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Koks als Klima-Killer: Wo kommen eigentlich die Berliner Party-Drogen her?


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Koks und LSD als Klima-Killer
Wo kommen eigentlich die Berliner Partydrogen her?


12.03.2022Lesedauer: 5 Min.
Eine Frau schnupft Koks – Blick in den Berliner Mauerpark bei Nacht: In der Berliner Partyszene ist der Konsum von illegalen Drogen weit verbreitet.Vergrößern des Bildes
Eine Frau schnupft Koks – Blick in den Berliner Mauerpark bei Nacht: In der Berliner Partyszene ist der Konsum von illegalen Drogen weit verbreitet. (Quelle: INSADCO und Rolf Zöllner/imago - Montage t-online)
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Nachmittags Shopping im Bioladen, nachts Kunde am Kokstaxi: In kaum einer Stadt sind der Nachhaltigkeitshype und der trendige Drogenkonsum so verbreitet wie in Berlin. Aber passt das überhaupt zusammen? t-online hat mit Ermittlern und Konsumenten gesprochen.

Berlin gilt als einer der Drogen-Hotspots Deutschlands. Zwar sprechen einige Statistiken davon, dass beispielsweise in Frankfurt der Anteil an Rauschgift-Verbrechen gemessen an der Bevölkerungsdichte höher ist. Doch nirgends in Deutschland scheinen Drogen so angesagt und ethisch akzeptiert zu sein wie in der Hauptstadt.

Ein Eindruck, den auch Dezernatsleiter Olaf Schremm teilt: "An reinen Fallzahlen mögen andere Städte vor Berlin liegen. Es ist allerdings so, dass Angebot und Vielfalt an Drogen hier besonders hoch sind", sagt er. Der 61-Jährige ist Chef des Berliner LKA 43 mit Sitz am Tempelhofer Damm. Von dort aus koordiniert er mit seinem Team die Rausch- und Arzneimittelbekämpfung und vertritt Berlin auf internationaler Ebene in Sachen Drogenhandel.

Schremm beschäftigt auch die Frage, wie der Drogen-Hype der Spreemetropole mit dem nachhaltigen und umweltbewussten Selbstbild vieler Hauptstädter zusammenpasst: "Wir kritisieren zu Recht das Ein-Euro-T-Shirt aus Pakistan. Aber woher die Line kommt, die man am Abend im Club zieht, wird selten hinterfragt", sagt er im Gespräch mit t-online.

Aus guten Gründen legen große Teile der Berliner Bevölkerung etwa bei ihrer Kleidung oder ihren Lebensmitteln inzwischen Wert auf nachhaltige Produktion. Doch woher kommt eigentlich das MDMA und Speed, das in den Szene-Clubs fast schon zum guten Ton gehört und wie passt dieser Konsum mit dem vermeintlichen Umweltbewusstsein der Berliner zusammen?

Rauschmittel in Berlin: Die Drogenrouten

Für die weit verbreitete Droge Kokain sind Kolumbien, Bolivien, Ecuador und Peru die wichtigsten Anbauländer. Der illegale Anbau der Koka-Pflanzen findet zumeist in abgelegenen Regenwaldregionen statt. Die Bauern übergeben die Koka-Blätter an Labore in Südamerika. Dort wird der Rohstoff zu Kokain verarbeitet und dann über den Schiffsfrachtverkehr an große Überseehäfen wie Rotterdam, Antwerpen, Amsterdam, Bremerhaven oder Hamburg transportiert. Laut dem LKA wird die Ware von dort aus von Fahrern in europäische Ballungsräume gebracht, häufig werde dieses Abholsystem von Banden organisiert.

Dezernatsleiter Olaf Schremm spricht aktuell von einer Kokainschwemme: Die Nachfrage steige seit Jahren stetig. "Die Weltproduktion wird von Fachleuten auf circa 1.800 Tonnen geschätzt. Die Großsicherstellungsmengen weltweit hingegen beliefen sich schon auf gut 1.200 Tonnen im Jahr 2020. Was bedeuten würde, dass über die Hälfte sichergestellt wird. Meiner Beurteilung nach, eine sehr unrealistische Perspektive. Der Großteil landet immer noch beim Endkonsumenten."

MDMA, Speed und LSD hingegen werden schwerpunktmäßig in Europa hergestellt. Dafür werden Rohstoffe aus dem asiatischen Bereich besorgt, die legal importiert werden können, weil sie auch für wirtschaftliche Produktionen benötigt werden. Besonders viele illegale Chemielabore befinden sich aktuell in den Niederlanden. Von dort aus werden die Drogen mit den bunten Designs bis in den vorderen Orient exportiert, oft gegen Geld, häufig aber auch im Austausch für Heroin.

Cannabis wiederum wird in Deutschland nur in geringen Mengen angebaut. Der Großteil des Marihuanas, das in Berlin geraucht wird, stammt aus Nordafrika, vor allem aus Marokko. Von dort aus transportieren Schnellboote die Blüten nach Spanien. Der Handel floriert jedoch auch aus dem albanischen Raum. Da die Balkanroute aber mit vielen Zollkontrollen verbunden ist, wird immer häufiger der Seeweg nach Italien gewählt. Von dort aus transportieren Pkws die Ware nach Berlin.

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Partydrogen als Klima-Killer?

Angesichts der teils weiten Reisewege der Rauschmittel, überrascht es kaum, dass der Drogenkonsum oftmals auch dem Klima schadet. Klima-Killer Kokain ist laut einer Recherche der "Süddeutschen Zeitung" besonders schädlich. Vier Quadratmeter Regenwald werden pro Gramm Kokain zerstört. Schon im Jahr 2010 hatte die kolumbianische Drogenmafia 2,5 Millionen Hektar vernichtet.

