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Köln: Prozess um Zwangsprostitution – "Sie sagte, ihr Beruf ist ihr Hobby"


Prozess vor dem Landgericht
Zwangsprostitution? "Sie sagte, ihr Beruf ist ihr Hobby"


Aktualisiert am 13.09.2024Lesedauer: 3 Min.
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Vor Gericht: Strafverteidiger Dietmar Bonn (l.) im Gespräch mit seinem Mandanten, — dem die Staatsanwaltschaft Zwangsprostitution vorwirft.Vergrößern des Bildes
Vor Gericht: Strafverteidiger Dietmar Bonn (l.) im Gespräch mit seinem Mandanten, — dem die Staatsanwaltschaft Zwangsprostitution vorwirft. (Quelle: Tüntsch)

Weil er eine junge Frau zur Prostitution gezwungen haben soll, steht ein Kölner vor Gericht. Er soll brutal vorgegangen sein – und das Geld für Drogen verschleudert haben.

Die Situation ist nicht so, wie Eltern sie sich wünschen: Auf der Anklagebank des Kölner Landgerichtes sitzt seit Dienstag ein 26-Jähriger, dem die Staatsanwaltschaft vorwirft, eine Heranwachsende mit brutaler Gewalt zur Prostitution gezwungen und Schutzgeld von ihr erpresst zu haben. Sein Vater, der für das Management internationaler Konzerne tätig war, sitzt in der ersten Reihe auf einem der Zuschauerplätze, links und rechts neben ihm junge Mädchen, die Schwestern oder Freundinnen des Angeklagten sein könnten.

Eine Frau mittleren Alters in grauer Strickjacke, der Ähnlichkeit nach zu urteilen die Mutter des 26-Jährigen, hält sich nur kurz im Saal auf. Sie erscheint erst wieder, nachdem der Angeklagte ein mehrseitiges Schreiben verlesen hat, auf dem er sich zu den Tatvorwürfen äußert und unappetitliche Einblicke in sein früheres Beziehungsleben gibt.

"Es tut mir leid, dass ich sie um ihr Geld gebracht habe. Ich habe die Beziehung zu meinem persönlichen Vorteil ausgenutzt", sagt er über eine damals 19-Jährige. Sie soll Staatsanwalt Jens Scherf zufolge von Anfang 2022 bis Mitte 2023 für den Angeklagten anschaffen gegangen sein. Gegen den Vorwurf der Zwangsprostitution wehrt er sich jedoch: "Sie hat die Prostitution jederzeit freiwillig ausgeübt und alle Modalitäten selbst entschieden. Sie sagte, ihr Beruf ist ihr Hobby."

Mutmaßliches Opfer jetzt schwer depressiv

Dann beschreibt der Angeklagte, der mehrere Privatschulen besucht hat, eine Entwicklung, die im völligen Missverhältnis zu seiner bürgerlichen Herkunft steht. 2022 habe er in einem Saunaclub jene Prostituierte kennengelernt, die nun im Verfahren Nebenklägerin ist.

Über Monate hinweg habe der Angeklagte sie durch das Bundesgebiet in Hotels begleitet, in denen sie Freier traf, und ihr Geld entgegengenommen. So weit stimmen seine eigenen Schilderungen mit denen der Anklage überein. Zum weiteren Verlauf skizziert Staatsanwalt Scherf, dass der 26-Jährige von der Heranwachsenden zunächst fünfzig, später hundert Prozent ihrer Einnahmen erpresste, "dafür stellte er sie unter seinen Schutz." Mit einem Kabel soll er sie gewürgt und zu Sexpraktiken mit anderen Männern gezwungen haben, die sie ablehnte. Nur für einen Betrag von 30.000 Euro habe er sie wieder freigeben wollen und ihr gedroht, dass sie anderenfalls "Finger für Finger" zahlen würde.

Versöhnung mit Rosen und Brötchen

Der Angeklagte liefert hier eine ganz andere Darstellung: "Ich habe ihr gesagt, dass es ihr Körper ist und ihre Entscheidung, was sie wem wann anbietet." Da er selbst die ganze Zeit über eine Liebesbeziehung mit ihr gehabt habe, sei er schon im Sinne seiner eigenen Gesundheit daran interessiert gewesen, dass sie bestimmte Praktiken nicht anbiete. Sie habe aber argumentiert, sich der Konkurrenz anpassen zu müssen. Streit habe es durchaus mal gegeben, dann aber auch wieder Versöhnungen, die der stark tätowierte Mann recht bieder beschreibt: "Ich habe ihr einen Strauß Rosen gekauft und Brötchen vom Bäcker mitgebracht."

Von den Einnahmen, die sich laut Anklage auf 96.000 Euro belaufen haben sollen, habe die Frau ihm freiwillig jeweils die Hälfte gegeben. Vorangegangen sei eine ähnliche Beziehung zu einer anderen Freundin, die ebenfalls im Rotlichtmilieu tätig war. Diese wohne im bürgerlichen Kölner Westen, habe zum Anschaffen aber lieber andere Städte aufgesucht. Die habe ihn um Unterstützung gebeten: Begleitung in die Hotels, Absicherung gegenüber den Freiern, Anzeigenschaltung und Terminvereinbarung. Die 19-Jährige aus dem Saunaclub habe sich den beiden angeschlossen und ihn gebeten, sie in gleicher Weise zu unterstützen. Im Gegenzug habe sie ihm die Hälfte ihrer Einnahmen überlassen.

Geld verfeiert, statt es anzulegen

Um selbst keine großen Geldbeträge bei sich haben zu müssen, habe die junge Frau ihm zur Verwahrung auch jenen Teil der Einnahmen anvertraut, den sie für sich selbst behalten wollte. Den hat er seinen Schilderungen zufolge veruntreut: "Ich sagte ihr, dass ich das Geld in Kryptowährung investieren würde. Es könne sich innerhalb eines Jahres verdoppeln."

Doch statt es anzulegen, habe er es vollständig für Partys und Drogen ausgegeben: "Ich kann nachvollziehen, dass sie sauer ist." Als es zur Trennung kam und sie ihr Geld forderte, sei ein Streit eskaliert. Sie habe angekündigt, seine Eltern zu informieren. Daraufhin habe er sie in der Tat bedroht. "Ich möchte mich entschuldigen, nicht nur bei ihr, auch bei meinem Umfeld, welches ich immer wieder enttäuscht habe", so der junge Mann, der aktuell wegen Drogendelikten inhaftiert ist.

Vor Gericht war das mutmaßliche Opfer am ersten Prozesstag nur durch seinen Anwalt vertreten, der beantragte, die Frau unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu vernehmen.

Die gemeinsame Bekannte, mit der das Paar anfangs zu dritt unterwegs gewesen sein soll, legte ein Attest vor und wird wegen psychischer Erkrankungen voraussichtlich nicht aussagen. Das Urteil soll am 5. Oktober verkündet werden.

Verwendete Quellen
  • Reporterin vor Ort
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