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Wahl-Chaos in Berlin: Chronologie des Versagens | Das ganze Ausmaß


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Chronologie des Versagens
Berliner Wahlchaos nimmt immer größere Ausmaße an


Aktualisiert am 01.10.2021Lesedauer: 4 Min.
Lange Schlangen, falsche Stimmzettel und improvisierte Wahlkabinen: Bei den Wahlen in Berlin gab es zahlreiche Probleme.Vergrößern des Bildes
Lange Schlangen, falsche Stimmzettel und improvisierte Wahlkabinen: Bei den Wahlen in Berlin gab es zahlreiche Probleme. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka/imago/Emmanuele Contini/t-online – Montage)
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Die Diskussion um die Wahlpannen in der Hauptstadt reißt nicht ab. Erste Konsequenzen hat es bereits gegeben. Was nun ans Tageslicht kommt, erscheint unglaublich.

In der Hauptstadt häufen sich die Berichte über Unregelmäßigkeiten am Wahlsonntag. Die Berliner Wahlleiterin hat ihren Rücktritt angekündigt, Stimmen müssen neu ausgezählt werden. Noch ist unklar, ob die Stimmabgabe wiederholt werden muss.

Die Diskussion um die Pannen-Wahl in Berlin bricht nicht ab. Doch was ist eigentlich genau passiert? Eine Chronologie.

Sonntag, 13 Uhr: Stimmzettel in falsche Wahllokale geliefert

Schon am Mittag des Wahlsonntags melden einige Wahllokale erste Probleme: In Friedrichshain-Kreuzberg und Charlottenburg-Wilmersdorf sind Stimmzettel vertauscht worden. So liegen etwa in den Wahllokalen 404, 407 und 408 in der Spartacus Grundschule in Friedrichshain nach Angaben aus dem Wahllokal für die Abgeordnetenhauswahl zunächst nur Stimmzettel aus Charlottenburg-Wilmersdorf vor.

Bis die richtigen Stimmzettel nachgeliefert werden, müssen die Wahllokale zeitweise geschlossen werden. Auch anschließend geht es nur mit Verzögerungen weiter. Zudem müssen einige Stimmabgaben auf falschen Stimmzetteln für ungültig erklärt werden.

Sonntag, 14.30 Uhr: Lange Schlangen – stundenlanges Warten

In vielen Bezirken stehen Wählerinnen und Wähler am Wahlsonntag in viel zu langen Warteschlangen. Augenzeugen berichten von Wartezeiten von bis zu zwei Stunden. Grund sind offenbar vor allem Probleme mit den Stimmzetteln, fehlende Wahlkabinen und die Vielzahl an Stimmzetteln, die die Berlinerinnen und Berliner ausfüllen müssen.

"Ist das eigentlich zumutbar?", fragt sich Professor Helge Sodan, ehemaliger Präsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes.

Sonntag, 15 Uhr: Wahllokalen gehen die Stimmzettel aus

Am Nachmittag gehen dann mehreren Wahllokalen in der Hauptstadt die Stimmzettel für die Abgeordnetenhauswahl aus. Die Nachlieferung gestaltet sich unter anderem wegen des parallel zur Wahl abgehaltenen Berlin-Marathons schwierig.

In einem Wahllokal werden Wähler sogar nach Hause geschickt – weil einfach keine Stimmzettel mehr zu bekommen sind.

In einem Video aus dem Wahllokal in der Rudolf-Dörrier-Grundschule in Pankow, das t-online vorliegt, ist eine Wahlhelferin zu hören: "Generell würden wir Sie einfach bitten, wer möchte, auch diese Wahl anzuzweifeln – ganz offiziell. Weil Sie Ihr Wahlrecht nicht wahrnehmen konnten." Und weiter: "Das ist das Einzige, was wir momentan für Sie tun können. Tut uns leid."

Sonntag, nach 18 Uhr: Wahl geht in Berlin weiter

Wegen der vorausgegangenen Pannen geben Tausende Wählerinnen und Wähler in Berlin ihre Stimmen erst nach der offiziellen Schließung der Wahllokale um 18 Uhr ab. Die Landeswahlleitung hatte bereits vor 17 Uhr erklärt, dass die Stimmabgabe wegen der Probleme auch nach 18 Uhr weitergeht.

Augenzeugen berichten jedoch, dass teils erst gegen 20.15 Uhr der letzte Stimmzettel in die Wahlurne eingeworfen wird, lange nachdem schon Prognosen und Hochrechnungen zum Wahlausgang bekannt sind.

Es sei zwar normal, dass Menschen, die bis 18 Uhr in der Warteschlange vor ihrem Wahllokal stehen, nicht weggeschickt werden, sagt Wahlexperte Matthias Cantow von "Wahlrecht.de". Diese Regel stamme jedoch noch aus der Zeit vor dem Smartphone und sei problematisch, denn: "Man nimmt es hin, dass einige Menschen wählen, wenn die Prognosen bereits bekannt sind."

