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Letzte Generation: Polizistin ist Mitglied bei Klimaaktivisten – Widerspruch?


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Beamtin bei der "Letzten Generation"
"Ich bin bei Weitem nicht die einzige Polizistin"


Aktualisiert am 23.06.2023Lesedauer: 5 Min.
Polizistin im Dialog mit Aktivistinnen der "Letzten Generation" (Symbolbild):Vergrößern des Bildes
Polizistin im Dialog mit Aktivistinnen der "Letzten Generation" (Symbolbild): "Mir ist wichtig zu betonen, dass ich Straftaten nicht relativiere", sagt Chiara Malz. (Quelle: IMAGO/Jonas Gehring)
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Für ihre Aktionen werden Mitglieder der "Letzten Generation" immer wieder verurteilt. Eine Polizistin ist trotzdem Mitglied bei der Gruppe. Im Interview erklärt sie, warum.

Chiara Malz ist Polizistin. Und seit einigen Monaten Mitglied der "Letzten Generation". Während der zentralen Proteste in Berlin war sie mehrmals in der Hauptstadt. Blockiert oder demonstriert habe sie selber nicht, sondern Essen gekocht, sagt sie. Warum unterstützt sie eine Gruppe, die bei ihren Aktionen auch Straftaten begeht? Wie sieht sie ihre Rolle bei der "Letzten Generation"? Und was sagen ihre Kollegen dazu?

t-online: Als Polizistin bei der "Letzten Generation", das klingt komisch. Sind Sie verdeckte Ermittlerin?

Chiara Malz: Nein, bin ich nicht (lacht). Ich engagiere mich für einen gesamtgesellschaftlichen Umbruch, damit wir der Klimakatastrophe entgegentreten können.

Was ist Ihre Aufgabe bei der "Letzten Generation"?

Ich koordiniere die Vernetzung mit der Polizei. Wir sehen uns als gesellschaftsübergreifende Bewegung, unabhängig von politischen Richtungen. Innerhalb der "Letzten Generation" bin ich Ansprechpartnerin für Bedürfnisse und Aufgaben der Polizei. Nach außen versuche ich, Polizistinnen und Polizisten zu vermitteln, was die Ziele der "Letzten Generation" sind. Dass die Proteste zwar nerven und Aufmerksamkeit erregen sollen, aber keinesfalls gegen die Polizei gerichtet sind.

Wie gehen Sie konkret vor?

Ich organisiere Dialogformate, zum Beispiel an Polizeihochschulen oder bei Gewerkschaften. Es geht darum, Verständnis herzustellen und Informationen bereitzustellen. Aber es geht auch darum, andere Polizeiangehörige zum Handeln zu motivieren, um sich selbst zu vernetzen, die eigenen Möglichkeiten zu erkennen und sich solidarisch gegen die Klimakatastrophe zu engagieren.

Sie versuchen also auch, andere Polizisten für die "Letzte Generation" zu gewinnen?

Ich versuche, sie unter anderem dafür zu gewinnen, auch bei der Polizeivernetzung mitzumachen. Das klappt auch. Ich bin bei Weitem nicht die einzige Polizistin bei der "Letzten Generation". Bundesweit gibt es Kolleginnen und Kollegen, die auch mitmachen. Das schafft viele Möglichkeiten der gemeinsamen Problemlösung.

Chiara Malz
Chiara Malz (Quelle: privat)

Zur Person

Chiara Malz ist 32 Jahre alt und Polizeihauptkommissarin bei der Bundespolizei in Rostock. Weil sie ein Kind erwartet, ist sie aktuell nicht im Dienst. Seit dem Frühjahr engagiert sie sich bei der "Letzten Generation".

Haben Polizeikräfte Ihrer Erfahrung nach Lust, mit der "Letzten Generation" in den Dialog zu treten?

Wir haben mit der Polizeivernetzung erst vor ein paar Monaten begonnen. Meine Erfahrung ist, dass das Interesse und die Dialogbereitschaft seitens meiner Polizeikolleginnen und -kollegen überraschend hoch sind.


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Die Wissenschaft sagt unmissverständlich, dass wir mehr tun müssen, um die Klimakatastrophe irgendwie noch abzuschwächen.


Chiara Malz


Wie kamen Sie als Polizistin auf die Idee, sich der "Letzten Generation" anzuschließen?

Für mich ist das kein Widerspruch. Ich bin Polizistin geworden, weil ich ein sehr hohes Gerechtigkeitsempfinden habe. In den letzten Jahren habe ich mich schon an verschiedenen Stellen für Klimaschutz engagiert. Ich bin Regionalgruppensprecherin der Cradle to Cradle NGO, engagiere mich bei der Initiative "Plastikfreie Stadt", habe Petitionen unterschrieben und war auf Demonstrationen. Auch dienstlich habe ich versucht, mein Engagement einzubringen. Aber ich habe wie viele andere gemerkt, dass das nicht reicht.

Die Wissenschaft sagt unmissverständlich, dass wir mehr tun müssen, um die Klimakatastrophe irgendwie noch abzuschwächen. Ich habe die "Letzte Generation" schon länger verfolgt und mich über die Hintergründe informiert. Ihr Ansatz einer gesamtgesellschaftlichen Bewegung hat mich überzeugt und ich sehe auch keine Alternative.

