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Nach Sichtungen in Köln: Wie gefährlich sind Wölfe für den Menschen?


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Nach Sichtungen in Köln
Wie gefährlich sind Wölfe für Menschen?


Aktualisiert am 27.06.2021Lesedauer: 4 Min.
Der in Köln gesehene Wolf am Firmengelände der RheinEnergie: Eine Überwachungskamera filmte den nächtlichen Besucher.Vergrößern des Bildes
Der in Köln gesehene Wolf am Firmengelände der Rheinenergie: Eine Überwachungskamera filmte den nächtlichen Besucher. (Quelle: RheinEnergie Köln)
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Im Mai streifte ein Wolf durch die Kölner Innenstadt. Seitdem sind viele Menschen verunsichert: Sind Wölfe gefährlich und ist das Risiko hoch, einem Exemplar zu begegnen? Solche Sorgen sind verständlich

Seit Wochen sorgt der "Wolf von Köln" für Aufregung unter den Domstädtern: In der Nacht zum 19. Mai stromerte ein Wolf durch die Straßen der Stadt, eine Überwachungskamera filmte das Tier auf seinem nächtlichen Streifzug. Auch im Vorfeld waren immer wieder Wölfe in der Umgebung Kölns und in anderen Teilen Deutschlands gesichtet worden – oder zumindest Spuren der Tiere. So wurde im April dieses Jahres der Kot eines Wolfes im Königsforst gefunden.

Wolfsweg 180 Jahre ohne Wölfe

Dass der Wolf im Königsforst einst eine große Rolle spielte, lässt sich noch heute am Namen des Wolfsweges erkennen, der sich fast durch das komplette Waldgebiet schlängelt. Dann aber wurde der Wolf hierzulande ausgerottet und verschwand aus den deutschen Wäldern. Nach 180 Jahren der Abwesenheit kehren die Wölfe nun langsam nach Deutschland zurück.

Üblicherweise zählen die Wölfe, die in Deutschland gesichtet werden, dabei zu der mitteleuropäischen Population, die wiederum aus den baltischen Beständen hervorgegangen ist: "Unsere Wölfe kommen in der Regel aus Polen", erklärt Jörn Ziegler, ehrenamtlicher Kölner Luchs- und Wolfsberater des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV). Zu seinen Aufgaben zählt das sogenannte Monitoring, das Zurückverfolgen gesichteter Wölfe, und die Überwachung hiesiger Wolfsbestände.

Auf Abschuss steht Freiheitsstrafe

"Deutschland und damit auch NRW ist dazu verpflichtet, die Entwicklung der Wolfspopulation zu beobachten und dafür Sorge zu tragen, dass die Bestände nicht zurückgehen, sondern sich zu einer langfristig stabilen Population entwickeln können", erklärt Ziegler. Schließlich handelt es sich beim Wolf um eine streng geschützte Tierart. Der Abschuss eines Wolfes kann mit einer Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet werden.

Das Besondere am Ehrenfelder Wolf ist die lange Wegstrecke, die er zurückgelegt hat: Anders als der Großteil der deutschen Wölfe stammt das Tier nämlich nicht aus Osteuropa, sondern gehört einer Population in den Alpen an. "Das ist ungewöhnlich", bemerkt Ziegler, "er hat es geschafft, aus Italien hier hoch zu wandern". Woher der Wolf kommt, konnte anhand einer Speichelprobe ermittelt werden, die man an gerissenen Schafen im Kölner Norden fand. In der Rheinaue nämlich hatte das Tier vier Schafe getötet und vier weitere verletzt.

Warum wandert ein Wolf aus den Alpen nach Köln? Wie Wolfsberater Jörn Ziegler erklärt, müssen Wölfe im Alter von 10 bis 22 Monaten ihr Rudel verlassen und sich ein eigenes Territorium suchen. Für dessen Auswahl spielen das Angebot an möglicher Beute, die Partnersuche und auch die Bedingungen für die Welpenaufzucht eine entscheidende Rolle bei der Wanderung.

"Wolf geht Menschen aus dem Weg"

Demnach handelt es sich bei dem Wolf mit der Kennnummer GW2119m um ein männliches Jungtier auf der Suche nach einem Ort zum Bleiben und einer Partnerin. So romantisch das zunächst klingen mag, hat er in Köln doch für Verunsicherung gesorgt – und auch für Angst. Diese ist laut Ziegler jedoch unbegründet: "Der Wolf geht uns Menschen aus dem Weg. Wir passen nämlich nicht in sein Beuteschema, weil wir selbst Jäger sind."

Dass Wölfe Menschen nur selten angreifen, belegt auch eine Studie, der sogenannte NINA Report, die gemeinsam von dem International Fund for Animal Welfare, dem NABU und dem WWF durchgeführt wurde. Der Report erfasste die Angriffe von Wölfen auf Menschen im Zeitraum von 2002 bis 2020. In diesen 18 Jahren wurden weltweit 489 Personen von Wölfen attackiert, 26 dieser Angriffe endeten tödlich. 78 Prozent der weltweiten Wolfsangriffe sind dabei auf die Tollwut zurückzuführen – und ereignen sich meist in der Türkei, in Indien und im Iran.