Montag: Forderungen nach Wahlwiederholung – Landeswahlleiterin "erstaunt"

Noch am Wahlabend sorgen die teils chaotischen Zustände in Berlin für Kritik. So werden etwa Rufe nach einer Wiederholung der Wahl laut. Wahlexperten sind dazu am Montag zunächst geteilter Meinung. Nicht jeder Mangel führe dazu, dass eine Wahl für ungültig erklärt werden muss, sagt etwa der aktuelle Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Stephan Harbarth, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Auch die Berliner Landeswahlleiterin, Petra Michaelis, wird bereits am Sonntagabend für die zahlreichen Pannen kritisiert. Sie zeigt sich am Montag "erstaunt, insbesondere dass Stimmzettel ausgegangen sind" und kündigt an, die Unregelmäßigkeiten aufarbeiten zu wollen. Zurücktreten will sie zunächst nicht. Eine mögliche Wahlwiederholung schließt sie aber nicht aus.

Mittwoch: Wahlleiterin sieht Schuld bei Bezirkswahlämtern – Rücktrittsforderungen

Am Dienstagabend schiebt Petra Michaelis die Schuld an dem Berliner Wahldebakel auf die Bezirkswahlämter der Stadt. Der "Abendschau" des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) sagt sie: "Wenn da was schiefgegangen ist, dann sind es die Bezirkswahlämter gewesen." Trotzdem entschuldigt sich die Beamtin bei den betroffenen Wahlberechtigten: "Aber es ist jetzt eben so gekommen, wie es ist."

Zugleich mehren sich die Forderungen nach einem Rücktritt von Michaelis. Am Mittwoch bezeichnet der Berliner Rechtsprofessor, Christian Waldhoff, von der Humboldt-Universität in Berlin den Rücktritt der Landeswahlleiterin und ihrer Stellvertreterin als "einzige Konsequenz".

Die Vorkommnisse seien rechts- und damit auch verfassungswidrig. Die Pannen in der Hauptstadt eines der wichtigsten, reichsten und entwickeltsten Länder der Erde seien nicht nur "peinlich, sondern zugleich ein gravierendes Demokratieproblem".

Mittwoch: Auffällig viele ungültige Stimmzettel in Dutzenden Wahllokalen

Am Mittwoch berichtet der RBB dann, dass in mindestens 99 Wahllokalen auffällig viele Stimmzettel ungültig gewesen seien. Es gehe um mindestens 13.120 Stimmen bei allen Wahlgängen. Vermutlich hätten die Wähler falsche Stimmzettel aus anderen Bezirken erhalten.

Mittwoch: Landeswahlleiterin kündigt Rücktritt an

Obwohl sie diesen Schritt zunächst abgelehnt und die Verantwortung von sich und ihrer Behörde gewiesen hatte, zieht Petra Michaelis am Mittwochnachmittag doch Konsequenzen aus dem Debakel und kündigt ihren Rücktritt an.

In der Politik wird diese Entscheidung mit Erleichterung aufgenommen. Der Rücktritt allein reiche jedoch nicht aus. "Das alles muss in der Sache aufgeklärt werden", fordert etwa der Grünen-Abgeordnete Benedikt Lux.

Donnerstag: Bezirk meldet fiktive Wahlergebnisse

Am Donnerstagmorgen dann der nächste Kracher: Einer Recherche des RBB zufolge wurden in 22 Wahlbezirken des Stadtteils Wilmersdorf vom Wahlamt Charlottenburg-Wilmersdorf identische Wahlergebnisse angegeben – offenbar fiktive Daten. Auf Anfrage des Senders bestätigt der Bezirkswahlleiter, dass es sich bei den gemeldeten Ergebnissen lediglich um Schätzungen gehandelt habe. Mehr dazu lesen Sie hier.

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Freitag: Bundeswahlleiter warnte schon im Vorfeld vor Problemen

Am Freitag berichtet der "Spiegel", dass Bundeswahlleiter Georg Thiel die Verantwortlichen in der Hauptstadt schon einige Tage vor dem Chaos-Wahltag auf eine Betrugsmöglichkeit hingewiesen habe.

Bei den Wahlen zu den Bezirksverordnetenversammlungen sind auch EU-Bürger und Jugendliche ab 16 Jahren wahlberechtigt. Weil die Berlinerinnen und Berliner bei der Briefwahl jedoch alle Stimmzettel in einen Umschlag stecken sollten, befürchtete Thiel, dass Stimmberechtigte bei den Bezirkswahlen unberechtigterweise auch Wahlzettel für die Bundestagswahl mit senden könnten.

Auf die Warnung Thiels hin musste die Landeswahlleiterin laut dem "Spiegel" dann auf die Schnelle die Auszählungsmodalitäten für die Briefwahl ändern und die Wahlvorstände auf das Problem hinweisen.

Immer lauter werden nun die Stimmen, die fragen, ob Teile der Wahlen in Berlin wiederholt werden müssen. Bis Anfang Oktober soll ein Pannenbericht vorliegen. Anfechten lässt sich die Wahl jedoch erst nach Feststellung des amtlichen Endergebnisses am 14. Oktober.

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