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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Familienvater vor Gericht Mann streitet Missbrauchsvorwürfe ab – und widerruft früheres Geständnis
Ein Mann, der wegen Kindesmissbrauchs vorbestraft ist, soll die Freundin seiner Tochter missbraucht haben. Nun steht er in Köln vor Gericht. Dort bestreitet er nicht nur die aktuellen Tatvorwürfe, sondern widerrief auch ein Geständnis zu seiner Vorstrafe.
Vor Jahren wurde ein 38-Jähriger verurteilt, weil er einen Jungen missbraucht haben soll. Damals legte er ein Geständnis ab. Inzwischen ist der Mann Vater von zwei Mädchen und soll erneut straffällig geworden sein. Mutmaßliches Opfer ist nun die Freundin einer Tochter. Beim Auftakt des Verfahrens vor dem Landgericht weist der Angeklagte die Vorwürfe von sich und widerrief bei der Gelegenheit auch sein früheres Geständnis.
Mit einer Niederlage für die Verteidigung begann vor der zweiten Großen Strafkammer am Kölner Landgericht ein Prozess gegen einen 38-Jährigen aus Gummersbach. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann vor, im Jahr 2019 mehrfach die Freundin seiner Tochter missbraucht zu haben. Das Mädchen war zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt zehn, später elf Jahre alt.
Familienrechtler Christian Dost, der die Verteidigung des Mannes übernommen hatte, beantragte gleich zu Beginn, die Öffentlichkeit für den gesamten Prozess auszuschließen und argumentierte, dass der Privatbereich minderjähriger Kinder betroffen sei. Damit landete er bei der Kammer keinen Erfolg: "Die Verlesung der Anklage liegt im besonderen Maße im Interesse der Öffentlichkeit", sagte der Vorsitzende Richter Christoph Kaufmann.
Prozess in Köln: Öffentlichkeit darf komplett dabei sein
Auch für die Einlassung des Angeklagten beschloss die Kammer, die Öffentlichkeit zuzulassen: "Nach bisherigem Verfahrensstand bestreitet der Angeklagte die Vorwürfe", erläuterte Kaufmann. Es sei daher nicht erkennbar, inwiefern sich die Einlassung des Angeklagten auf intime Details beziehen könne.
Der Staatsanwaltschaft zufolge hat der Gummersbacher die Freundin seiner Tochter mehrfach unsittlich berührt, während diese bei der Familie zu Gast war. Mit gequältem Gesichtsausdruck und leichtem Kopfschütteln lauschte der Angeklagte dem Vortrag der Staatsanwältin.
Seinen Schilderungen nach war es eher so, dass er sich väterlich um ein Mädchen aus schwierigen Verhältnissen gekümmert habe: "Ich hielt nicht viel von ihrer Mutter. Wir haben früh gemerkt, dass sie ein Alkoholproblem hat. Deswegen haben wir immer versucht, dass unsere Tochter nicht viel dort war." Für ein problematisches Umfeld spricht, dass die Anwältin des mutmaßlich missbrauchten Mädchens angab, nicht mit dessen Mutter in Kontakt zu stehen, sondern mit einer Pflegemutter. Zwischenzeitlich soll das Kind auch in einer Betreuungseinrichtung gelebt haben.
Früheres Geständnis war angeblich nur taktisch
Missbrauch war im Umfeld des Angeklagten und des mutmaßlichen Opfers offensichtlich immer wieder ein Thema: "Es soll eine Halbschwester des Mädchens geben, die soll Opfer von schwerem sexuellem Missbrauch geworden sein", so der Richter. Der Angeklagte nickte bestätigend. Auch die inzwischen geschiedene Frau des Angeklagten soll in ihrer Kindheit ein Missbrauchsopfer gewesen sein.
Nicht unwesentlich ist die Vorgeschichte des Angeklagten selbst: Wegen sexuellen Missbrauchs eines Jungen wurde er in erster Instanz zu vier Jahren Haft verurteilt, bestritt allerdings die Vorwürfe. In zweiter Instanz wurde das Urteil aufgehoben und in eine Bewährungsstrafe von zwei Jahre umgewandelt, nachdem er die Tat gestanden hatte.
Rückblickend bestritt er jetzt erneut, den damaligen Missbrauch begangen zu haben. Das Geständnis sei aus taktischen Gründen erfolgt: "Mein Anwalt sagte mir, wenn ich ein Geständnis ablegen würde, bekäme ich eine Bewährungsstrafe. Ich habe mich daher entschieden, die Tat auf mich zu nehmen."
Täuschte der Angeklagte zwei Jahre lang seinen Therapeuten?
Höflich, aber erstaunt hinterfragte der Richter die weiteren Ausführungen des Angeklagten. Der versicherte, dass er auch in der zweijährigen Therapie, zu der er infolge des Missbrauchs verpflichtet worden war, nur aus taktischen Gründen an dem Geständnis festgehalten habe. "Ich habe mir da was zusammengereimt, was plausibel klingt", erklärte der Angeklagte.
"Haben Sie denn eine Vorstellung davon, was eine plausible Missbrauchsgeschichte aus Täterperspektive ist, die man einem professionellen Therapeuten auftischen kann?", wollte Kaufmann wissen. Rechtsanwalt Dost antwortete für seinen Mandanten: "Er kannte ja die Details durch die lange Konfrontation mit den Vorwürfen." Das ließ Kaufmann als Erklärung nicht gelten: "Es geht ja in einer Therapie nicht nur um das Tatgeschehen, sondern auch um Lustempfinden, Fantasien und die Vorgeschichte", belehrte er den Anwalt.
Zur Frage, warum sich seine Frau von ihm getrennt habe, sagte der Angeklagte: Sie habe von seiner Vorstrafe gewusst, er habe ihr die Wahrheit gesagt, nämlich, dass er die Tat nicht begangen habe. Sie habe aber nicht gewusst, dass er bei der Polizei auch angegeben hatte, dass sie seine erste weibliche Partnerin gewesen sei und er früher homosexuell gelebt habe. Das habe sie kürzlich erst erfahren und so schockiert reagiert, dass er ihr nicht mehr habe erklären können, dass auch das eine falsche Aussage von ihm gewesen sei.
Richter: "Das erschließt sich mir nicht"
"Ich weiß, es ist schwierig, wenn man vielen Leuten Unterschiedliches sagt, was zum Teil auch nicht stimmt", kommentierte Kaufmann und stellte in Aussicht: "Ich bin ganz ehrlich, so richtig erschließt sich mir das nicht, aber wir werden dem allen auf den Grund gehen."
Die erste wichtige Zeugin fehlte allerdings direkt: Die Mutter des mutmaßlich betroffenen Mädchens tauchte nicht auf. Gegen sie wurde ein Ordnungsgeld verhängt, außerdem behält sich die Kammer vor, die Frau polizeilich vorführen zu lassen. Das Verfahren wird fortgesetzt. Ein Urteil ist für den 13. Juli anberaumt.
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