Interview mit einem Gedankenleser Gedankenleser im Interview: "Der Kopf ist die intimste Zone"
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Timon Krause ist Experte, wenn es um die menschliche Psyche geht. Als Mentalist begeistert der Berliner sein Publikum seit Langem auf der Bühne. Jetzt macht er auch Podcasts: mit Psychotricks und Hypnose-Anleitung.
Wer Timon Krause begegnet, sollte besser nicht an die PIN seines Bankkontos denken – denn für den Mentalisten ist es ein Leichtes, solche und andere Dinge zu erraten. Der Berliner ist seit seiner Kindheit fasziniert von der menschlichen Psyche: Mit zwölf Jahren hypnotisierte er seinen eigenen Bruder, sodass dieser kurzzeitig in Ohnmacht fiel. Damit ebnete Krause den Weg für eine beachtliche Karriere als Mentalist.
Der 30-Jährige verblüfft als Bühnenkünstler Menschen auf der ganzen Welt, indem er Dinge von ihnen erfährt, die sie vorher nie gesagt haben. Mimik und Gestik verraten ihm einiges, aber auch Statistiken helfen ihm, Rückschlüsse auf die Menschen zu ziehen.
t-online: Herr Krause, ist es für Sie ein Kompliment, als "Gedankenleser" bezeichnet zu werden?
Timon Krause: Irgendwie schon. Das würde ja bedeuten, dass ich meine Kunst so gut umsetze, dass Menschen glauben, ich könnte Gedanken lesen – was ich aber natürlich nicht wirklich kann.
Sie können zwar keine Gedanken lesen, aber Menschen durchschauen. Machen Sie damit Ihren Gesprächspartnern Angst?
Ja, das spüre ich oft. Aber meistens verfliegt die Angst vor mir in den ersten fünf Minuten, nachdem ich mich zweimal gestoßen, einmal mit Kaffee bekleckert und dreimal versprochen habe. Aber im Ernst: Ich muss das Menschenlesen auf der Bühne anschalten, nicht im Alltag abschalten. Ich durchleuchte also nicht dauernd Menschen.
Warum reagieren Menschen so verunsichert, wenn es um die eigene Psyche geht?
Vermutlich, weil unser Kopf die intimste Zone ist: Niemand außer uns schaut da für gewöhnlich rein. Auch ich weiß, dass ich meinen Verstand definitiv nicht hundertprozentig unter Kontrolle habe. Aber das wäre ja auch langweilig. (lacht)
Warum beschäftigen Sie sich so gerne mit der Psyche anderer Menschen?
Mit zwölf Jahren habe ich eine Hypnoseshow gesehen und danach selbst Hypnose ausprobiert. Das funktionierte so gut und zuverlässig, dass ich dachte: Offenbar sind sich alle Menschen, unabhängig von Herkunft, Alter, Ethnie oder Geschlecht, in ihren inneren Mechanismen ähnlicher, als man erwarten würde.
Bis heute erstaunt mich der menschliche Geist immer wieder aufs Neue. Die größte Faszination übt jedoch nach wie vor meine erste Liebe auf mich aus: Hypnose. Ob im therapeutischen Kontext oder auf der Bühne, es überrascht mich immer wieder, wozu wir Menschen fähig sind.
Auch ich habe meinen Verstand definitiv nicht hundertprozentig unter Kontrolle. Das wäre ja auch langweilig.
Timon Krause
Welchen Weg sind Sie gegangen, um als Mentalist arbeiten zu können?
Soweit ich weiß, gibt es keine offizielle Ausbildung zum Mentalisten. Mit 16 Jahren hatte ich eine Art Mentor in Neuseeland, aber das war es dann auch schon mit dem strukturierten Lernen. Nach der Schule habe ich neben meinem Philosophiestudium eine Theaterschule absolviert, um neben den psychologischen Mitteln auch die Bühnenkunst zu erlernen. Es war ein langer Weg, aber wie bei jeder Kunstform ist der Schlüssel: üben, üben, üben.
