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"Letzte Generation" | Wie ticken die Klimaaktivisten?


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"Letzte Generation"
Psychologin schleust sich ein – und deckt Plan auf


Aktualisiert am 10.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Blockade in Köln: Klimaaktivisten haben erneut für Staus gesorgt – Autofahrer zeigten sich frustiert. (Quelle: reuters)
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Psychologin Maria-Christina Nimmerfroh schleuste sich bei der "Letzten Generation" ein. Wie die Aktivisten ticken und wie sie sich auf Aktionen vorbereiten, darüber geben ihre Recherchen einen detaillierten Einblick.

Sie legen den Straßenverkehr lahm, werfen Kartoffelbrei auf Gemälde und werden teils als "Klimaterroristen" bezeichnet. Nun sind zwei Aktivisten nach Thailand geflogen und schwänzten einen Gerichtstermin. Die Debatten um die "Letzte Generation" ebben nicht ab.

Die Frankfurter Sozialpsychologin Maria-Christina Nimmerfroh wollte mehr über die Gruppe erfahren, wie sie ihre Mitglieder motivieren, wie sie Aktive an ihre Ziele binden und wie die Einflussnahme auf die Gesellschaft funktioniert. Nimmerfroh ist Mitglied in der FDP und kandidierte letztes Jahr als Bürgermeisterin in Griesheim bei Darmstadt. Sie wurde auch von den Grünen unterstützt. t-online sagt sie, dass ihre Mitgliedschaft keinen Einfluss auf ihre Analyse der "Letzten Generation" gehabt habe. "Ich war in der Politik immer nur ehrenamtlich tätig, also in meiner Freizeit. Meine Analysen und mein Interesse für Social Movements sind und waren nur rein beruflich."

Sie hat mit einer falschen Identität bei einem Online-Seminar der Klimaaktivisten teilgenommen. Volle fünf Stunden dauerte der Workshop. Nimmerfroh erhielt Zugang zu internen Dokumenten: Kampagnen- und Trainingsmaterialien, Train-the-Trainer-Ausbildung, circa 250 Seiten Text und 20 Stunden Videomaterial.

Nur die "Letzte Generation" arbeite so hierarchisch

Die Auswertung von Nimmerfroh zeigt eine Gruppe, die straff und professionell organisiert ist. Und sie sagt: "Sie brauchen Menschen, um Straftaten zu begehen." Die "Letzte Generation" überlasse nichts dem Zufall, so Nimmerfrohs Fazit. Uhrzeiten und Straßenkreuzungen, die sie blockieren möchten, werden vorab bestimmt. Werbematerial wird nur in Stadtteilen in Großstädten wie Frankfurt verteilt, wenn dort eine große Wählerschaft von Grünen und Linken wohnt. Zudem werden nur Aktionen durchgeführt, die maximale mediale Aufmerksamkeit erlangen.

Nimmerfroh beschäftigt sich schon recht lange mit sozialen Bewegungen. So sprach sie ausführlich mit Funktionsträgern und Aktiven bei den "Fridays for Future", ebenso mit Aktiven einer Antifa-Gruppe in Frankfurt. Nur bei der "Letzten Generation" musste sie sich einschleusen, weil sie aus den öffentlich zugänglichen Informationen zu wenig für ihre Analysen ziehen konnte – und nur die "Letzte Generation" arbeitet so hierarchisch.

Wie hierarchisch die Gruppe offenbar vorgeht, das zeigen Auszüge aus einem Skript. Es stammt aus einer Fortbildung für Trainer, das nur an den inneren Zirkel weitergegeben wird. Das Skript liegt t-online vor. Darin sind klare Anweisungen vorgegeben. So sollen neue Aktive etwa mindestens einmal eine Straße blockieren und die Konsequenzen dafür selbst tragen. Konsequenzen seien Strafen wegen Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und ein Bußgeld. Nimmerfroh wirft der "Letzten Generation" vor, Haftstrafen zu verniedlichen.

"Vor der Tür werdet ihr herzlich empfangen"

"Es kann auch sein, dass ihr für ein paar Stunden in Gewahrsam genommen werdet. Dafür werdet ihr zur Polizeiwache gefahren, müsst all eure Sachen abgeben und dürft vielleicht ein Buch mit in die Zelle nehmen", heißt es im Skript. In der Regel sei man alleine, aber manchmal auch in einer Gruppenzelle, "wenn wir viele sind." Weiter heißt es: "In der Regel kommt ihr am Nachmittag oder abends wieder raus. Vor der Tür werdet ihr herzlich empfangen."

Man erhalte demnach ein Empfangskomitee. Alles also inszeniert, um mehr Aufmerksamkeit zu generieren? "Es muss medienwirksam sein. Aus den Kampagnenunterlagen geht hervor, dass nur Aktionen durchgeführt werden, die in der öffentlichen Wirkung auch etwas bringen", berichtet Nimmerfroh. Dazu zählen eben auch Haftstrafen.

Nimmerfroh erzählt, dass "explizit gesagt wird: 'Wenn du für deine Taten eine Geldstrafe bekommst, wirst du ausdrücklich dazu aufgefordert, sie nicht zu bezahlen, damit du sie als Ersatzfreiheitsstrafe im Knast absitzen musst. Es ist öffentlichkeitswirksamer, als wenn du die Kohle bezahlst.'" Es passt offenbar ins Bild zur aktuellen Debatte um den Thailand-Urlaub eines Aktivisten. Dieser musste sich vor Gericht verantworten, weil er sich im vergangenen Herbst auf die B10 bei Stuttgart geklebt haben und dadurch den Verkehr blockiert haben soll. Die Verhandlung hätte am Dienstag stattfinden sollen.

