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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Optimistische Berliner Clubszene "Nicht in den nächsten Lockdown, sondern in die Innenräume"
Monatelang waren die Berliner Clubs coronabedingt dicht. Nun ist wenigstens draußen wieder gemeinsames Tanzen erlaubt. Die Szene hofft jedoch, bald auch wieder drinnen feiern zu dürfen.
Letztes Jahr, als die zweite Welle der Corona-Pandemie schon Anlauf nahm, gab es ihn zum ersten Mal, den Tag der Clubkultur. Auch 2021 wird er in Berlin wieder begangen, am 3. Oktober. Auch wenn man weiß, dass Corona noch nicht überstanden ist: Die Clubcommission und Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Linke) geben sich beim Pressetermin am Mittwochvormittag dennoch optimistisch und gut gelaunt.
Natürlich sind die Bedingungen besser als letztes Jahr. Es gibt zahlreiche Testmöglichkeiten in Berlin, fast jeder kann sich impfen lassen. Seit Tagen liegt die Inzidenz in der Hauptstadt im einstelligen Bereich.
Auch sonst hat sich viel bewegt in den letzten Monaten. Von "großen Meilensteinen" spricht Lutz Leichsenring, Sprecher der Clubcommission. So hat im Oktober der Bundesfinanzgerichtshof entschieden, dass für Locations wie das Berghain, also für Techno- und House-Konzerte der verminderte Mehrwertsteuersatz gelte. "Auch das Berliner Abgeordnetenhaus hat sich bekannt zur Clubkultur. Es muss jetzt noch in die Bezirksverwaltungen sickern", so Leichsenring.
Nuke soll geräumt werden – "unfassbar!"
Kultursenator Klaus Lederer will die Clubkultur weiter fördern, gerade in einer Zeit, in der sie nicht stattfinden kann. "Die Clubs waren die ersten, die zumachen mussten, und sie werden die letzten sein, die wieder öffnen können. Zumindest in der Form, wie wir es kennen", erklärt der Senator.
Einige Clubs werden gar nicht mehr öffnen. Lederer erwähnt zu Beginn der Pressekonferenz am Sage Beach in Kreuzberg das Beispiel Nuke. Dem Friedrichshainer Club wurde kürzlich durch den Vermieter, die S-Immo Germany GmbH, zum 31. Juli gekündigt, nun soll der Laden geräumt werden. Eine Petition will das verhindern. "Zu einem Entgegenkommen sei die Geschäftsführung nicht bereit gewesen", heißt es darin.
"Dort entstehen schöne teure Büro und Co-Working-Spaces – unfassbar!", sagt Lederer. Das Verhalten des Investors müsse man "blamen" und "geißeln". Der Senator weiter: "Diesen Co-Working-Spaces wünschen wir möglichst wenig Publikum."
Bewerbung für Tag der Clubkultur ab Juli möglich
Zurück zu den Clubs: "Klasse, dass wir den Tag der Clubkultur zum zweiten Mal machen", freut sich der Senator. Zu den 40 Clubs und Kollektiven, die im vergangenen Jahr mit je 10.000 Euro ausgezeichnet wurden, gehörten etwa der Club der Visionaere, der Klunkerkranich, das SchwuZ und der Tresor.
Katharin Ahrend von der Clubcommission blickt zufrieden zurück: "Das war aus der Not geboren, aber es gab eine gute Zusammenarbeit mit den Bezirken, das ging sehr konstruktiv."
Die Clubkultur wurde in der Pandemie besonders hart getroffen, sie habe sich aber als beständig und widerständig gezeigt, so Ahrend. Was die geplanten Auszeichnungen zum diesjährigen Tag der Clubkultur betrifft: Im Juli beginnt die Ausschreibung und bewerben kann man sich bis in den August – dann sichtet das Kuratorium.
Zu dessen Mitgliedern gehört etwa Lewamm 'Lu' Ghebremariam. "Ich freue mich, dass Clubs inzwischen als Kulturstätten anerkannt sind", so die Partyveranstalterin. Und natürlich freut sie sich, bald wieder tanzen zu können.
"Delta-Variante, weiche!"
Der Senator hofft, dass dies auch bald wieder drinnen möglich ist. Mit Blick auf die aktuell gefürchtete Corona-Mutation erklärte er: "Delta-Variante, weiche! Und Leute: Lasst euch impfen!" Für den Moment sei vorsichtiger Optimismus erlaubt. Ab dem 3. Juli ist es in Berlin wieder möglich, mit 500 Menschen draußen zu tanzen. "Ich bin echt froh", so Lederer.
Für die Berliner Clubs habe der Senat Stipendien aufgelegt, beim Musicboard sei deren Zahl auf 100 verdoppelt worden. Außerdem gibt es ein Förderprogramm für Lüftungsanlagen und einen Veranstaltungsfonds, damit der Ausfall bei Events zur Hälfte bezuschusst werden kann. Auch die Soforthilfe 4 soll weiterlaufen. Und man wolle den Veranstaltern Kredite abnehmen, mit Tilgungszuschüssen. Daran arbeite man derzeit noch.
Für die angekündigten Hilfen stünden im Haushalt 2022/23 zusätzliche Ressourcen "in gewissem Maße zur Verfügung", so Lederer. Aber er gibt zu bedenken, dass alle Ansätze nach der Wahl im September womöglich noch mal zur Debatte stehen.
In diesem Sommer sollen zunächst Außenflächen bespielt und betanzt werden können. Einige Bezirke haben sich sehr engagiert gezeigt, so Lederer und nennt unter anderem den Spreepark, die Tamara-Danz-Höfe, das Marzahner Dreieck und Viereck. Diese und andere Orte seien jetzt erschlossen worden, Anträge sollen unbürokratisch bearbeitet werden.
Clubs wollen Innenbereiche öffnen
Und wie geht es danach weiter? Für Leichsenring steht fest: "Wir wollen nach dem Sommer nicht in den nächsten Lockdown, sondern in die Innenräume."
Es gäbe zwar Öffnungsmodelle aus Brandenburg oder Niedersachsen
für innen, die seien aber schwer umsetzbar. "Wir wollen nicht mit dem Zeigefinger hinter jedem Gast stehen und ihn auf Abstandsregeln aufmerksam machen", sagt Leichsenring. "Der Clubraum ist ein Freiraum: Da will man kein Regelwerk haben." Zudem sei es auch auf Außenevents bei 36 Grad schwer, den Gästen zu vermitteln, dass sie Masken tragen sollen. Am Ende komme es aber natürlich immer auf die Inzidenzen an. Darüber sind sich alle einig.
Derweil werde weiter geimpft, aber die Bereitschaft müsse noch erhöht werden, so Lederer. "Wenn man will, dass Freiräume schneller erschlossen werden können, müssen sich Leute schneller impfen lassen." Als Ziel skizziert er, dass die Quote der Erstgeimpften im August bei 80 Prozent, die der vollständig Geimpften bei 50 Prozent liege. Dann könne man auch mehr öffnen. Und vielleicht auch bald wieder drinnen tanzen.
- Besuch der Pressekonferenz
- Petition: "saveourclubculture"