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Till Lindemann in Fetisch-Cub "Kitkat": Auch "alte weiße Männer" haben Rechte


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Lindemann-Verbot für Szeneclub?
Auch "alte weiße Männer" haben Rechte


Aktualisiert am 22.07.2023Lesedauer: 1 Min.
Till Lindemann: Der Sänger steht im Kreuzfeuer der Kritik.Vergrößern des Bildes
Rammstein-Star Till Lindemann (Archivfoto): Wo darf der umstrittene Sänger rein? (Quelle: Vyacheslav Prokofyev/imago-images-bilder)
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Mehrere Künstler fordern einen Boykott des Berliner Szeneclubs Kitkat, weil dieser Rammstein-Star Lindemann hineinließ. Ist dieser Aufruf gerechtfertigt? Eine Debatte.

Nach dem Rammstein-Konzert am Sonntagabend in Berlin ging Till Lindemann noch im Fetischclub Kitkat feiern. Daran entzündete sich im Nachgang Kritik. Auf Instagram wird von einigen Künstlern nun der Boykott des deutschlandweit renommierten Clubs an der Köpenicker Straße gefordert. Der Tenor ist in etwa: Wer Till Lindemann, dem von mehreren Frauen vorgeworfen wird, junge Fans für Sex rekrutiert zu haben, in seinen Laden lässt, spuckt den mutmaßlichen Opfern des Rammstein-Stars ins Gesicht. Der einst sichere Ort, an dem Berliner und Touristen auch mal der freien Liebe frönen, sei jetzt eine gefährliche Location.

Die DJane, die am Sonntagabend im Kitkat Musik auflegte, sagte: Es gebe "zig Aussagen von Frauen, gegen die nur eine einzige steht: die des mutmaßlichen Täters". Mehrere Medien berichteten darüber, dass der Kitkat-Club sich zurückhaltend äußerte und als Antwort auf die Kritik darauf verwies, dass nichts bewiesen sei und man "niemanden vorverurteilen" wolle.

Unter anderem in sozialen Medien streiten sich jetzt Menschen darüber, ob hier berechtigte Kritik geübt wird oder einmal mehr die sogenannte "Cancel Culture" über die Stränge schlägt. Die Frage ist:

Sind die Vorwürfe gegen den Kitkat-Club berechtigt?

Kontra
Philip Buchen
Philip BuchenChef vom Dienst für Regionales

Nein, so sind die Regeln nun einmal

Hier bemüht sich eine Community, einen Künstler nach bestem Wissen und Gewissen aus der Öffentlichkeit zu canceln – und verkennt dabei auf abstruse Art geltende Regeln und Gesetze.

Beginnen wir mal grundsätzlich: Jeder Clubbetreiber hat ein Hausrecht. Er darf sich ganz frei aussuchen, wer bei ihm rein darf – und wer nicht. Der Promi-Bonus hilft an den harten Türen der coolsten Clubs der Hauptstadt nur bedingt. Angeblich scheiterte auch schon mit Elon Musk einer der reichsten Menschen der Welt an der Berghain-Tür. Also: Der Türsteher ist König.

Die Türsteher entscheiden darüber, wer zu dem im Club feiernden Partyvolk passt – und wer nicht. Das mag man als unfair empfinden oder auch als oberflächlich, ist aber eines der "Gesetze" der Clubszene. Das Partyvolk selbst, oder eben auch die DJs, entscheiden nicht darüber, wer mit ihnen feiern darf.

Bewiesen sind die Vorwürfe gegen Till Lindemann nicht. Er und seine Anwälte streiten sie ab. Es gilt für ihn weiterhin die Unschuldsvermutung. Und auch ein "alter weißer Mann" (noch so eine DJane-Äußerung) hat Rechte: Er kann sich frei bewegen und in jeden Club gehen, in den er möchte.

Auch ein verurteilter Straftäter dürfte ins verruchte Kitkat – wenn ihn der Türsteher denn hereinlässt. Ärgern darf man sich natürlich darüber, wer da so neben einem auf der Tanzfläche steht. Aber pauschale Hausverbote für unliebsame Prominente zu fordern, das geht zu weit.

Im Übrigen: Dass das Kitkat nun boykottiert werden soll, weil es von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht hat, ist eine Forderung, die der Aufklärung des Rammstein-Skandals nicht hilft. Stattdessen vertieft sie nur weiter den Graben zwischen den Unterstützern der zahlreichen Frauen, die Vorwürfe gegen Lindemann erhoben haben, und den verbliebenen Rammstein-Fans, die trotz der schwer lastenden Beweislage weiter zu ihrem Idol stehen.

