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Luisa Neubauer in Köln: Aktivistin kritisiert Klimapolitik von Merz


Klimaaktivistin Luisa Neubauer in Köln
"Ich glaube, viele Menschen fühlen sich verarscht"


14.03.2025 - 14:05 UhrLesedauer: 4 Min.
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Klimaaktivistin Luisa Neubauer bei einer Veranstaltung der lit.Cologne (Archivbild). (Quelle: IMAGO/Christoph Hardt/imago)
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Luisa Neubauer präsentierte am vergangenen Sonntag im ausverkauften Gloria-Theater ihr neues Buch zur Klimakrise. Im Gespräch mit t-online betont sie die Dringlichkeit des Handelns.

Das Gloria-Theater in Köln war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Ein gespanntes Publikum wollte dabei sein, wenn Luisa Neubauer auftritt. Die Klimaaktivistin stellte ihr neuestes Buch "Was wäre, wenn wir mutig sind?" vor. In einer multimedialen Mischung aus Lesung, Präsentation und Publikumsinteraktion ging Neubauer Fragen nach wie: Was wurde erreicht, was zerstört? Wie verändert die Klimakrise unser Leben? Wo finden wir Hoffnung in einer krisenhaften Welt?
t-online hat Luisa Neubauer vor der Lesung zum Interview getroffen.

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t-online: Frau Neubauer, im "Global Risks Report 2025" wird die Klimakrise als größte Bedrohung der nächsten zehn Jahre eingestuft, noch vor Krieg und Wirtschaft. Wie bewerten Sie diese Einschätzung?

Luisa Neubauer: Dieser Report bestätigt nochmals, was ich und viele andere seit Jahren betonen. Bemerkenswert ist, dass selbst geopolitische Strategen und militärnahe Personen, die man sonst mit anderen Prioritäten verbindet, die Klimakrise als zentrale Herausforderung erkennen. Das sollte viele Entscheidungsträger zum Nachdenken anregen.

Beunruhigt Sie das mehr oder beruhigt es Sie, wenn solche Kreise dieses Problem ansprechen?

Es gibt keinen Moment, in dem mich irgendeine Klimaveränderung beruhigt. Es geht mir in der Klimakrise nicht darum, recht zu haben. Jede Meldung, die betont, wie dramatisch die Lage ist, ist für mich ein Problem wie für alle anderen. Was in den letzten Jahren in der politischen Verhandlung der Klimakrise, gerade in Deutschland, passiert ist, ist Folgendes: Es wurde der Eindruck erweckt, das Klima sei ein Wohlfühlthema, eine Extrawurst für die Grünen. Und dass wir in Zeiten, in denen viele Menschen viele Sorgen haben, das Klima mal liegen lassen müssten, weil wir uns auf "die richtigen Dinge" konzentrieren sollten.

Weil Klima gefühlt immer ein "On-Top-Thema" ist?

Es ist nicht nur gefühlt ein On-Top-Thema, es wird als solches behandelt. Die mächtigsten Menschen in diesem Land, deren Job es wäre, sich genau diese Berichte anzuschauen und festzustellen, wie gefährlich die Klimafolgen sind, tun es nicht. Das ist, was ich meine. Das Verhältnis der Bevölkerung und der Öffentlichkeit zur Klimakrise fällt ja nicht vom Himmel. Es entsteht durch den Diskurs, durch die Art und Weise, wie Spitzenpolitiker über die Klimakrise sprechen. Solange sie das Thema wie eine Nische behandeln, wie ein Wohlfühlproblem für einen Freitagnachmittag und nicht als eine der großen Gefahren für Sicherheit, Industriestandort und Frieden, werden wir nicht an den Punkt kommen, dass wir die Maßnahmen ergreifen, die wir ergreifen müssen.

