Aachen: Verschwörungstheoretikerin arbeitet für BSW

Wie streng ist die parteiinterne Überprüfung?

Verschwörungstheoretikerin arbeitet für das BSW

Um zu verhindern, dass fragwürdiges Personal in die junge Partei aufgenommen wird, verordnete Wagenknecht eine restriktive Aufnahmepraxis. Doch in Aachen arbeitet eine Frau mit zweifelhaften Weltanschauungen für das BSW-Büro.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) verkauft sich als Partei der harten Türpolitik. Intensiv sollen angehende Mitglieder laut Parteispitze überprüft werden, um zu vermeiden, dass Menschen mit fragwürdigen politischen Ansichten beitreten. Für Mitarbeiter der Partei scheint die strenge Regelung allerdings nicht zu gelten.

Das zeigt ein Beispiel aus dem Umfeld des Abgeordneten Andrej Hunko, einer der führenden Köpfe des BSW, der bei der kommenden Bundestagswahl auf Landeslistenplatz 5 für die Partei antritt. In seinem Aachener Wahlkreisbüro beschäftigt er drei Mitarbeiter. Eine von ihnen ist die 38-jährige Mona Aranea, eine ehemalige Grünen-Politikerin, die sich während der Corona-Pandemie radikalisiert hat.

Ihre politischen Aktivitäten verlagerten sich innerhalb kurzer Zeit aus dem Rathaus auf die Straße, wo sie zwischen Corona-Leugnern, "Querdenkern" und "Reichsbürgern" stand und der Regierung mit vorgehaltenem Mikrofon Kindesmisshandlung vorwarf. Und sie verlagerten sich auf die Plattform Telegram, auf der sie sich mit Verschwörungstheoretikern wie Boris Reitschuster vernetzte, den Holocaust relativierende Aussagen verbreitete und SS-Vergleiche andeutete.

Wie kam es zur Radikalisierung der ehemaligen Grünen-Politikerin?

Aranea wurde 1986 als Mona Meurer in Mönchengladbach geboren. Schon in der Grundschule engagierte sie sich politisch. Sie sammelte Unterschriften gegen den Walfang und die Abholzung des Regenwaldes. Als Teenager gründete sie eine Greenpeace-Gruppe und trat der Grünen Jugend bei. "Ich wollte Gutes tun", schreibt sie in einem Beitrag auf dem Blog der umstrittenen trans-kritischen Grünen-Politikerin Eva Engelken.

Deswegen begann sie, Demonstrationen zu organisieren: Demonstrationen etwa gegen den Irakkrieg und die Gründung der rechtsextremen Partei ProNRW. Über sich und ihre damaligen Mitstreiter schreibt sie: "Wir waren die Guten. (...) Wir waren die Anständigen." Und die "Guten" hatten "Gegner": Zu denen gehörten ihr zufolge damals etwa die Welthandelsorganisation (WHO) und Anhänger des "neoliberalen Washington-Konsens".

2020, mit Beginn der Corona-Pandemie, wurde Aranea zur Vorsitzenden der Grünen in der Bezirksvertretung Mönchengladbach-Ost. Etwa zeitgleich weitete sich ihr politisches Feindbild aus: auf die Pandemiepolitik, die damit verbundenen Sicherheitsmaßnahmen und deren Befürworter. An einem Tag, an dem Aranea ihre Tochter zur Schule brachte und beobachtete, wie zwei Erwachsene prüften, ob die Schüler ihre Masken richtig trugen, ist die ehemalige Grünen-Vorsitzende laut eigener Aussage in den "inneren Widerstand" gegangen. "Ich begann, alles zu hinterfragen", schreibt sie für den Blog von Eva Engelken. Sie übte sich zunächst in kleinen Akten des Protests. Zog ihre eigene Maske "so oft es ging" unter die Nase und wies auch ihre Tochter dazu an.

