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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Serie "Helden des Monats" Petra Pluwatsch-Oehlen kämpft für Erinnerungskultur
Petra Pluwatsch-Oehlen engagiert sich für die Erinnerungskultur im NS-Dokumentationszentrum Köln. Ihr Buch widmet sie den Opfern des Nationalsozialismus, um deren Geschichten lebendig zu halten.
Kurz nach ihrem Ausscheiden als Chefreporterin beim "Kölner Stadt-Anzeiger" 2019 begann Petra Pluwatsch-Oehlen, ehrenamtlich im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln zu arbeiten. In dieser Zeit hat sie nicht nur Archivarbeit geleistet, sondern auch ein Buch geschrieben, das den Opfern des Nationalsozialismus eine Stimme gibt: "Verfolgt und nicht vergessen – Geschichten hinter den Stolpersteinen".
Die Veröffentlichung, die 2023 erschien und mittlerweile in der zweiten Auflage vorliegt, ist ein Zeugnis ihres außergewöhnlichen Engagements für die Erinnerungskultur. "Ich habe mich schon lange mit dem Thema Stolpersteine beschäftigt", sagt Pluwatsch-Oehlen. "In Köln gibt es mehr als 2.500 dieser Steine. Irgendwann wollte ich wissen: Wer waren diese Menschen?" Der Anstoß für ihr Buch kam vom damaligen Direktor der Einrichtung, Werner Jung. "Er hat mir vorgeschlagen, aus meinen Recherchen ein Buch zu machen. Das war ein großartiger Vorschlag – auch wenn ich damals noch nicht wusste, wie viel Arbeit auf mich zukommen würde."
Drei Jahre Arbeit: Buch stellt Vielfalt der Opfergruppen dar
Drei Jahre lang hat sie an dem Buch gearbeitet, das insgesamt zwölf Lebensgeschichten erzählt. Dabei legt Pluwatsch-Oehlen Wert darauf, dass die Opfergruppen so vielfältig wie möglich repräsentiert werden. "Viele Menschen denken, dass es nur Jüdinnen und Juden gab, die von den Nazis verfolgt wurden. Das stimmt aber nicht. In meinem Buch kommen auch politisch und religiös Verfolgte, Homosexuelle, Sinti und Roma sowie Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter vor." Sechs der Kapitel widmet sie jüdischen Opfern, doch auch die anderen Schicksale haben sie tief bewegt.
Besonders nahe ging ihr die Geschichte der Sinti-Geschwister Hugo und Gertrud Rose, die 1944 im Alter von fünf und sechs Jahren im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet wurden. "Die Vorstellung, dass Kinder, die kaum eine Chance hatten, zu leben, so grausam ums Leben gebracht wurden, hat mich nicht mehr losgelassen", erzählt sie.
Ein anderes Beispiel, das ihr im Gedächtnis blieb, ist Julie Meyer. Sie war die Schwester des berühmten Kölner Karnevalisten Hans David Tobar. "Bei ihr war die Recherche besonders schwierig, weil es so wenige Informationen gab. Sie ist ein Beispiel dafür, wie Menschen im Dunkeln verschwinden können. Aber gerade solche Geschichten machen deutlich, wie wichtig es ist, genau hinzuschauen."
Die Recherchearbeit war zeitaufwendig und oft mühsam. "Wir haben hier im NS-Dokumentationszentrum eine hervorragende Datenbank, und viele Kolleginnen und Kollegen haben mir geholfen", berichtet sie. Außerdem nutzte sie öffentlich zugängliche Datenbanken und verbrachte viel Zeit in den Bundesarchiven in Berlin und Koblenz. "Es braucht eine Menge Geduld – und manchmal auch einfach Glück." Dass sie für diese Arbeit weder eine Aufwandsentschädigung noch ein Honorar erhielt, stört sie nicht. "Das Buch ist eine ehrenamtliche Arbeit, genauso wie meine Tätigkeit hier im Dokumentationszentrum. Es war mir wichtig, diese Geschichten zu erzählen, damit die Opfer nicht vergessen werden."
Klare Botschaft: Erinnern ist wichtig
Pluwatsch-Oehlen widmet sich weiterhin den Stolpersteinen in Köln. Einmal pro Woche, montags von 10 bis 16 Uhr, recherchiert sie im Archiv des NS-Dokumentationszentrums die Biografien der Menschen, für die in den kommenden Monaten Steine verlegt werden. Kurz vor der Verlegung werden die Lebensgeschichten der Opfer an die Anwohnerinnen und Anwohner der entsprechenden Häuser verteilt.
Die Stolpersteine haben Paten, die für ihre Herstellung spenden. Den Paten lässt das Dokumentationszentrum Biografien zukommen, damit sie mehr über die entsprechenden Personen erfahren können. "Bewegend ist vor allem die Verlegung selbst, vor allem, wenn Angehörige der Opfer aus dem Ausland angereist sind: betagte Söhne und Töchter, Enkel, Urenkel. Oft wird musiziert, oder es werden Reden gehalten und Blumen niedergelegt."
Ihre Arbeit hat eine klare Botschaft: Erinnern ist wichtig, um die Vergangenheit lebendig zu halten und die Lehren daraus für die Zukunft zu ziehen. "Es geht mir darum, den Opfern wieder ein Gesicht zu geben. Sie sind mehr als Zahlen in einer Statistik – sie waren Menschen mit Träumen, Familien und einem Leben, das ihnen gewaltsam genommen wurde."
- Gespräch mit Petra Pluwatsch-Oehlens