Berlin Ukraine-Flüchtlinge in Berlin: Giffey für bundesweite Hilfe
Angesichts stark steigender Flüchtlingszahlen aus der Ukraine hält Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey eine bundesweite Koordination bei der Aufnahme der Menschen für nötig. "Berlin ist natürlich der große Dreh- und Angelpunkt und auch Zielort für viele Menschen, die hierher kommen", sagte die SPD-Politikerin am Mittwoch. "Es gibt einen sehr starken Fokus auf Berlin. Wir werden das, soweit es geht, von unserer Seite auch versuchen zu händeln", so Giffey. "Aber wir brauchen auch Unterstützung der anderen Bundesländer dabei."
Um eine Verteilung der Menschen über die Hauptstadt hinaus zu organisieren, spreche sich Berlin momentan mit anderen Ländern wie Brandenburg, Sachsen-Anhalt oder Mecklenburg-Vorpommern ab. "Das ist jetzt eine Absprache, die mit unseren Nachbarbundesländern erfolgt, aber die natürlich, sobald der Rechtsstatus geklärt ist, auch von Bundesseite organisiert werden muss." Wichtig sei, dass auf europäischer Ebene bald Klarheit über den Aufenthaltsstatus der Geflüchteten aus der Ukraine geschaffen werde und diese als Kriegsflüchtlinge anerkannt würden.
Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) sagte, die Lage habe sich "dramatisch verändert", es gebe einen "unglaublichen sprunghaften Anstieg" der Zahl der ankommenden Menschen. Grund sei auch die zunehmende Aggression Russlands gegen Zivilisten. Am Montag seien 350 Menschen aus der Ukraine vom Senat untergebracht worden - am Dienstag seien es bereits 1400 gewesen.
Kipping verwies darauf, dass am Mittwoch erneut fünf Direktzüge aus Warschau am Hauptbahnhof erwartet wurden. Weitere Flüchtlinge kämen mit Bussen und Autos. Unterwegs sei auch ein Bus mit 120 jüdischen Waisenkindern und 30 Begleitern aus Odessa.
Berlin sei für viele dieser Menschen "das Tor nach Europa", sagte Kipping. Einige würden dann weiterreisen, anderen bleiben. "Manche gehen auch davon aus, dass sie sehr lange hier bleiben werden müssen." Wie viele Menschen aus der Ukraine derzeit insgesamt nach Berlin kommen, könne nicht erfasst werden, weil viele nicht registriert würden und über private Kontakte unterkämen. Berlin und Deutschland müssten sich aber auf einen weiteren deutlichen Anstieg der Zahlen einstellen, die Lage sei sehr "dynamisch".
Der Senat hatte am Dienstag angekündigt, zunächst Unterbringungen für 20 000 Flüchtlinge zu schaffen. Berlin müsse dafür "großflächige Strukturen" schaffen, sagte Kipping. Wo die geplante große Unterkunft entstehen soll, wollte sie noch nicht verraten. Ein zweites Ankunftszentrum neben dem in Reinickendorf sei nötig und werde geplant. Neue Unterbringungen seien bereits in Neukölln, Pankow, Spandau, Friedrichshain und Reinickendorf entstanden. Bislang habe jeder ankommende Flüchtling ein Bett bekommen. Ein eigens eingerichteter Krisenstab organisiert die Verteilung.
Giffey hält es für möglich, dass mehr als 20.000 Geflüchtete in Berlin eine Unterkunft brauchen. "Das ist eine sehr volatile Zahl", sagte sie. "Wir wissen nicht, wie sich das weiterentwickeln wird. So wie wir die Lage im Moment einschätzen, wenn wir die Bilder aus der Ukraine sehen, dann wird es eher hochgehen, als dass es weniger wird." Vor diesem Hintergrund wolle Berlin auch mit der Deutschen Bahn sprechen, "inwieweit Tickets, die bisher in Berlin enden, auch weitergehen können an andere Orte", sagte Giffey.
Die Bahn befördert seit einigen Tagen ukrainische Staatsbürger in ihren Zügen von Polen nach Deutschland bis Berlin kostenfrei. Am Mittwoch teilte der Konzern mit, dass das auch für weitere internationale Fernzüge gilt, die aus Polen, Österreich und Tschechien nach Deutschland fahren. Für die Weiterfahrt in Deutschland gebe es das kostenlose "helpukraine"-Ticket, das Flüchtlinge aus der Ukraine in allen DB-Reisezentren und DB-Agenturen erhalten könnten.
Giffey sprach am Mittwoch im Roten Rathaus mit in Berlin ansässigen Vertretern der ukrainischen und russischen Zivilgesellschaft. Dabei sei es auch um die Frage gegangen, wo welche Hilfe jetzt am nötigsten sei, sagte sie im Anschluss. Die ukrainische Aktivistin Oleksandra Bienert und Maxim Gyrych von der ukrainischen Initiative Vitsche bedankten sich für die Hilfsbereitschaft und Solidarität in Berlin und verwiesen auf die zunehmend prekäre humanitäre Lage in ihrem Heimatland.
Bienert regte unter anderem an, von Berlin aus staatlich koordinierte Busse an die polnisch-ukrainische Grenze zu schicken, um Geflüchtete abzuholen. "Es geht nicht, dass private Personen, wie es jetzt passiert, einfach 15 Stunden fahren, um da zwei Leute abzuholen. Das ist einfach nicht effizient." Zudem plädierte Bienert für einen schnellen Zugang der Geflüchteten zum deutschen Arbeitsmarkt und dafür, Beratungsangebote zuerst in ukrainischer Sprache und erst dann auf Russisch anzubieten.