BSW-Mitarbeiterin schließt sich maßnahmenkritischen "Spaziergängen" an

Aranea schloss sich maßnahmenkritischen Gruppierungen an. Sie nahm am Mönchengladbacher Bürgerspaziergang teil und trat dem Verein "Eltern stehen auf" bei. In öffentlichen Reden während der "Spaziergänge" machte sie deutlich, dass sie den damaligen Maßnahmen nicht nur kritisch gegenüberstand, sondern sie auch für "Misshandlung von Kindern" und "Gewalt gegen Schutzbefohlene" hielt.

Am Ostersonntag 2021 bekundete Aranea im Rahmen einer Corona-Demonstration, dass sie Sympathien hege für die etwa 10.000 Demonstrierenden der "Querdenker"-Bewegung in Stuttgart, die bewusst ihre Masken wegließen und Journalisten angriffen. Sie sprach von der "Volkskörperideologie" und unterstellte der Regierung, dass der wahre Hintergrund für die Pandemie-Regelungen eine Umverteilung von Vermögen sei.

Nach diesem Auftritt stellten die Mönchengladbacher Kommunalpolitiker Araneas Mandat infrage. Felix Heinrichs, Mönchengladbachs Oberbürgermeister, sagte der "Rheinischen Post" nach der Kundgebung: "Es ist bedenklich, wenn Repräsentanten des demokratischen Staates sich gemein machen mit Corona-Leugnern." Der damalige SPD-Fraktionschef Janann Safi sagte der Lokalzeitung, er halte ihre Äußerungen für "unangemessen unddemokratiefeindlich".

Ehemalige Grünen-Politikerin tritt nach fast 20 Jahren aus der Partei aus

Auch Boris Wolkowski, Fraktionsvorsitzender der Grünen, erinnert sich an Araneas Ostersonntagsrede: "Ihre Auffassungen wichen stark von unserer Parteilinie ab", sagte er im Gespräch mit t-online. Deshalb distanzierten sich die Grünen öffentlich von Aranea und ihrer Maßnahmen-Kritik. Als ihre Partei kurz darauf eine Mitgliederversammlung einberief, um über das Verhalten der Politikerin in der Öffentlichkeit zu sprechen, trat Aranea nach fast 20 Jahren Mitgliedschaft aus ihrer Partei aus. In ihrer anschließenden Stellungnahme sprach sie von einem "Tribunal". Sich selbst sah sie als Opfer.

Nur kurze Zeit nach ihrem umstrittenen Auftritt fand Aranea eine neue politische Heimat. 2021 trat sie in Die Basis ein, eine Partei, die 2020 aus dem Protest gegen die Corona-Maßnahmen entstanden ist, als rechtsoffen gilt und Verbindungen zur "Querdenker"-Bewegung hat. Aranea wurde Mönchengladbachs Direktkandidatin für die Bundestagswahl. Mitglied der Partei ist sie bis heute. Das geht aus dem Ratsinformationssystem der Stadt hervor. Oberbürgermeister Heinrichs sagt im Gespräch mit t-online, dass sie sich dort auch immer noch politisch einbringe. Ihr ehemaliger Parteikollege Boris Wolkowski findet es "merkwürdig", dass Aranea ein politisches Amt für Die Basis in Mönchengladbach innehält und gleichzeitig im Aachener BSW-Büro sitzt. Er selbst, so sagt er, würde niemanden mit einem anderen Parteibuch einstellen.

Aranea erklärt ihre ehemaligen Parteikollegen zum Feindbild

Nach dem Austritt bei den Grünen wurde Araneas Ton schärfer. Besonders ihre eigenen ehemaligen Parteikollegen erklärt Aranea nach ihrem Parteiaustritt zum "Gegner". Um den politischen Gegner zu diffamieren, bemühte die promovierte Soziologin Verschwörungssprech und immer wieder auch antisemitische Codes. An Eindeutigkeiten schrammt sie dabei immer haarscharf vorbei.

