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Magnetschwebebahn in Berlin: Spott von Experten und Bürgern


"Aus der Zeit gefallen und einfach sinnlos"
CDU will Magnetschwebebahn – und erntet beißenden Spott

Von t-online, mtt

Aktualisiert am 21.11.2023Lesedauer: 4 Min.
In Berlin gab es schon einmal eine Magnetbahn (Archivbild): Das Projekt zwischen den Bahnhöfen Gleisdreieck und Kemperplatz wurde damals eingestellt.Vergrößern des BildesIn Berlin gab es schon einmal eine Magnetbahn (Archivbild): Das Projekt zwischen den Bahnhöfen Gleisdreieck und Kemperplatz wurde vor mehr als 30 Jahren eingestellt. (Quelle: Settnik/dpa)
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Der Berliner CDU schwebt ein neues Großprojekt für die Hauptstadt vor. Die Idee soll wohl frisch und modern klingen, aber Fachleute wundern sich.

Es ist ein altes Wunschprojekt der Hauptstadt-CDU: Schon 2020 präsentierte Kai Wegner, CDU-Landeschef und heute Regierender Bürgermeister, die Vision einer Magnetschwebebahn in Berlin. So könne beispielsweise der Flughafen BER besser an die Stadt angebunden werden, glaubte er.

Jetzt könnten diese Pläne konkret werden. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner behauptet, das Projekt sei einfach und vor allem kostengünstig zu realisieren, eine Pilotstrecke könne innerhalb von zwei Jahren für 80 bis 85 Millionen Euro aufgebaut, das Geld von Klimaschutzprojekten abgezwackt werden. "Wir müssen als Metropole so etwas mal probieren", fand Stettner und erntete dafür Zustimmung von Berlins Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU), die die Idee "eine sinnvolle Ergänzung" für das Berliner Verkehrsnetz nannte.

"Spaßpartei" CDU: Magnetschwebebahn nur ein Phantasieprojekt

Aber außerhalb der CDU ist der Gegenwind enorm, der Spott der Bürger beißend. Von der "Wuppertalisierung Berlins" ist schon die Rede, es wird an das in Deutschland nach jahrzehntelanger staatlicher Förderung eingestampfte "Erfolgsprojekt Transrapid" erinnert. Der Berliner Landesverband im Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) schrieb, die Klimakrise sei zu ernst, um mit ihr "nach Art einer Spaßpartei umzugehen". Die Magnetschwebebahn sei bloß ein "Phantasieprojekt aus Beton". Es verhöhne alle Menschen, "die ernsthaft den Klimaschutz schnell voranbringen wollen".

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Wieso die CDU-Pläne so vehementes Kopfschütteln auslösen, wird deutlich, wenn man Fachleute zu der Idee von der Magnetbahn anhört. Ihre Kritik ist breit gefächert. "Ich wundere mich sehr", fasst Markus Hecht, Professor an der Technischen Universität (TU) Berlin und Leiter des Fachgebiets Schienenfahrzeuge am Institut für Land- und Seeverkehr, sein Fazit zusammen.

Teuer, gefährlich, ineffizient: TU-Professor über Magnetbahn

Eine Schwebebahn zu bauen sei, anders als von der CDU behauptet, überhaupt nicht günstig. Zwar sei natürlich eine oberirdische Trasse kostensparender als eine unterirdisch verlaufende Bahn, aber da würden Äpfel mit Birnen verglichen: "Genauso gut und wesentlich billiger könnte man auch eine ganz normale Bahnstrecke aufständern."

Zudem berge die Zulassung eines völlig neuen Konzepts für eine Magnetschwebebahn in Berlin unkalkulierbare zeitliche und finanzielle Risiken. "Nehmen Sie nur die Fluchtwege", sagte Hecht laut einem von der Uni verbreiteten Papier. Er kenne keine Magnetschwebebahn, die momentan ein in dieser Hinsicht überzeugendes Sicherheitskonzept integriert habe. Solche Fragen seien aber für eine Zulassung in vertretbarer Zeit essenziell.

