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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Kaufhaussterben in Berlin Nach Karstadt-Aus: "Der Leopoldplatz ist tot"
Was macht es mit einer Gegend, wenn ein großes Kaufhaus schließt? Ein Besuch am Ex-Karstadt-Standort am Leopoldplatz in Berlin-Wedding.
Wie ein unverrückbarer Metallklotz liegt es da, das grauschwarze Gebäude mit den wenigen Fenstern. Die großen "KARSTADT"-Lettern, die noch am Gebäude prangen, sind von fast überall am Leopoldplatz gut zu sehen. Sie erinnern an eine andere Zeit, denn seit Ende Januar steht das Gebäude leer. Wie viele andere Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen in Deutschland musste auch die in Berlin-Wedding schließen. Was macht das mit einer Gegend, wenn nach Jahrzehnten der Konsumtempel wegfällt?
Ganz leer ist das Gebäude doch nicht. "Currywurst am Leo" im Erdgeschoss ist noch da. Viel zu tun hat Besitzer Beyaztepe Medeni aktuell aber nicht. Was sich verändert hat, seit Karstadt zu ist? "Der Leopoldplatz ist tot", sagt er und seufzt. 70 Prozent der Kunden seien wegen Karstadt gekommen. "Die Leute kamen aus der ganzen Stadt. Jetzt nicht mehr."
Weitere Galeria-Kaufhäuser werden schließen
Als Medeni den Laden 2023 übernahm, war schon klar, dass Karstadt schließt. Er wollte die Chance trotzdem ergreifen, im Bewusstsein, dass es hart werden würde. Er hofft auf die Zeit, in der in dem Gebäude wieder neue Läden eröffnen, neues Leben am Leopoldplatz erwacht. Das wird noch Jahre dauern. Ob er so lang durchhalten kann? "Ich hoffe. Schreiben Sie, dass es sehr lecker ist bei mir", sagt er und lacht.
Ähnliche Probleme könnten bald erneut auf Ladenbesitzer in ganz Deutschland zukommen. Die insolvente Unternehmensgruppe Galeria Karstadt Kaufhof wurde kürzlich von neuen Investoren übernommen. Von den aktuell noch 92 Standorten sollen zunächst nur etwa 70 weitergeführt werden. Wie es mit den acht verbliebenen Berliner Galeria-Filialen weitergehen soll, ist noch unklar. Mehr dazu lesen Sie hier.
Mitten auf dem Leopoldplatz liegt das "Café Leo", eine kleine, gläserne Hütte. Mitarbeiterin Karolina findet es persönlich schade, dass Karstadt zugemacht hat. Auffällig leerer sei es im Café allerdings ihrem Gefühl nach nicht geworden. Es sei in der Gegend immer noch genug los, sodass auch Laufkundschaft komme.
Vor dem Café sitzt Stammkundin Regina Plettenberg, trinkt Kaffee und löst Wörterrätsel. Obwohl die Rentnerin in Treptow lebt, kommt sie jeden Tag hierher. Sie mag die Gegend und der Filterkaffee kostet nur 1,20 Euro. "Es ist sehr schade, dass es jetzt nicht mehr diesen einen Ort gibt, wo man alles kriegt", sagt sie. Man merke, dass weniger los sei. Wer etwas brauche, würde jetzt halt woanders hinfahren. "Aber an der Ecke hat ein neuer Dönerladen aufgemacht, da war tagelang Schlange."
"Es war Zeit für etwas Neues"
Schräg gegenüber vom Karstadtklotz liegt seit fast 30 Jahren das türkische Restaurant "Pamfilya". Besitzer Fikri Arslan kennt die Gegend gut. Wie groß die Auswirkungen der Karstadt-Schließung auf sein Restaurant sind, kann er nach den wenigen Monaten noch nicht genau sagen. Er schätzt aber, dass etwa 5 bis 10 Prozent seiner Kunden wegen des Kaufhauses in die Gegend kamen. Er sieht die Gegend schon länger auf dem absteigenden Ast. "Seit etwa zwei Jahren wird es immer schlimmer. Der Ton ist rauer geworden." Der Leopoldplatz habe ein Drogenproblem, das immer sichtbarer werde. Was genau man dagegen tun könne, darauf habe er auch noch keine Antwort.
Arslan sieht im Karstadt-Aus aber auch eine Chance für die Gegend. "Es war Zeit für etwas Neues", sagt er. Er habe die Pläne für das Gebäude gesehen. Läden, Büros, Wohnungen und Cafés sollen reinkommen. Ende 2027 soll das Haus wieder eröffnet werden. Ob das Gebäude wieder den alten Flair zurückbekommen werde, der es ausgemacht habe? "Aber dass der Leopoldplatz wieder so lebendig werden kann, wie er mal war, glaube ich schon", sagt Gastronom Arslan.
- Reporter vor Ort