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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Medizinischer Befund Wie Hitler sich gleich zweifach umbrachte
Adolf Hitlers sterbliche Überreste liegen in einem Moskauer Archiv. Forscher durften sie nun untersuchen: Und belegen die Vermutung, dass der Diktator tatsächlich doppelten Suizid beging.
Es muss abstoßend gewesen sein, diesem Mann in den Mund zu schauen. Von seinen eigenen Zähnen im Unterkiefer waren nur noch die vier vorderen vollständig erhalten. Der restliche Kiefer wurde von einer Spange überbrückt, unter der ein paar übrig gebliebene Stummel der Metallfassung notdürftig Halt gaben.
Das Zahnfleisch um die vier Vorderzähne war von Parodontitis zerfressen, die angebräunten Zahnhälse lagen frei. Begann der Mann zu sprechen, wallte dem Zuhörer der vom eitrigen Zahnfleisch und einer chronischen Magenschleimhautentzündung faulige Atem ins Gesicht. Und doch hörten Millionen Menschen gebannt zu, wenn er redete. Denn dieser Mann war Adolf Hitler.
Zweifelsfrei Hitlers sterbliche Überreste
Eine Forschergruppe um den Anthropologen Philippe Charlier von der Université Paris-Descartes hat erneut die Überreste des angeblichen Hitler-Schädels untersuchen dürfen, die vom russischen Geheimdienst FSB in seinen Moskauer Archiven verwahrt werden. Im "European Journal of Internal Medicine" legten die französischen Wissenschaftler Ende vergangenen Monats die Untersuchungsergebnisse vor.
Bei dem Schädelfragment und den Kieferstücken handele es sich zweifelsfrei um die sterblichen Überreste des Diktators, stellte Charlier fest. "Er ist also nicht in einem U-Boot nach Argentinien geflohen, er ist nicht in einem versteckten Stützpunkt in der Antarktis oder auf der Schattenseite des Mondes", versicherte der französische Anthropologe gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
"Das sind die Zähne des Führers"
Charlier verglich zunächst die Knochen und Zähne mit Röntgenaufnahmen von Hitlers Kopf, die unmittelbar nach dem Attentatsversuch auf ihn im Juli 1944 angefertigt wurden, als der Führer über Kopfschmerzen jammerte. Die Ähnlichkeiten bestätigten: Die Zähne sind echt. Damit untermauert er auch den Bericht der russischen Übersetzerin Elena Rshewskaja.
In ihren Lebenserinnerungen beschreibt Rshewskaja, wie ihr Vorgesetzter ihr 1945 eine billige Schmuckschatulle in die Hand drückte. Als sie den Deckel öffnete, lag darin ein teilweise noch mit Zahnfleisch bedeckter Kiefer. "Das sind die Zähne des Führers", kommentierte ihr Chef. "Wenn Du die verlierst, kostet es dich den Kopf!" Er habe keinen Tresor, um das Fragment darin aufzubewahren, führte er aus.
Der sicherste Ort sei also derzeit in Rshewskajas Händen, "weil du als Frau weniger dazu neigst, dich zu besaufen und sie zu verlieren, als ein Kerl." Die Übersetzerin war auch dabei, als die Assistentin von Hitlers Zahnarzt befragt wurde. Ein kurzer Blick auf die Zahnruinen in der Schmuckschatulle genügten: "Das sind ja Hitlers Zähne!", rief die junge Frau entsetzt.
Keine Pulverspuren an den Zahnresten
In den Zahnsteinablagerungen an den Zahnhälsen konnte Charlier keine Muskelfasern finden. Das deckt sich mit der Überlieferung, dass Hitler als Vegetarier tatsächlich niemals Fleisch konsumierte. Dafür fand er Spuren von Tonerde – die Hitler schluckte, um seine chronischen Magenschmerzen in den Griff zu bekommen.
