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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Unterwegs am Herrentag Youtuber bei Undercover-Einsatz der Polizei: Am Ende eskaliert die Lage
Blaulichtfahrten, echte Einsätze: Ein bekannter Youtuber hat ein "Praktikum" bei der Berliner Polizei absolviert. Die Polizei nutzt das zu Werbezwecken.
Der bekannte Youtuber Aaron Troschke, bekannt aus seinem Kanal "Hey Aaron", hat einen Tag eine Zivilstreife der Berliner Polizei begleitet. Der Einsatz fand am Herrentag statt. Das Video hat der Internetstar am Dienstagabend hochgeladen. Er begleitet dabei Ricky und Ronny, zwei Zivilfahnder des Abschnitts 36, zuständig für Treptow-Köpenick.
Nach einer kurzen Vorstellung geht es auch schon in einem schwarzen SUV auf Streife. Die Stimmung zwischen den Beamten und dem für seine freche Art bekannten Youtuber ist von Anfang an gut. Als Aaron einen Witz über Rickys Alter macht, reagiert dieser mit einem flapsigen: "Der hängt nicht an seinem Leben, wa?". Zwar sei Treptow-Köpenick ein an sich ruhiger Bezirk. "Aber sobald es wärmer ist, ist immer Action." Das wird Troschke später noch selbst erfahren.
Der erste Einsatz gleich ist kurios. An einer Badestelle soll es zu einem Angriff mit einer Flasche gekommen sein. Doch vor Ort sind weder Täter noch Opfer zu sehen. Am Telefon reagiert das mutmaßliche Opfer flapsig, will "dass die Polizisten ihren Job machen", ohne jedoch weitere Angaben zum Tathergang zu machen. Die Streife zieht weiter.
"Hey Aaron" bei der Berliner Polizei: Mehrere Blaulichtfahrten
Bei der nächsten Alarmierung kann Troschke sogar mit anfassen, worüber er sich sichtlich freut. Ein rot-weißes Sperrelement steht auf der Straße. Er packt beim Wegräumen mit an. Die nächste Einsatzfahrt mit Blaulicht klingt spektakulär. "Trinkermilieu", häuslicher Streit. Insgesamt rund 20 Beamte kommen, darunter auch Ricky, Ronny und Aaron. Doch auch hier: offenbar Fehlalarm. Kurz darauf lösen die drei mit anderen Beamten eine große, illegale Party in einem Naturschutzgebiet auf, suchen danach eine Gruppe Jugendlicher, die ein Autofenster eingeschlagen haben soll.
Dann wird es doch noch richtig spannend. Eine Schlägerei wird gemeldet, mehrere Personen sollen auf eine Person am Boden einschlagen. Auch hier wieder niemand vor Ort, weder Täter noch Opfer. Die Beamten beschließen, eine nahe Badestelle zu besuchen, um zu schauen, ob es hier Anhaltspunkte gibt. Dann eskaliert die Situation. Vor Ort: Etliche feiernde Jugendliche. Plötzliche Hektik, Geschrei, eine Person rennt weg, wird von Beamten zu Boden gebracht, bald liegt ein zweiter junger Mann daneben. Andere Jugendliche solidarisieren sich mit den am Boden Liegenden, diskutieren mit den Polizisten.
Flasche auf Polizisten geworfen
"Jemand hat, weil er sich cool fühlt, 'ne Flasche in unsere Richtung geschmissen. Dann noch Mittelfinger gezeigt und rumgebrüllt. Mit dem wollten die Polizisten reden, dann ist er weggerannt. Jetzt liegt er da am Boden. Und dann kommen die ganzen Juristen wieder und diskutieren. Und da geht schon der nächste zu Boden, weil er denkt, sich einmischen zu müssen", kommentiert Troschke das Geschehen.
"Es ist immer eine große Überraschung, wenn Menschen Alkohol trinken und dabei ihr Benehmen vergessen, aus der grölenden Menge 'ne Flasche in unsere Richtung werfen", fasst Zivilpolizist Ronny den Vorfall zusammen. "Auf den jungen Mann wartet jetzt [eine Anzeige wegen, Anm. d. Red.] schwerem Landfriedensbruch, sowie tätlichem Angriff mit Beleidigung." Der andere junge Mann soll einen Beamten unentwegt beleidigt haben, bei seiner Festnahme Widerstand geleistet haben. Beide werden auf die Wache gebracht. "Völlig unnötig", so Ronny.
Auf eine Anfrage von t-online gab die Polizei bekannt, dass beide jungen Männer alkoholisiert waren. Es wird wegen Tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Der junge Flaschenwerfer sei 18 Jahre alt, der ihn unterstützende und einen Beamten beleidigende Mann 20.
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Polizei nutzt Video für ihr Recruiting
Das Video, das bis zum Mittwochnachmittag bereits 344.000 Aufrufe hat, wird indes von der Berliner Polizei zu Werbezwecken verwendet. Am Ende des Videos sagt Aaron seinen Zuschauern: "Schreibt gerne alle Fragen an die Berliner Polizei in die Kommentare. Die kommentieren fleißig mit." Und tatsächlich: Der erste Post unter dem Beitrag, sogar von dem Youtuber oben angepinnt, ist von der Berliner Polizei.
"Du willst wissen, wie Aaron den Herrentag verbracht hat? Darauf kommst du nie. Kleiner Tipp… Alkohol und die Polizei Berlin waren im Spiel. Wenn du nun das Video geschaut hast und du denkst, solche Einsätze möchte ich auch machen? Kannst du haben. Bewirb dich jetzt für eine Ausbildung oder ein Studium bei uns. Ein Arbeitsleben voller spannender, interessanter und vielfältiger Tage warten auf dich. Grüße vom Social Media Team der Polizei Berlin" steht dort.
Weitere Videos in Planung
Auf Anfrage von t-online gab die Berliner Polizei bekannt, dass der Youtuber für das Video kein Geld erhalten hatte. Es seien auch keine Kosten für die Berliner Polizei entstanden. Auch sei es – trotz werbendem Post – nicht Teil der Werbekampagne der Berliner Polizei. Trotzdem sei sich die Polizei der Werbemöglichkeit bewusst. "Da Herr Troschke schon 2018 auf YouTube eine große Reichweite hatte und seine Zielgruppe auch potentielle Bewerberinnen und Bewerber sein könnten, wurde der Zusammenarbeit zugestimmt", so die Polizei.
Es gibt bereits mehrere Videos die Troschke mit der Hauptstadtpolizei gedreht hat. Darunter war etwa ein Besuch bei der Polizeiakademie oder die Begleitung einer Hundertschaft. "Die Zusammenarbeit mit Herrn Troschke und auch die Reaktionen auf die Videos waren stets sehr positiv. Es sind weitere Videos mit ihm in Planung", so die Polizei.
Dass für die im Video zu sehenden Zivilfahnder Ricky und Ronny nun berufliche Probleme entstehen könnten, glaubt die Polizeipressestelle nicht. "Selbstverständlich erhöht ein solches reichweitenstarkes Video den Wiedererkennungswert der Beamten, auch im täglichen Einsatz. Es steht nicht zu befürchten, dass dies negative Auswirkungen auf die tägliche Arbeit der Beamten hat. Im Gegenteil: Gerade bei jüngeren Menschen könnte der Bekanntheitsgrad der beiden zu einer erhöhte Akzeptanz führen." Aus früheren Videos seien keine Nachteile der gezeigten Beamten bekannt geworden.
- Youtube: Hey Aaron
- Eigene Recherchen
- Anfrage an die Berliner Polizei