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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Warnstreik beim RBB "Die Leute sind schlicht sauer"
Die Beschäftigten des RBB sind am Mittwoch in einen dreitägigen Warnstreik getreten. Zum einen wollen sie mehr Gehalt, vor allem aber geht es um die freien Mitarbeiter. Ohne die würde der RBB nicht funktionieren.
Christian Titze steht im Kreis von über 200 seiner Kollegen vor dem Fernsehzentrum des RBB in Berlin. Er spricht langsam, wählt seine Worte mit Bedacht, wird immer wieder von Applaus unterbrochen. "Ich arbeite nicht wegen der Kohle hier. Aber ich will angemessen bezahlt werden", sagt er. Und: "Die Intendantin Frau Demmer hat das Vertrauen der Mitarbeiter missbraucht." Titze scheint seinen Kollegen aus der Seele zu sprechen, sie klatschen Beifall und blasen in ihre Trillerpfeifen.
Die Mitarbeiter des RBB befinden sich im Streik. Drei Tage, von Mittwoch bis Freitag, soll dieser dauern, um die Chefetage des Senders zu warnen. Den Streikenden geht es neben mehr Gehalt insbesondere um den Schutz der freien Mitarbeiter. Denn wie bei den anderen öffentlichen-rechtlichen Sendern stemmen diese einen großen Teil des Programms: Der RBB beschäftigt rund 1.500 Festangestellte und 1.400 sogenannte feste Freie.
Letztere sind zwar freie Mitarbeiter, arbeiten aber meist fast ausschließlich für den RBB, erhalten Urlaubs- und Krankengeld und machen oft die gleiche Arbeit wie Festangestellte. Sie erhalten aber weniger Gehalt und können leicht vom Sender abgesetzt werden, wenn dieser sie nicht mehr braucht. Sie haben nahezu keinen Kündigungsschutz.
Die Intendantin will den Tarifvertrag nicht unterschreiben
Um das zu ändern und den festen Freien mehr Sicherheit zu geben, hatten sich die Gewerkschaften Deutscher Journalisten-Verband (DJV) und Deutsche Journalisten-Union (DJU) im Frühjahr 2024 mit dem RBB auf einen Tarifvertrag mit Beendigungsschutz geeinigt. Das heißt: Der Vertrag sieht vor, langjährige feste Freie vor plötzlicher Auftragslosigkeit zu schützen und ihnen weiter Honorar zu zahlen. Beide Seiten hatten sich auf die genaue Formulierung geeinigt, es fehlte nur noch die Unterschrift der RBB-Intendantin Ulrike Demmer. Doch die will sie seit einem halben Jahr nicht leisten.
Die Mitarbeiter haben von der Warterei genug, sie fühlen sich hintergangen. Redner Christian Titze arbeitet seit 20 Jahren für den RBB als freier Reporter bei der Abendschau. Er wolle ein Bekenntnis des Senders, sagt er. "Diese drei Tage Streik sind die einzige Möglichkeit, dass uns der RBB noch ernst nimmt."
Eine andere freie Journalistin, die anonym bleiben will, sagt, viele ihrer Kollegen seien frustriert und enttäuscht: "Ende vergangenen Jahres haben wir noch gefeiert, dass der Beendigungsschutz kommt." Nun hätten sie ein großes Gefühl der Unsicherheit.
Angeblich zähe Kommunikation zwischen Mitarbeitern und Chefin
Diese Einschätzung teilt Sebastian Scholz, Geschäftsführer des DJV: "Wir vermuten: Der RBB will gar nicht verhandeln." Zwei Verhandlungstermine habe Demmer im Oktober verstreichen lassen. Nun herrsche massiver Unmut unter den Beschäftigten: "Die Leute sind schlicht sauer", sagt er.
Grundsätzlich scheinen die Beschäftigten und ihre Intendantin nicht auf einer Wellenlänge zu sein, erzählen die Streikenden: Auf dem Sommerfest habe Demmer noch angekündigt, sich um das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu bemühen, das auch unter dem Skandal um ihre Vorgängerin Patricia Schlesinger gelitten hatte. Vertrauen wiederzugewinnen sei so aufwendig, wie einen Haufen fallen gelassener Murmeln einzusammeln: Sie müsse sich nach jeder einzelnen bücken.
Jedoch: Am selben Abend habe Demmer nebenbei erklärt, dass sie den Tarifvertrag immer noch nicht unterzeichnet habe. Aus Sicht der Mitarbeiter hatte sie damit das Murmelspiel quer durchs Zimmer geworfen. Auf der Kundgebung am Mittwoch hatten die Streikenden dann auch eine Murmelbahn aufgebaut, um Demmers Umgang mit ihren Untergebenen anzuprangern.
Widersprüchliche Kommunikation und Intransparenz wirft auch die Reporterin Birgit Raddatz dem RBB vor: Viele offene Stellen, gerade für den Nachwuchs, seien in der Vergangenheit nicht öffentlich ausgeschrieben, sondern nur über Kontakte vergeben worden. Kritische Stimmen seien unerwünscht, Opportunisten bevorzugt. Dabei sollte sich der RBB nach dem Skandal um die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger eigentlich anders verhalten, sagt sie: "Wir werden von allen Seiten angegriffen, da sollten wir intern mit gutem Beispiel vorangehen."
Raddatz' Einschätzung zur Verschlossenheit des Senders scheint sich zu bestätigen: Auf eine Anfrage von t-online zu den Vorwürfen reagierte der RBB nicht. Auch zu der Frage, warum Demmer den Vertrag nicht unterschrieben hat, kam keine Antwort.
- Reporter vor Ort
- Anfrage an den RBB