand getroffen wurde, halte ich es nicht mehr für einen Warnschuss." Auf wiederholte Nachfrage bestätigte er zudem mehrfach, dass der Angeklagte sich ausländerfeindlich geäußert habe. Auch hier unterscheidet sich seine aktuelle Aussage von dem, was er bei der Polizei gesagt hatte. Damals war nur von Äußerungen wie "Du Arsch" und "Halt’s Maul" die Rede gewesen.
- Besuch der Hauptverhandlung