Die abstruse Forderung eines Boykotts des Kitkats gibt den Lindemann-Fans und auch dem Sänger selbst nur eine Bestätigung, sich als Opfer einer Kampagne zu sehen – und die eigentlich im Raum stehenden Vorwürfe wegzuschweigen.

Pro
Io Kassandra GörzStellv. Redaktionsleiterin Regionalredaktion

Ja, denn unsensibler geht es kaum

Kaum ein Vorwurf wird heute schneller vorgebracht als jener der "Cancel Culture". Wie üblich, ist der Vorwurf auch in diesem Fall recht hoch gegriffen: Es geht bei der Kritik an der Einlasspolitik des Kitkat-Clubs weniger darum, vorzuschreiben, wer hineindarf und wer nicht. Vielmehr muss es Besuchern eines sexpositiven Clubs möglich sein, frei entscheiden zu können.

Die Aussage der DJane Vaiana, die am Sonntag im Kitkat auflegte, spricht dahingehend Bände: Hätte sie vom Besuch Lindemanns erfahren, hätte sie sich nach eigener Aussage "natürlich laut gemacht". Für sie war der Fall ein "absolutes No-Go".

Natürlich kann der Club nicht alle Besucher und Angestellten über jeden informieren, der zur Tür hereingelassen wird, aber Till Lindemann ist nicht "jeder". Vielmehr steht er gegenwärtig im Fokus einer Debatte um Machtmissbrauch und sexuelle Ausbeutung. Dabei geht es nicht einmal um die konkreten Vorwürfe gegen einzelne Personen und wie viel juristisch nachgewiesen wurde.

Es geht – darauf weist auch die DJane der Party in der Nacht zu Montag hin – um den Club als "Safe Space". In einem Club, in dem ausgelassen getanzt wird und Menschen sehr freizügig unterwegs sind, machen sich eben diese Menschen verwundbar und setzen großes Vertrauen gerade in das Sicherheitspersonal und den Club als Ganzen. Vor allem dann, wenn "Safe Space" kein Wunschdenken der Besucher, sondern der Anspruch des Veranstaltungsorts selbst ist.

Einige Menschen, gerade unter den FLINTA-Besuchern (Frauen, Lesben, intersexuelle, nicht-binäre, trans und agender Personen), stellen sich jetzt natürlich die Frage, wie über das Lindemann-Beispiel hinaus der Einlass künftig geregelt wird. Was hat der Club dabei im Blick: das Wohlwollen einzelner befreundeter Gäste oder das Wohl aller Gäste?

Und ja, auch wenn manch einer mit Verweis auf Gesetze und Regeln genervt die Augen verdreht, es geht um das Gefühl von Sicherheit. Wenn sich also Menschen unwohl fühlen, dann ist dieser Club kein sicherer Ort mehr für sie, und sie haben die Freiheit, dort nicht mehr hinzugehen. Diese Freiheit haben sie aber – und das macht es für sie noch unangenehmer – erst jetzt, mit mehr Wissen. Einige hätten sich wohl im Vorfeld anders entschieden, hätten sie mehr gewusst. Diese Grundlage für ihre Entscheidung hatten sie aber nicht.

Bei der Diskussion um "Safe Spaces" und um Diskriminierung geht es immer auch, und vor allem, um Machtgefälle. Es gibt viele Menschen, die eben nicht im Zweifel eine Hotelsuite buchen können, um dort spontan privat eine frivole Party zu feiern. Andere haben Geld, Verbindungen und Macht, um genau das zu tun. Enthält man Letzteren einen Ort wie eine Party im Kitkat vor, bleibt ihnen noch eine Möglichkeit. Wer diese nicht hat, schaut im Zweifel in die Röhre.

Die Antwort des Kitkat-Clubs, dass es nun mal schwierig sei und man einfach nicht wisse, was stimme und was nicht, ist faktisch wohl richtig. Das Wegducken unter der Debatte und die völlige Ignoranz gegenüber dem Unwohlsein von Besuchern ist an mangelnder Sensibilität kaum zu überbieten. Menschen, die sich unwohl fühlen, lässt man so einfach im Regen stehen und sagt ihnen nicht weniger als: Es ist mir egal, wie es euch geht.

 
 
 
 
 
 
 
Verwendete Quellen
  • Transparenzhinweis: In einer früheren Version des Textes war auch von einem Besuch nicht nur Lindemanns, sondern der Band im Kitkat die Rede. Diese Information stellte sich später als nicht zutreffend heraus.
  • Eigene Meinung
  • Instagram-Profil von DJane Vaiana
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