In Europa sind die Zahlen hingegen gering: Hier kam es im selben Zeitraum bei einer Gesamtzahl von 15.000 Wölfen nur zu sieben Angriffen, bei denen nie ein Mensch starb: "Seit der Rückkehr der Wölfe nach Deutschland hat es hier keine tödlichen Angriffe und auch keine aggressiven Annäherungen von Wölfen an Menschen gegeben", heißt es in der Studie.* Das liegt auch daran, dass die Tollwut in Deutschland so gut wie ausgerottet ist.

Wie die Forscher im Report weiter angeben, liege das statistische Risiko für einen Wolfsangriff zwar über null, sei aber dennoch so verschwindend gering, dass es nicht einmal berechnet werden könne. Die Angst vor Wölfen ist also besonders in Deutschland eher abstrakter Natur und das Relikt aus einer Zeit, in der Wölfe eine sehr viel realere Bedrohung für Menschenleben bedeuteten.

"Ich kann die Angst nachvollziehen"

Dennoch kann Jörn Ziegler die Furcht nachvollziehen: "Wenn plötzlich ein Wolf vor mir auftauchen würde, würde mein Puls auch erst einmal ansteigen." Den Wolf aber als böswilliges Tier darzustellen, sei falsch: "Natürlich hat der Wolf ein ein gewisses Potenzial, uns gefährlich zu werden. Aber die Statistik zeigt, wie unwahrscheinlich es ist, dass dies auch geschieht. Wir können als Menschen nicht einer Art das Existenzrecht absprechen."

Wie verhalte ich mich richtig?
Besonders junge Wölfe, die sehr neugierig sind und noch keine (schlechten) Erfahrungen mit Menschen gesammelt haben, neigen dazu, bei einer Begegnung stehen zu bleiben und das menschliche Gegenüber zu beäugen.
In diesem Fall sei es wichtig, ruhig stehen zu bleiben. Auf gar keinen Fall dürfe man panisch vor dem Wolf davonlaufen. Ziegler: "Das wäre eine Reaktion, wie sie auch Beutetiere zeigen. Wenn etwa eine Schafherde in Panik vor dem Wolf flüchtet, weckt das den Jagdinstinkt." Sollte der Wolf nicht von alleine weiterziehen und sich dem Menschen nähern, könne man ihn verscheuchen, indem man sich aufbaut, laut wird und wild gestikuliert: "Man muss dem Wolf signalisieren: Ich bin groß und stark", so Ziegler.
Wenn man in Begleitung eines Hundes ist, gestalte sich die Situation schwieriger: "Der Wolf sieht in dem Hund, der ja vom Wolf abstammt, womöglich einen potenziellen Paarungspartner oder einen Konkurrenten um Beute und Territorium." Hunde sollten daher an die Leine genommen werden, was auch in offiziell ausgewiesenen Wolfsgebieten verpflichtend ist. Betritt der Hund das Territorium des Wolfes, herrsche Konfliktpotenzial. Eben ganz so, wie es auch unter Hunden der Fall ist.

"Nutztiere besser schützen"

Dass Wölfe Schafe, so wie jene in der Rheinaue, reißen, sei schlicht ein Teil ihrer Natur: "Der Wolf ist ein Opportunist, wie auch der Mensch einer ist. Wenn er ein ungeschütztes Schaf sieht, dann macht er, was Wölfe eben tun", erklärt Ziegler. Statt den Wolf zu verteufeln, sollte es darum gehen, potenzielle Beutetiere besser zu schützen. Etwa mit Zäunen oder Hunden: "Nutztierhalter kriegen sowohl Elektrozäune als auch Hütehunde zu 100 Prozent vom Land finanziert", erklärt Ziegler. Der Aufbau sowie die Wartung der Zäune bedeute jedoch einen Mehraufwand und auch der Unterhalt der Herdenschutzhunde stelle eine zusätzliche Belastung dar.

Geringe Wahrscheinlichkeit für Angriffe

Der Wolf wird die Kölnerinnen und Kölner wohl noch eine Weile beschäftigen – irgendwann gehört er vielleicht wieder zu den gewohnten Wildtieren in den zahlreichen Wäldern Deutschlands. Sorgen machen müssen sich die Menschen, außer den Nutztierhaltern, jedoch nicht.

So kommen auch die Forscher des NINA Reports zu dem Schluss, dass die Wahrscheinlichkeit eines Wolfsangriffs trotz gestiegener Bestände noch immer äußerst gering sei. Es gelte zwar, die Sorgen und Nöte ernst zu nehmen, dies aber im Rahmen einer sachlichen Debatte zur Gefährlichkeit von Wölfen: "Die Skepsis gegenüber den lange abwesenden Wildtieren darf nicht für politische Meinungsmache genutzt werden", heißt es am Ende der Studie.

*Zum Vergleich: Laut des Statistikportals Statista sterben deutschlandweit 3,3 Menschen pro Jahr durch Hundebisse.

Verwendete Quellen
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