Luisa Neubauer: Die Klimaaktivistin trägt ein Statement-Kleid bei der Berlinale.
Luisa Neubauer. (Quelle: Dominik Butzmann)

Zur Person

Luisa Neubauer (geboren 1996 in Hamburg) ist Klimaaktivistin und Autorin. Bekannt wurde sie als eine der Hauptorganisatorinnen der Fridays-for-Future-Bewegung in Deutschland. Sie studierte Geografie an der Universität Göttingen und setzt sich für eine klimagerechte Politik ein. Neben ihrem Engagement bei Fridays for Future ist sie als Sprecherin und Publizistin aktiv. Im Februar 2024 veröffentlichte sie ihr fünftes Buch "Was wäre, wenn wir mutig sind?", in dem sie über gesellschaftliche Verantwortung und den Umgang mit der Klimakrise schreibt.

Sehr wahrscheinlich kommt ein neues Sondervermögen für die Verteidigung. Sollte es ein Sondervermögen auch für das Klima geben?

Mir scheint es wenig nachhaltig, sich von Sondervermögen zu Sondervermögen zu hangeln. Es braucht ein nachhaltiges Konzept, mindestens müsste das ein fortlaufendes Sondervermögen sein, oder eben eine Klima-Reform der Schuldenbremse. Das Problem ist nicht nur das Geld, sondern dass Friedrich Merz und seine Kollegen der Klimakrise offenkundig mit zu viel Ignoranz begegnen. Und das heißt, dass ihre Investitionen – zum Beispiel in die deutsche Infrastruktur – sich selbst aufzufressen drohen, wenn sie nicht klimafest sind. Wer heute einfach Verkehrskonzepte aus den 90er Jahren stumpf umsetzt, wer sich nicht überlegt, wie sich die Anforderungen an den deutschen Standort durch Extremwetterlagen, Lieferketten-Probleme und neue Energiequellen ändern, riskiert massive Fehlinvestitionen.

Haben Sie das Gefühl, dass es gerade bei jungen Leuten Frustration über die Klimapolitik gibt?

Ich glaube, viele Menschen – gerade junge Menschen – fühlen sich auf gut Deutsch verarscht. Und ich kann es ihnen nicht verübeln. Ich weiß nicht, wie man sich in diesen Zeiten als Spitzenpolitiker hinstellen und breitbeinig verkünden kann, dass man Verantwortung für Deutschland, ja sogar für Europa übernehmen möchte, aber dann zu feige oder zu schade ist, anzuerkennen, dass eine der größten Herausforderungen in der nächsten Legislatur die Bekämpfung der Klimakrise sein wird. Jetzt fordert man wieder von jungen Menschen, sich für alles Mögliche einzubringen, aber gleichzeitig werden ihre Zukunft und ihre Anliegen auf Verhandlungstischen wie Altglas behandelt. Dass junge Menschen gerade enttäuscht sind, ist paradoxerweise fast noch ein gutes Zeichen – es bedeutet, dass sie sich noch nicht abgewandt haben. Das wäre dann der nächste, fatale Schritt.

Was müsste passieren, um das Vertrauen in eine gerechtere Klimapolitik zurückzugewinnen?

Es braucht Ehrlichkeit. Die Klimakrise ist da, die Klimaziele müssen eingehalten werden, internationale Abkommen müssen eingehalten werden, es muss massiv investiert werden. Und es geht hier nicht darum, den Emissionen einen Gefallen zu tun oder dem Weltklima einen guten Tag zu bereiten, sondern um unsere Sicherheit, unser Leben, unsere Wirtschaftsgrundlage.

In Ihrem neuen Buch sprechen Sie von "radikaler Zuversicht". Was bedeutet das für Sie?

Radikale Zuversicht heißt, dass man die Realität nicht verleugnet, sondern sie anguckt, in ihrer Schönheit und Grausamkeit und dann feststellt: Nichts, was wir tun, kann eine gute Zukunft garantieren, aber vieles, was wir machen können, kann es wahrscheinlicher machen, dass es mal besser wird. Wer aufhört, in die Welt zu blicken, weil er nicht wissen will, was auf ihn zukommt, der sieht auch nicht mehr, wo Menschen etwas Gutes tun. Und deswegen ist radikale Zuversicht oder gelebte Hoffnung kein Mantra, sondern eine Praxis. Hoffnung heißt nicht, dass alles gut wird, sondern dass wir uns auf den Weg machen, nach guten Lösungen zu suchen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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