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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Was sie aßen und tranken Diesen Müll hinterließen die britischen Royals
Holyrood Palace ist die Sommerresidenz der britischen Königin in Schottland. Archäologen haben das Gelände auf den Müll von Jahrhunderten untersucht. Und förderten Erstaunliches zutage.
Jeden Sommer reist Queen Elizabeth II. für eine Woche ins schottische Edinburgh. Dort gibt sie Gartenpartys, trifft sich mit der schottischen High Society, empfängt eine endlos lange Reihe von Gästen, die Ihrer Majestät berichten, was im Norden ihres Reiches so alles geschieht, und führt ihre Corgis im Park spazieren.
Die Queen wohnt dann jedoch nicht etwa im Edinburgh Castle, das stolz und düster über der Stadt thront. Stattdessen residiert sie im weitaus freundlicheren Holyrood Palace, einer Palastanlage auf den Ruinen eines alten Klosters. Diesen Sommer weilten allerdings auch noch andere Gäste auf dem Gelände. Eine Gruppe von Archäologen suchte in der Residenz nach Spuren aus der bewegten Vergangenheit des Palastes.
Spuren exzessiver Gelage
Zu Tage kam königlicher Müll aus 800 Jahren, darunter auch die Küchenabfälle der schottischen Königin Maria Stuart. Dort, wo einst ihr königlicher Hofstaat hauste, stießen die Ausgräber auf Massen von Austernschalen und Weinflaschen. Die unglückliche Maria lebte von 1561 bis 1567 in den Mauern von Holyrood.
Möglicherweise stammten die Überreste der luxuriösen Mahlzeiten sogar von einem der rauschenden Feste, die Holyrood in jenen Jahren erlebte. Zweimal gab Maria Stuart hier das Eheversprechen: Zum ersten Mal 1565 dem drei Jahre jüngeren Lord Darnley, in den sie Hals über Kopf verliebt war, zum zweiten Mal nur zwei Jahre später dem Earl of Bothwell – der möglicherweise ihren ersten Mann ermordet hatte.
Doch auch schon vor der Zeit Marias herrschte reges Treiben in den Klostermauern. Zu den ältesten Funden gehören neben einem mittelalterlichen Lederschuh auch Holzbalken aus dem 12. Jahrhundert. Sie stammen vermutlich von einer Terrasse, die einen trockenen Zugang zur Abtei erlaubte.
See trocken gelegt
Denn als Holyrood im Jahr 1128 gebaut wurde, lagen die Gebäude noch auf einer Insel in der Mitte eines Sees. Der schottische König David I. hatte den Bau in Auftrag gegeben – an just jener Stelle, an der ihm bei der Jagd eine Vision erschienen war. Der König hatte auf der Insel einen gewaltigen Hirschen gesehen, zwischen dessen Geweihenden ein leuchtendes Kreuz, ein "Holy Rood", prangte.
Erst 1507 gab James IV. den Auftrag, den See trockenzulegen. Er wollte seine junge Frau, Königin Margaret Tudor, beeindrucken und lies auf der neu gewonnenen Fläche Tennisplätze entstehen sowie Falknerei- und Bogenschießwettkämpfe veranstalten. James IV. war es auch, der die ehemalige Abtei endgültig zur königlichen Residenz erklärte und entsprechend ausbaute.
Die neue Gartenanlage diente allerdings nicht ausschließlich dem royalen Vergnügen – sondern gelegentlich auch als Müllkippe. Die Archäologen fanden unter dem englischen Rasen Küchenabfälle, und zwar die Knochen von Rindern aus den Highlands und von den Äußeren Hebriden. Für die Ausgräber war dies ein Glücksfall, denn die Rinderknochen belegen den regen Austausch und Handel zwischen der schottischen Hauptstadt und den dünn besiedelten Gebieten im Norden und Westen des Landes.
Ließ ein König sein Lieblingspferd bestatten?
Am Rande des Vorplatzes des Palastes, ganz in der Nähe des mittelalterlichen Friedhofes, kam dann sogar noch das komplette Skelett eines Pferdes zu Tage. Der Fund stellt die Ausgräber allerdings vor ein Rätsel. Es kam in der jüngeren Geschichte zwar durchaus schon vor, dass berühmte Rennpferde in Großbritannien mit vollen Ehren auf dem Rennplatz bestattet wurden. In der Regel war die Entsorgung verstorbener Vierbeiner aber schon immer Aufgabe des Abdeckers. War das Tier vielleicht das Lieblingspferd eines Königs?
Traditionell müssen alle britischen Monarchen das Reiten erlernen. Queen Elisabeth II. gilt als Pferdenarr, seit sie im Alter von vier Jahren ihr erstes Shetlandpony geschenkt bekam. Als Erwachsene ritt sie achtzehn Jahre lang ihre schwarze Stute Burmese. Noch heute züchtet die Königin sowohl Englische Vollblüter als auch Shetlandponys. Möglicherweise begeisterte sich auch schon einer ihrer Vorgänger so sehr für Pferde, dass er sein Lieblingstier innerhalb der Palastmauern bestattete.
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Im 18. Jahrhundert zog Holyrood zeitweilig einige schattige Charaktere an. In den Häusern an der Abbey Strand, dort wo einst Maria Stuarts Hofstaat residierte, drängten sich nun dicht an dicht die Tavernen. Auch der berühmte Bordellbesitzer Lucky Spence lebte in einem der Gebäude. Schuld an den zwielichtigen Bewohnern war eine Regel, die Schuldnern im Umkreis von fünf Meilen des Palastes Schutz vor strafrechtlicher Verfolgung gewährte.
Keine Spur vom Geist
Sonntags war es den armen Schluckern sogar erlaubt, in die Stadt zu spazieren – denn am Tag des Herrn durfte die Polizei niemanden verhaften. 6.502 Schuldner nahmen zwischen 1686 und 1880 den Schutz von Holyrood Palace in Anspruch. In diesen Jahren hinterließen auch sie jede Menge Müll. Die Ausgräber fanden unzählige Wein- und Schnapsflaschen. Aber auch Kinderspielzeug zeugt von dem regen Leben und Treiben in den engen Häusern des Abbey Strand.
Ein Geheimnis von Holyrood Palace konnten die Archäologen allerdings nicht weiter erhellen. In den Mauern soll der Geist von "Bald Agnes" sein Unwesen treiben. Agnes Sampson galt als Hexe und wurde in Holyrood Palace von König James VI. persönlich verhört. Wie damals üblich, rasierten die Folterknechte ihr sämtliche Körperbehaarung ab und beraubten sie ihrer Kleidung. In diesem Zustand wird sie heute noch gelegentlich gesichtet. Von ihr fanden die Ausgräber jedoch keine Spur.
- Eigene Recherchen