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Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Neonazi-Hooligans bei Alemannia Es muss erst einen Aufschrei geben
Die Alemannia will nach einer Massenschlägerei in Verl Rechtsextreme dauerhaft aus dem Stadion verbannen. Endlich handelt der Verein – doch dafür musste erst wieder etwas passieren. Das macht ihn nicht besonders glaubwürdig.
Mehrere Personen der sogenannten Wagner-Gruppe um den Neonazi Sascha Wagner provozieren am vergangenen Samstag (25. Januar) beim Auswärtsspiel in Verl im Aachener Fanblock mit rechtsextremen Symbolen. Es kommt zu einer Schlägerei mit anderen Alemannia-Fans, die das nicht dulden – eine Hundertschaft der Polizei muss eingreifen.
Die Alemannia veröffentlicht daraufhin eine Stellungnahme, in der sie Rechtsextremismus verurteilt und ankündigt, rechtsextreme Personen unbefristet aus dem Stadion zu verbannen. Der Verein will somit – endlich, nach jahrelangem Wegducken – konsequent durchgreifen. Doch für diese Erkenntnis musste es erst zu einer Schlägerei kommen. Das lässt den Verein unglaubwürdig erscheinen.
Alemannia: Statements gegen rechts kommen nur unter Druck
Generell stellt sich die Frage, warum Rechtsextreme wie die "Wagner-Gruppe" überhaupt noch Spiele der Alemannia besuchen konnten – auf Anfrage von t-online sagte eine Sprecherin des Vereins, dass man sie "über Monate hinweg genau beobachtet und dokumentiert" habe. Die Gesinnung Wagners und seiner Gefolgsleute hatten für ein Stadionverbot bislang offenbar nicht gereicht – dafür brauchte es erst die Geschehnisse in Verl.
Die Alemannia setzt zwar endlich ein Zeichen gegen rechts – aber anscheinend nur, wenn sie dazu gezwungen wird. Das zeigen auch andere Beispiele der vergangenen Monate: Im Januar 2024 gehen in ganz Deutschland Hunderttausende Menschen gegen rechts auf die Straße. Die Alemannia bezeichnet die Proteste als "Spaltung der Gesellschaft" – und kassiert einen Shitstorm. Der Verein reagiert: Man entschuldigt sich, distanziert sich von rechts und läuft beim nächsten Heimspiel mit Trikots auf, auf denen Statements gegen Rassismus zu sehen sind.
Im August 2024 decken WDR und Sportschau in einer gemeinsamen Recherche alarmierende Verbindungen der Vereinsführung zu rechtsextremen Hooligans am Tivoli auf. Der Verein weist die Vorwürfe als "völlig falsches Bild" zurück. Wieder gibt es negatives Feedback, wieder löscht die Alemannia ihr Statement. Stattdessen räumen Geschäftsführer Sascha Eller und Aufsichtsratschef Marcel Moberz in einer Video-Stellungnahme erstmals eigene Fehler im Umgang mit rechtsextremen Fans ein und kündigen Besserung an. Auch hier wieder: Reaktion statt Aktion.
Aktion statt Reaktion würde der Glaubwürdigkeit guttun
Denn ohne medialen Aufschrei verzichtet die Alemannia auf ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus. Bei den Protesten gegen eine Neonazi-Demo in Aachen am 18. Januar, zu denen Tausende Menschen kamen, fehlte die Alemannia – wie ein Jahr zuvor – erneut. Dieses Mal gab es allerdings nicht einmal ein Statement. Auf Anfrage von t-online sagte die Sprecherin des Vereins, dass dies nichts zu bedeuten habe. An dem Tag seien zudem ein paar Vertreter und Spieler des Vereins bei einer Essensausgabe für Bedürftige gewesen. Vielleicht blieb man den Protesten aber auch fern und positionierte sich nicht, weil es medial nicht aufgegriffen wurde.
Dass die Alemannia auf die Vorfälle in Verl reagiert und endlich ankündigt, hart gegen Rechtsextreme im Stadion vorzugehen, ist lobenswert. Doch auch hier kam die Reaktion erst, als abzusehen war, dass es wieder Medienschelte geben wird. Es wäre wünschenswert, wenn die Verantwortlichen auch ohne Druck von außen handeln würden. Mehr Agieren statt Reagieren würde der Glaubwürdigkeit guttun – so könnte die Alemannia klarmachen, dass sie kein Rechtsaußen-Verein ist.
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