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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Er war der "Pate von Berlin" Von Sozialbetrug bis Ehrenmord – so tickt der Al-Zein-Clan
Sie kamen als Urlauber und wurden zu einem der berüchtigtsten Clans der Republik: Seit Jahren terrorisieren Mitglieder der Familie Al-Zein das Land. Was hat es mit der Großfamilie auf sich?
Seit Jahren halten kriminelle Familienclans Polizei und Staatsanwaltschaften auf Trab. Sie begehen spektakuläre Diebstähle, brutale Raubüberfälle oder betrügen im großen Stil.
Zu den bekanntesten Großfamilien gehört der Al-Zein-Clan. Dessen Mitglieder leben vor allem in Berlin und Nordrhein-Westfalen – nicht wenige sind mehrfach vorbestraft oder sitzen im Gefängnis. Auch bei den aktuellen Clan-Streitigkeiten in Essen und Castrop-Rauxel mischen Mitglieder der Familie mit.
Woher stammt der Clan?
Die Großfamilie Al-Zein teilt sich ihre Herkunftsgeschichte mit anderen kriminellen Clans. Genau wie die Remmos und der Miri-Clan stammen sie ursprünglich aus Südanatolien. Die Al-Zeins gehören historisch zu den sogenannten Mhallami, einer arabischsprachigen Volksgruppe in der Türkei und dem Libanon.
Gegen Ende des 20. Jahrhunderts siedelten sich Mitglieder der Familie in Europa und insbesondere auch in Deutschland an. Mittlerweile sind Angehörige der Al-Zeins in mehreren europäischen Ländern als Intensivtäter auffällig geworden. Neben den deutschen Ermittlern haben vor allem schwedische Polizeibehörden die Clanmitglieder im Visier.
Wer gehört zur Familie?
Mahmoud Al-Zein, der eigentlich Mahmoud Uca heißt, gilt als Familienoberhaupt des Clans. Bevor er sich Anfang 2021 in die Türkei absetzte, ließ er sich auch gerne einmal als "Pate von Berlin" oder "El Presidente" betiteln.
Doch genauso unrühmlich wie seine Flucht vor der Justiz war seine Einreise nach Deutschland. Bereits 1982 kam Uca mit einem Touristenvisum nach West-Berlin und beantragte anschließend Asyl. Obwohl sein Antrag abgelehnt wurde, konnte der Mann nie abgeschoben werden – aufgrund fehlender Dokumente galt er lange Zeit als staatenlos.
Mittlerweile gilt Badia Al-Zein als Chef des deutschen Arms des Clans. "Buddy", wie er sich gerne nennen lässt, ist nicht so harmlos, wie sein Spitzname vermuten lässt. Bereits mehrfach ist er für diverse Delikte angeklagt und verurteilt worden. Während er in einer Leverkusener Villa residierte, kassierte er jahrelang Geld vom Arbeitsamt.
Die Al-Zeins pflegen offenbar enge Beziehungen zum Miri-Clan. So wurden bereits mehrfach Mitglieder der beiden Familien gemeinsam für Überfälle verurteilt.
Welche Verbrechen werden den Al-Zeins zugerechnet?
Der Clan ist mit einer großen Bandbreite krimineller Aktivitäten immer wieder in den Fokus polizeilicher Ermittlungen gerückt. Familienmitglieder wurden bislang vor allem aufgrund von Morden, Diebstahl, Geldwäsche, Erpressung, Betrug sowie Drogenhandel verurteilt.
Zu den spektakulärsten Straftaten gehört der Überfall auf das Berliner Kadewe im Dezember 2014. Dort erbeuteten fünf Täter unter anderem Schmuck im Wert von mehr als 800.000 Euro. Jehad Al-Zein wurde dabei als Haupttäter zu sechs Jahren und acht Monaten Haft verurteilt.
Die Al-Zeins kamen aber auch mit anderen Straftaten an Geld. Im Dezember 2022 verurteilte das Landgericht Düsseldorf den deutschen Clanchef Badia Al-Zein wegen einer Geiselnahme und bandenmäßigen Sozialbetrugs zu sechs Jahren Haft. Insgesamt 462.000 Euro hatte sich der Mann für seine Familie zu Unrecht vom Jobcenter auszahlen lassen.
Wie gefährlich ist der Al-Zein-Clan?
Von Körperverletzung bis hin zu angeblichen Auftragsmorden – die Liste der Vorwürfe gegen die Familie ist lang. Bei einer Razzia im Juni 2021 ging das SEK der Polizei in NRW mit Panzern und Sprengsätzen gegen die kriminelle Großfamilie vor. Spätestens dabei wurde klar: Bei dem Clan ist höchste Vorsicht geboten.
Die Al-Zeins sollen zudem eine streng nach der Scharia ausgerichtete Paralleljustiz praktizieren. Ein Familienangehöriger bestätigte dem RBB in einem 2018 erschienenen Beitrag, als islamischer Friedensrichter zu fungieren, als sogenannter Kadi. Selbst Morde kläre man über die familieninterne Paralleljustiz, berichtete der Mann.
Auch der sogenannte Familienrat soll bei den Al-Zeins über Leben und Tod entscheiden. So habe eben jener Rat im Jahr 2008 etwa den "Ehrenmord" an Iptehal Al-Zain beschlossen. Nach Auffassung des Landgerichts Hagen habe die damals 20-Jährige einen für das Verständnis der Familie zu freien Lebensstil gehabt. Für den Mord aus niederen Beweggründen wurde ihr Cousin Ezzedin zu einer mehrjährigen Haftstrafe, ihr Onkel Hussain sogar lebenslänglich verurteilt.
Die Al-Zeins gelten als eine der einflussreichsten Großfamilien in Deutschland. Die Schätzungen über die Zahl ihrer Mitglieder gehen weit auseinander – zwischen 3.000 und 5.000 Angehörige werden dem Clan zugerechnet.
- Tagesspiegel: "Auftragskiller, Schlägereien, KaDeWe-Überfall: Das ist der Al-Zein-Clan"
- Focus: "Clan-Friedensrichter behauptet: Selbst Morde klären wir in zwei Wochen"
- Welt: "Geiselnahme und Sozialbetrug – Sechs Jahre Haft für Al-Zein-Clan-Chef"
- Focus: "Clan entgeht mit einer perfiden Taktik immer wieder der gerechten Strafe"
- n-tv: "Al-Zein-Clanchef verurteilt - Villa beschlagnahmt"