Bei den winzigen bläulichen Ablagerungen auf der Zahnbrücke könnte es sich um eine chemische Reaktion von Zyankali mit dem Metall handeln, mutmaßen die Autoren der Studie weiterhin. Das würde die Berichte bestätigen, nach denen Hitler am 30. April 1945 seinem Leben ein Ende setzte, indem er auf eine Zyankalikapsel biss. Mit Sicherheit tödlich war allerdings auch die Pistolenkugel, die ein Loch in das erhaltene Schädelstück schlug. Es ist ein Austrittsloch. Die Mündung der Pistole hatte Hitler sich aber nicht in den Mund gesteckt, als er abdrückte, denn an den Zähnen klebten keine Pulverspuren.
Wahrscheinlicher ist, dass der Diktator sich die Waffe an die Schläfe hielt. Offenbar hatte Hitler große Angst, einen einfachen Selbstmordversuch zu überleben, und beging in deutscher Gründlichkeit doppelten Suizid. Mit der Untersuchung der Schädel- und Kieferfragmente konnte Charlier endlich auch die Zweifel aus der Welt räumen, die der amerikanische Anthropologe Nick Bellantoni im Jahr 2009 gesät hatte.
Verunreinigte Proben?
Nach der DNA-Untersuchung einer Probe vom Schädelstück war der nämlich zu dem Schluss gekommen, dass der Knochen gar nicht von Hitler stamme – sondern von einer Frau. Mögliche Ursachen für dieses überraschende Ergebnis gibt es viele. Zu den Hauptverdächtigen gehört beispielsweise die Archivarin, die das Schädelfragment jedem Besucher mit bloßen Händen zur Inspektion überreicht. Ihre DNA klebt damit überall an der Außenseite des Knochens.
Das vermutete auch schon der deutsche Kriminalbiologe Mark Benecke, der 2003 für einen Dokumentarfilm die sterblichen Hitler-Reste in der Hand gehalten und die eindeutige Übereinstimmung mit den Röntgenaufnahmen bestätigt hatte.
Das Schädelstück und die Kieferfragmente sind alles, was von Hitler noch übrig ist. Bevor der Diktator sich am 30. April 1945 gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Ehefrau Eva Braun das Leben nahm, machte er sich große Sorgen um seinen Leichnam. "Ich möchte nicht, dass meine Leiche von den Russen in einem Panoptikum ausgestellt wird", vertraute er dem SS-Adjutanten Otto Günsche an.
Strengste Geheimhaltung
Dieser versuchte also sein Bestes, um gemeinsam mit Hitlers Kammerdiener Heinz Linge und Martin Bormann den toten Hitler verschwinden zu lassen. Die drei übergossen die Leiche mit Benzin und zündeten sie an. Doch außerhalb von Scheiterhaufen oder Krematorium will ein frischer Leichnam nicht so recht brennen. Es blieb bei einigen Kokelspuren und notdürftig verscharrten die Helfer die Körper von Hitler, seiner Frau und seinen beiden Schäferhunden in einem flachen Granatentrichter vor dem Führerbunker.
Von dort zerrte eine Einheit des sowjetischen Militärgeheimdienstes namens "Smersch", für die auch die Übersetzerin Elena Rzhevskaja arbeitete, die Leichen nur wenige Tage später wieder ans Tageslicht. Ins Panoptikum stellten die Russen Hitler nicht. Vielmehr herrschte strenge Geheimhaltung, was den Verbleib der Knochen anging.
Hitlers Asche in einer Plastiktüte
Erst viel später wurde öffentlich, dass die Russen sie mehrmals umbetteten: von Berlin nach Finow, wo die Knochen in einem kleinen Wäldchen in einer Munitionskiste vergraben wurden, von Finow nach Rathenow, von Rathenow nach Stendal und von Stendal schließlich in eine Garage in der Klausener Straße 32 in Magdeburg.
Erst am 4. April 1970 setzten die Sowjets dem Spuk ein Ende. Sie verbrannten, was nun von Hitler noch übrig war, füllten die kalte Asche in eine Plastiktüte und streuten sie von einer Brücke in das kleine Flüsschen Ehle, das später in die Elbe mündet. Das Schädelstück und der Kiefer aber lagen zu dem Zeitpunkt schon lange in den Archiven.