"Letzte Generation" widerspricht

Theodor Schnarr, ein Sprecher der "Letzten Generation", widerspricht den Darstellungen auf Nachfrage von t-online: "Jede Person, die an unserem Protest beteiligt ist, entscheidet für sich, wie sie mit den Repressionen umgeht. Wir haben rechtliche Unterstützung, die uns die verschiedenen Möglichkeiten und die Konsequenzen der jeweiligen Option aufzeigt." Die Geschichte zeige, dass ziviler Ungehorsam wichtig sei. Die Akzeptanz der Strafe sei Teil des Protests. "Die Entscheidung darüber trifft aber jede Person selbst", sagt Schnarr.


Quotation Mark

Wenn ich in der Zelle liege, fällt immer ganz viel Spannung von mir ab.


Auszug aus einem Skript für Trainer


Dennoch erwecken Ausschnitte aus dem Skript den Eindruck, dass mögliche Inhaftierungen von der "Letzten Generation" verharmlost werden. So arbeiten die Klimaaktivisten mit Vorbildern. Eine Person wird dazu ermutigt, eigene Hafterfahrungen zu teilen. So heißt es etwa: "Wenn ich in der Zelle liege, fällt immer erst mal ganz viel Spannung von mir ab. Ich habe die Blockade gemacht und jetzt ist es vorbei. Manchmal bin ich anfangs noch frustriert darüber, wenn ich unfreundlich behandelt wurde. Das legt sich dann aber und bei mir stellt sich ein Gefühl der Stärke und der Selbstwirksamkeit ein."

Aus psychologischer Sicht "sehr clever"

Die Sozialpsychologin ist entsetzt darüber. "Es hat mich sehr erschreckt, dass man eigene Hafterfahrungen einbringen kann." Es sei für solche Gruppen nichts Ungewöhnliches, wenn sie Leute dazu bringen wollen, für ihre Ziele einzustehen. Allerdings gehe es hier um strafbares Handeln, teilweise auch gefährliches Verhalten.

Für Sprecher Theodor Schnarr seien die Darstellungen "verunglimpfend". "Die Menschen wählen diesen Protest nicht leichtfertig, dieser Protest ist anstrengend und kräftezehrend." Natürlich möchte man jene Personen bestmöglich darauf vorbereiten. "Die Wahrscheinlichkeit, in Gewahrsam genommen zu werden, ist sehr hoch. Also ist es wichtig, den Protestierenden Möglichkeiten an die Hand zu geben, mit dieser in Einzelhaft umgehen zu können", sagt Schnarr.

Aus psychologischer Sicht agiere die "Letzte Generation" sehr clever, sagt Nimmerfroh. "Es geht nur um die Bereitschaft, dass du dich an den Aktionen wie Straßenblockaden beteiligst. Sie wenden alle Mittel an, die man aus psychologischer Sicht für Verbindungen, Projektionen und Bereitschaft zu extremen Handlungen verwenden kann. Also sie arbeiten sehr stark mit Imaginationsverfahren."

Die Idee dieser Verfahren sei, dass man sich in schwierige Situationen hineinversetze, sie mental durchlebe und sie dadurch in das eigene Verhaltensrepertoire aufnehmen könne. "Ein Verhaltensrepertoire ist das, wozu man letztendlich nicht nur körperlich, sondern auch mental in der Lage ist", erklärt die Sozialpsychologin.

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Die "Letzte Generation" will eine emotionale Bindung aufbauen

In solchen Imaginationsverfahren würden Texte mit typischen Aktionssituationen vorgelesen. Dazu zählen etwas das Ankommen auf der Straße, das Hinsetzen, wenn die Polizei kommt oder auch Situationen in der Zelle.

Im Skript wird das so beschrieben: "Jetzt gehst Du mit Deiner Bezugsgruppe auf die Straße. Ihr zieht die Warnwesten an und breitet das Banner aus. (...) Vielleicht hupen die Autos. Konzentriere Dich auf das Gefühl des Kontaktes Deines Körpers mit dem Boden (...) Deine Gefühle sind berechtigt und normal."

"Wie eine Art Meditation"

"Nach dem Hineinversetzen in die Situation, das ist wie eine Art Meditation, kommt noch die individuelle Auseinandersetzung damit. Dafür gibt es geleitete Fragen, die jeder vor der Gruppe beantworten muss", erzählt Nimmerfroh. "Das schafft natürlich eine unglaubliche psychologische Nähe, baut Hemmungen ab und sorgt für eine enge Bindung. Wir sind ein Team." Wichtig sei, dass die Akteure sich selbst hören, wie sie über sich in dieser neuen Rolle und Aufgabe sprechen würden. "Das nennt man Selbstüberredung."

Die "Letzte Generation" gehe ihren Protest nicht leichtfertig an: "Er muss gut durchdacht sein. Wir haben einen Plan und lernen stetig dazu, was funktioniert", sagt Schnarr.

Dieser Artikel wurde aktualisiert.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Maria-Christina Nimmerfroh
  • Unterlagen aus einem Online-Workshop
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