Jetzt tauschen Sie die Bühne gegen einen Podcast. Welchen Mehrwert bietet "Mind Date" den Hörern?
Meine Podcast-Partnerin Hannah Reiss und ich wollen den Menschen zeigen, wie wahnsinnig interessant unser Geist ist und welches Potenzial in ihm schlummert. Das machen wir immer mit einem nachweislich funktionierenden und alltagstauglichen "Mind Hack" – also kleinen psychologischen Tricks, die das Leben ein bisschen leichter machen. Dabei geht es um Dinge wie mit dem Rauchen aufzuhören, eine Gehaltserhöhung zu bekommen, an der Bar als Erster bedient zu werden oder zu erkennen, ob jemand romantisches Interesse an einem hat. Viele Menschen integrieren Podcasts ohnehin in ihren Alltag – die Schnittstelle ist also gegeben.
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Die Episoden sind jeweils nur etwa 20 Minuten lang. Steckt dahinter eine Absicht?
Zum einen wollen wir uns mit dem zweimal wöchentlich erscheinenden Kurzformat etwas von der Masse abheben, zum anderen braucht es einfach nicht mehr, um die psychologischen Tricks inklusive wissenschaftlichem Hintergrund zu erklären. Es wäre für unsere Ziele niemandem geholfen, wenn wir die Zeit dann einfach so noch vollquatschen würden.
Hypnose für Anfänger
In der "Mind Date"-Folge "So hypnotisierst du deine Freunde" erzählt Timon Krause von einem klassischen Hypnosetest, bei dem der Hypnotiseur seinem Klienten suggeriert, dass seine beiden Zeigefinger magnetisch sind und sich ohne sein bewusstes Zutun von selbst aufeinander zubewegen. Dieses Phänomen ist ein Beispiel für eine unbewusste körperliche Reaktion auf Gedanken und Suggestionen. Dieser Test wird häufig als Einführung in die Hypnose verwendet, um die Möglichkeiten der Hypnose zu demonstrieren.
Psyche und mentale Selbstfürsorge sind Themen, mit denen sich heute viele Menschen beschäftigen. Gleichzeitig verdienen selbst ernannte Coaches in sozialen Netzwerken Geld mit unglücklichen Menschen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Je komplexer die Welt wird, desto mehr suchen wir nach Vereinfachungen. Manche Coaches machen sich das zunutze und versprechen einfache, schnelle Lösungen. Diese sind meist weder evidenzbasiert noch effektiv. Die Gefahr besteht in Geld- und Zeitverschwendung und manchmal auch in psychologischer Abhängigkeit.
Aber grundsätzlich finde ich es gut, dass die Leute sensibler werden, was den Umgang mit ihrer Psyche angeht. Es gibt natürlich auch Coaches, die einem wirklich helfen können. Einer hat mein Leben nachhaltig zum Positiven verändert. Er hat unsere Arbeit von sich aus beendet, nachdem wir meine Themen durchgegangen sind – ein gutes Zeichen!
Wir wollen den Menschen zeigen, wie wahnsinnig interessant unser Geist ist und welches Potenzial in ihm schlummert.
Timon Krause
Sehen Sie einen höheren Sinn in Ihrer Arbeit, etwa dass wir eine bessere Gesellschaft wären, wenn wir uns mehr mit Psychologie beschäftigen würden?
Wenn wir uns mit dem menschlichen Geist beschäftigen, führt das sowohl zu einem besseren Selbstverständnis als auch zu mehr Empathie für unsere Mitmenschen. Da die Empathie über die letzten Jahre nachweislich abgefallen ist, würde ich behaupten, dass mehr davon in unserer misslichen Lage durchaus hilfreich wäre. Es ist sehr schwer, jemanden persönlich zu hassen, wenn ich seine Motive und psychischen Mechanismen nachvollziehen kann – auch wenn ich nicht mit ihm übereinstimme.
Vielen Dank für das Gespräch.
"Mind Date" seit 15. Oktober 2024 dienstags und donnerstags überall, wo es Podcasts gibt.
- Interview mit Timon Krause