Ihre ehemaligen Parteikollegen nennt sie auf Telegram die "Grünen Kinderfänger". Der Begriff "Kinderfänger" wurde historisch bereits häufig in antisemitischen Kontexten gebraucht: Die mittelalterliche "Ritualmordlegende" beschuldigte Juden, christliche Kinder zu entführen und zu ermorden. Im Rahmen der NS-Propaganda wurde dieses Bild wiederbelebt. Bei einer Rede des Friedensbündnisses NRW am 13. Mai 2023 sprach Aranea von den Grünen als "neuer rechter Krake", auch dieses Bild nutzten bereits Nationalsozialisten als Symbol für eine angebliche jüdische Weltverschwörung. Aranea sprach am 14. Mai 2022 vor Protestlern in Köln außerdem von der "New World Order", auf Telegram von den "Grünen Globalisten", und dem "WHO-Pandemievertrag" – Äußerungen, die auf ein Weltbild schließen lassen, das mindestens von einer Verschwörung der Eliten ausgeht.

BSW-Mitarbeiterin geht auf Stimmenfang am rechten Rand

Doch Aranea bemüht auf der Straße und auf Telegram nicht nur die Sprache von Verschwörungstheoretikern, sondern auch die der Rechten und Rechtspopulisten. Bei einer Rede der "Bürgerinitiative MG", sprach sie am 20. August 2022 vor Protestlern über "politisch motivierte Säuberungsaktionen gegen Oppositionelle im Gesundheitswesen", auf Telegram deutete Vergleiche mit SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann und dem Holocaust an, um Kritik zu äußern. Öffentlich zeigt sie sich mit AfD-Politikern und kritisiert "grünen Genderterror", Transsexuellen-Rechte und die "Staatssender". Sie postet Artikel aus der "Jungen Freiheit", die als Sprachrohr der neuen Rechten gilt, und teilt Beiträge des rechtspopulistischen Senders Servus TV.

In Interviews, Stellungnahmen und Gesprächen (etwa mit dem umstrittenen Ex-Linken-Politiker mit Stasi-Vergangenheit Diether Dehm) distanziert Aranea sich von "Reichsbürgern", Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Allerdings läuft sie mit ihnen Seite an Seite auf Demonstrationen. Dagegen könne man nichts tun, sagt sie. Schließlich könne man nicht kontrollieren, wer auf Demonstrationen mitlaufe und wer nicht, und ausschließen wolle sie niemanden. Doch ihre öffentlichen Aussagen sprechen eine andere Sprache: nämlich die der Politiker, die bewusst unter Rechtspopulisten auf Stimmenfang gehen.

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Wurde Aranea vor Antritt ihrer Beschäftigung überprüft?

Ob der BSW-Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko um die Radikalisierung, Vergangenheit und Ansichten seiner Büromitarbeiterin weiß? Davon ist auszugehen. Auf der Plattform Telegram stehen Hunko und Aranea in Verbindung. Er zeigt sich mit ihr auf seinem Kanal, sie repostet zuverlässig Inhalte seines Kanals. Hunko wollte sich allerdings weder auf Anfrage von t-online noch auf Anfrage von Correctiv über seine Mitarbeiterin und ihre politischen Ansichten äußern.

Der BSW-Bundesverband jedenfalls hat Mona Aranea, Hunkos offizielle Mitarbeiterin für den kommenden Wahlkampf, nicht überprüft. Das teilt Christian Posselt, Sprecher für den Bundesverband auf Anfrage von Correctiv, mit. Zu Araneas Äußerungen auf der Straße und im Netz wollte aber auch Posselt sich nicht äußern. Über die Anstellung der BSV-Mitarbeiter würden die Abgeordneten selbst entscheiden. Die Partei nehme darauf keinen Einfluss. Die Entscheidung darüber, Aranea zu beschäftigen, liege also allein bei Hunko.