Doch auch synthetische Drogen schaden Klima und Umwelt. Zwar wird etwa Ecstasy häufig direkt in Deutschland oder im Nachbarland Niederlande hergestellt, doch auch hier gibt es einen gravierenden Knackpunkt: Die häufig in ländlicheren Gebieten angesiedelten Bauernhöfe, die zu Drogenlaboren umgebaut wurden, unterliegen keinerlei Aufsicht oder Auflagen. Überschüssige Materialien – oft hochgiftige Chemie – werden einfach ins Erdreich oder in nahe gelegene Flüsse gekippt.

Durch den Konsum landet zudem ein Teil der Giftstoffe im Abwasser: So hat sich die Menge an Kokain-Spuren in Berliner Wasserproben zwischen 2016 und 2019 verdoppelt.

Berliner Dealer als "arme Schlucker"

Auch die prekären Arbeitsbedingungen der Bauern, die auf den Koka-Plantagen Südamerikas arbeiten, sind viel erforscht und in zahlreichen Dokumentationen belegt. Es ist hinreichend bekannt, wie brutal der Bandenkrieg zwischen den verschiedenen Kokain-Kartellen wütet und wie viele zivile Opfer die Droge auf ihrem Weg nach Europa zurücklässt. Dennoch: Diese Schicksale scheinen weit weg. Wer sich in der Toilette im Nobel-Restaurant eine Line Kokain legt, denkt in seiner Champagnerlaune wohl kaum an diese Masse von Unbekannten.

Doch nicht nur am Anfang, sondern auch ganz am Ende, oft direkt vor der eigenen Haustür, wird die Arbeit von den unterprivilegierten Gliedern der Handelskette ausgeführt. Am sichtbarsten wird dies am Beispiel der Drogendealer in Berliner Parks. Olaf Schremm bezeichnet sie als "arme Schlucker". Sie sind Laufburschen, oftmals ohne Arbeitserlaubnis, die sich aus prekären Zwängen heraus zum Schritt in die Illegalität genötigt fühlen. Demgegenüber stehen jene Parteien des Rauschgifthandels, die wirklich satte Gewinne einfahren.

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Besonders deutlich wird dies auch hier am Beispiel Kokain: Der Wert eines Kilos Koka-Paste liegt bei etwa 2.500 US-Dollar. Der große Gewinn wartet aber in Europa: Wenn sich das Kilo Kokain in Berlin befindet, wird sein Wert auf 45.000 Euro geschätzt. Der Kunde kauft meistens in Grammeinheiten und zahlt dafür um die 60 Euro. Was er in kleinen, wieder verschließbaren Plastikbehältern ausgehändigt bekommt, sind jedoch zumeist nur 0,7-0,8 Gramm. Daraus ergeben sich drei Konsumeinheiten, also drei Kokain-Highs. An einem Abend im "Berghain" oder im "About blank" ist diese Menge schnell verbraucht.

Die dicken Autos der Kokstaxi-Fahrer sind nicht umsonst ein popkultureller Marker geworden: "Die Betrachtung der Täter aus dem sozialen Blickwinkel heraus führt zu einem Kreis von Personen, die sich damit ihren opulenten Lebensstil finanzieren wollen", erklärt Olaf Schramm.

Was sagen Endkonsumenten dazu?

Doch was sagen die Berliner Endkonsumenten dazu? t-online hat zwei Partygänger mit den Ergebnissen der Recherche konfrontiert:
Einer von ihnen ist Marius. Er hat BWL studiert und einen Job als Angestellter in einer Unternehmensberatung. Seit er 16 ist, kifft der 33-Jährige regelmäßig. Die Droge schenkt ihm gelegentliche Feierabendentspannung: "So wie andere, die Donnerstagabend mal zwei Bier trinken, drehe ich mir gerne einen sanften Joint." Auch mit anderen Drogen wie MDMA oder Speed hat er schon Erfahrungen gesammelt.

"Wenn ich mir das so anschaue, dann könnte einigen der Probleme – vor allem die Menschenrechtsverletzungen in südamerikanischen Ländern und die miesen Standards in deutschen Chemielaboren – durch eine kontrollierte Legalisierung entgegengewirkt werden", meint er. Am US-amerikanischen Beispiel, wo Marihuana in vielen Bundesstaaten legal erhältlich ist, sehe man jedoch, dass dort die Profitgier der Pharmaindustrie andere ethische Probleme mit sich bringe, sagt Marius.

Auch Daniella hat die Recherche nachdenklich gemacht. Sie ist 25 Jahre alt und arbeitet neben ihrer Tischler-Ausbildung als DJ in verschiedenen Clubs. Dort ist sie schon mit diversen Drogen in Berührung gekommen.

Daniella bezeichnet sich politisch als links, ist absolute Pelz-Gegnerin und isst aus Umweltgründen keinen Fisch und nur sehr wenig Fleisch. Sie bezeichnet sich selbst als "nicht radikal, was Nachhaltigkeit betrifft", sieht sich aber als bewusste Konsumentin. "Wenn man sich damit beschäftigt, sollte man wirklich kein Kokain mehr konsumieren", sagt sie. "Das habe ich für mich mitgenommen und hoffe, das so umsetzten zu können."

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit Dezernatsleiter Olaf Schremm
  • Gespräche mit Marius und Daniella
  • "Süddeutsche Zeitung": "Kokain-Produktion zerstört den Regenwald"
  • Eigene Recherche
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