Und dann sei auch noch die Energieeffizienz von Magnetbahnen "sehr schlecht". Dies liege an Unebenheiten der Fahrstrecke, weswegen der Abstand zwischen Führungsschiene und Zug bei der Magnetbahn mindestens einen Zentimeter betragen müsse. Der Abstand zwischen Anker und Magnetspule in einem Elektromotor betrage hingegen nur einige Zehntel Millimeter, die Magnetbahn habe daher einen wesentlich schlechteren Wirkungsgrad.

Experte zu Berliner Plänen: "Aus der Zeit gefallen und sinnlos"

Harsche Worte kamen auch von dem Verkehrsforscher Andreas Knie. "Magnetschwebebahnen sind Hochleistungs-Massenverkehre, die sehr viele Menschen zur gleichen Zeit von A nach B bringen", sagte der Leiter der Forschungsgruppe Digitale Mobilität am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung der Nachrichtenagentur dpa. "Das wäre eine gute Idee für das Berlin in den 20er, 30er oder 40er Jahre gewesen, aber nicht für das heutige Berlin."

Die Stadt sei vielfältiger, kleinteiliger geworden. Die vorhandenen Massenverkehrsmittel – U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahn – reichten dafür völlig aus, betonte Knie. "Die Idee, jetzt einen ganz neuen Verkehrsträger zu bauen in einer hochverdichteten, hochversiegelten Stadt, ist aus der Zeit gefallen und einfach sinnlos." Magnetschwebebahnen einzusetzen, sei nur bei Entfernungen von mehreren hundert Kilometern clever. "Da ist Deutschland der falsche Ort für."

Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Regierungsfraktion mit dem Vorschlag von den wirklich wichtigen Problemen der Berliner Verkehrspolitik ablenken wolle – allen voran vom Konflikt rund um die Aufteilung des öffentlichen Straßenraums.

Kritik auch aus der SPD: "Das macht mich schon wieder sauer"

Besonders unangenehm für die CDU: Aus der mitregierenden SPD kommt ebenfalls Unverständnis, obwohl es doch angeblich bereits eine Verständigung mit dem Koalitionspartner gegeben hatte. Davon will aber zumindest der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, nichts wissen: "Das macht mich schon wieder sauer", sagte er dem "Neuen Deutschland". "Mir ist nicht bekannt, dass da jemand drüber gesprochen hat."

Auch inhaltlich wandte sich Schopf gegen die Idee der Schwebebahn: "Ich habe nichts gegen neue Ideen. Aber in Zeiten, in denen wir knapp bei Kasse sind, sollten wir die 85 Millionen lieber in die Schieneninfrastruktur und autonomes Fahren investieren."

Berliner M-Bahn und Transrapid: Projekte aus der Vergangenheit

In Berlin gab es übrigens schon einmal eine Magnetbahn. Die sogenannte M-Bahn führte in den 80er Jahren vom Gleisdreieck in Berlin-Kreuzberg über den Landwehrkanal und die Station Bernburger Straße bis zum Kemperplatz in der Nähe des Potsdamer Platzes. 1984 als Versuch gestartet, verkehrte sie von 1989 bis 1991 im Regelbetrieb. Nach der Wende beendete das Land das Projekt schnell und setzte stattdessen auf den Ausbau des U-Bahnnetzes.

Das in Deutschland bekannteste Magnetbahn-System ist der hierzulande von Siemens und Thyssenkrupp entwickelte Transrapid. Im Einsatz ist er in Deutschland allerdings nirgendwo. Das liegt zu einem Teil auch an der tragischen Geschichte: Im Jahr 2006 verunglückte ein Transrapid auf einer Versuchsstrecke im Emsland. Mit rund 170 Stundenkilometern und mehr als 30 Fahrgästen an Bord raste der Zug auf ein Wartungsfahrzeug. 23 Menschen starben.

Verwendete Quellen
  • Mitteilung des Berliner Landesverbandes im Bund für Umwelt und Naturschutz
  • tu.berlin: TU-Professor Prof. Dr.-Ing. Markus Hecht zur Verständigung der schwarz-roten Koalition auf eine Magnetschwebebahn in Berlin
  • nd-aktuell.de: "Völlig losgelöst: Magnetschwebebahn für Berlin"
  • rbb-online.de: "Berlin soll Magnetschwebebahn bekommen", Interview mit CDU-Fraktionschef Stettner
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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