Straßennamen in Berlin Umbenannt wegen Kolonialismus und NS-Bezug

In Berlin tragen immer mehr Straßen neue Namen – aus gutem Grund: Häufig stehen die bisherigen Namensgeber wegen kolonialer oder nationalsozialistischer Verstrickungen in der Kritik. Doch der Prozess ist langwierig.
In den vergangenen sechs Jahren sind in Berlin mindestens 16 Straßen und Plätze umbenannt worden. Häufigster Grund: Namensgeber mit kolonialer, rassistischer, antisemitischer oder nationalsozialistischer Vergangenheit. Das ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur unter den Berliner Bezirksämtern.
Besonders aktiv waren die Bezirke Mitte, Neukölln und Charlottenburg-Wilmersdorf. Andere Umbenennungen dienten der Ehrung verdienter Persönlichkeiten oder der Beseitigung von Namensdopplungen.
Kritik an Kolonialvergangenheit
In Neukölln wurde 2021 aus der Wissmannstraße die Lucy-Lameck-Straße. Die Petersallee in Mitte wurde 2019 in zwei Abschnitte unterteilt: Anna-Mungunda-Allee und Maji-Maji-Allee. Weitere Umbenennungen betrafen unter anderem die Lüderitzstraße (heute: Cornelius-Fredericks-Straße) und den Nachtigalplatz (heute: Manga-Bell-Platz).
Diese Entscheidungen fielen nach Debatten über historische Persönlichkeiten wie Hermann von Wissmann oder August Lüderitz, die als Akteure im deutschen Kolonialreich tätig waren.
Neue Namen für neue Werte
Andere Straßen erhielten neue Namen, um verdiente Persönlichkeiten zu würdigen. Der Heinrichplatz in Friedrichshain-Kreuzberg heißt seit 2022 Rio-Reiser-Platz. 2023 wurde ein Teil der Manteuffelstraße zur Audre-Lorde-Straße. Auch zwei getötete Polizisten wurden in Neukölln mit Straßennamen geehrt.
In Tempelhof-Schöneberg wurde der Kaiser-Wilhelm-Platz nach dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker benannt.
Streit um Mohrenstraße
Besonders umstritten ist die geplante Umbenennung der Mohrenstraße in Berlin-Mitte. Der neue Name soll Anton-Wilhelm-Amo-Straße lauten. Doch Klagen von Anwohnern verzögern das Verfahren seit Jahren – eine Entscheidung steht weiterhin aus.
Weitere Umbenennungen sind beschlossen oder in Planung. So soll in Steglitz-Zehlendorf die Treitschkestraße zur Betty-Katz-Straße werden. In Pankow ist geplant, die Beuthstraße in Elizabeth-Shaw-Straße umzubenennen. In Mitte könnte aus dem Nettelbeckplatz der Martha-Ndumbe-Platz werden.
"Umbenennungen von Straßen sind nur in Ausnahmefällen zulässig", erklärt Saskia Ellenbeck, Bezirksstadträtin in Tempelhof-Schöneberg. Gründe seien etwa Mehrfachbenennungen oder historisch negativ belastete Namensgeber.
Bürokratischer Aufwand für Anwohner
Für Anwohnerinnen und Anwohner sind Umbenennungen mit Aufwand verbunden. Während die Änderung im Personalausweis meist kostenlos erfolgt, kostet die Adressänderung im Fahrzeugschein rund elf Euro. Hinzu kommt die Mitteilung der neuen Adresse an Banken, Versicherungen und Dienstleister.
"Es ist wichtig, dass der Beschluss von einer politischen Mehrheit getragen wird, um eine hohe Akzeptanz zu erreichen", betont Urban Ayka, Bezirksstadtrat in Steglitz-Zehlendorf. Der Weg zum neuen Straßennamen bleibt damit oft lang – und politisch umkämpft.
- Nachrichtenagentur dpa