Der Unterschied zu anderen Klimaaktivisten ist, dass Mitglieder der Gruppe regelmäßig Straftaten begehen. Wie passt das mit Ihrer Arbeit als Polizistin zusammen? Etliche Aktivisten wurden bereits verurteilt.

Das ist richtig. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich Straftaten nicht relativiere. Die Aktivisten, die sich dafür entscheiden, stehen mit ihrem Gesicht dazu und drücken sich nicht vor den Konsequenzen. Ich habe aber eine andere Rolle in dieser Bewegung. Mobilisierung geht bei uns Hand in Hand mit Kommunikation und Vernetzung.

Finden Sie die Straßenblockaden gut?

Ganz unabhängig davon, ob da jetzt Straftaten begangen werden oder nicht, was ganz letztendlich die Gerichte für den Einzelfall entscheiden und nicht die Polizei: In der Geschichte gab es wichtige Bewegungen, die mit zivilem Widerstand wichtige Dinge für die Demokratie erreicht haben. Manche davon mussten auch Straftaten begehen, ob das die Suffragetten waren oder die Bewegung von Martin Luther King Jr.

Mir ist sehr bewusst, dass einige der Aktionen aktuell ein großes Spannungsfeld erzeugen. Langfristig gesehen glaube ich aber, dass diese Spannungen wichtig sind für die lösungsorientierte Diskussion und für den Erhalt unserer Demokratie, die bei zunehmend eintretenden Konsequenzen der Klimakatastrophe immer mehr in Gefahr geraten wird.

Waren Sie schon mal bei einer Blockade dabei?

Nein. Weder dienstlich noch privat.

Haben Sie darüber nachgedacht, sich als Aktivistin daran zu beteiligen?

Aktuell kommt das aufgrund meiner Schwangerschaft für mich nicht infrage. Ich schätze meine Arbeit als Polizistin sehr und sehe den Wert darin. Insofern würde ich mich nur an rechtlich unstrittigen Protestformen beteiligen.


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Ich will jetzt auf der Seite derjenigen stehen, die handeln.


Chiara Malz


Die Gewerkschaft der Polizei hat in einem "Zeit"-Artikel über Sie gesagt, dass Sie große Probleme bekommen würden, wenn die "Letzte Generation" zu einer kriminellen Vereinigung erklärt werden würde. Haben Sie Angst davor?

Ja, das macht mir Sorgen. Aber die Angst davor, dass die Klimakatastrophe unsere Lebensgrundlagen zerstört, ist größer. Die Leidtragenden bei zunehmenden Konflikten um zum Beispiel Wasser werden auch Polizistinnen und Polizisten sein. Ich will jetzt auf der Seite derjenigen stehen, die handeln. Auch für mein Kind, das bald auf die Welt kommt.

Wegen Ihrer Schwangerschaft sind Sie aktuell nicht im Dienst. Aber theoretisch: Wie wäre es für Sie, bei einer Aktion der "Letzten Generation" Aktivisten von der Straße ziehen zu müssen?

Mein Maßstab als Polizistin ist immer die Rechtmäßigkeit. Der Protest an sich hat seine Berechtigung, dementsprechend wird er durch das Versammlungsrecht auch geschützt. Also würde für mich die Aufgabe darin bestehen, Rechtsgüter miteinander abzuwiegen und meine Maßnahmen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu treffen. Das beobachte ich im Moment oft anders. Auch haben Polizistinnen und Polizisten mit der Pflicht zur Remonstration, also der Einwendung gegen einen möglicherweise rechtswidrigen Befehl, ein wichtiges Werkzeug an der Hand, um ihren Beitrag zur Wahrung des Rechtsstaates zu leisten.

Wie reagieren Ihre direkten Kollegen auf Ihr Engagement für die "Letzte Generation"?

Ich bin ja aktuell nicht im Dienst und habe deshalb nicht so viel Kontakt zu ihnen. Es gibt einige Kolleginnen und Kollegen, die Angst haben, sich über das Thema mit mir zu unterhalten. Weil sie dann das Gefühl haben, da gleich irgendwo mit drin zuhängen. Insgesamt bekomme ich überwiegend positive Rückmeldungen. Ob das anders wäre, wenn ich momentan im Dienst wäre, kann ich nicht einschätzen.

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Haben Sie mit Ihren Vorgesetzten darüber gesprochen?

Nicht persönlich, aber sie wissen davon. Ich habe mein Engagement bei der "Letzten Generation" als Nebentätigkeit im Sinne des Bundesbeamtengesetzes angezeigt.

Wäre diese Nebentätigkeit auch möglich, sobald Sie wieder im Dienst sind?

Ich habe mich mit den Bestimmungen im Bundesbeamtengesetz auseinandergesetzt und sehe nicht, dass etwas dagegenspricht.

Ist die "Letzte Generation" in Ihren Augen eine radikale Bewegung?

Nein. Die "Letzte Generation" handelt friedlich und gewaltfrei. Die Zustände, die mit der fortschreitenden Klimakatastrophe auf uns zukommen, sind in jeder Hinsicht radikal. Jetzt können wir uns noch gemeinsam dagegen einsetzen.

Danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Chiara Malz
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