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Mysorische Raketen: Indiens tödlicher Regen aus Feuer und Eisen


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Raketen im 18. Jahrhundert
Indiens tödlicher Regen aus Feuer und Eisen


06.09.2018Lesedauer: 4 Min.
Tipu Sultan auf einem Elefanten: Der sogenannte "Tiger von Mysore" setzte auch Raketen gegen seine britischen Gegner ein.Vergrößern des Bildes
Tipu Sultan auf einem Elefanten: Der sogenannte "Tiger von Mysore" setzte auch Raketen gegen seine britischen Gegner ein. (Quelle: ullstein-bild)
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Sie waren völlig unterlegen, trotzdem massakrierten Soldaten des Fürstenstaates Mysore im Jahr 1780 Tausende Briten mittels Raketen. Ausgräber haben nun Exemplare der feurigen Todbringer entdeckt.

In der Schlacht von Pollilur regnete der Tod vom Himmel. Am 10. September 1780 standen sich dort die Soldaten der Britischen Ostindien-Kompanie und des mysorischen Herrschers Hayder Ali gegenüber. Eigentlich hätte es ein leichtes Spiel für die etwa 7.000 Briten sein müssen, lediglich 2.000 bis 3.000 Soldaten des südindischen Fürstenstaates Mysore traten ihnen entgegen.

Plötzlich aber zerrissen pfeifende Geräusche die Luft, dann fielen kreiselnde, feuerspeiende Klingen auf die britischen Soldaten nieder. Eine davon traf ihr Munitionslager. Die gewaltige Explosion sprengte die Reihen der Europäer auseinander, gegen den Klingenregen hatten sie keine Chance. Am Ende des Tages lagen 3.000 Briten tot auf dem Schlachtfeld, die mit den Mysoren verbündeten Franzosen feixten: "In ganz Indien gab es bislang kein Beispiel für eine ähnliche Niederlage."

Fund in einem Brunnen

Was an jenem Tag vom Himmel fiel, waren sogenannte "mysorische Raketen". Hayder Ali und sein Sohn Tipu Sultan hatten die verheerenden Waffen höchstpersönlich entwickelt. So etwas wollten die Briten unbedingt auch besitzen. Als sie zwölf Jahre später Tipu Sultans Hauptstadt Shrirangapattana eroberten, gehörten zu ihrer wichtigsten Beute 700 Raketen, 600 Raketenwerfer und 9.000 leere Kartuschen. Eilends wurden sie nach England verschifft und bildeten dort den Grundstock für die Raketenforschung des Empires. Zwei dieser historischen Beutestücke waren im Londoner Royal Artillery Museum noch bis zur Schließung der Ausstellung im vergangenen Jahr zu bewundern.

Das gesamte Arsenal Tipu Sultans plünderten die Briten damals jedoch nicht. Indische Forscher der Abteilung für Archäologie, Museen und Denkmalschutz des südindischen Distrikts Shivamogga haben in einem Brunnen des Dorfes Nagara nun weitere mysorische Raketen gefunden. "Wir haben erwartet, vielleicht 100 oder 200 Stück zu finden, aber dann entdeckten wir mehr als 1.000", freute sich Grabungsdirektor R. Shejeshwara Nayaka gegenüber der größten englischsprachigen Zeitung Indiens, der "Times of India". Es war der Geruch, der die Archäologen auf die Spur der antiken Flugkörper brachte: "Dort, wo sich der trockene Brunnen befand, roch es nach Schwarzpulver."

Die etwa 23 bis 26 Zentimeter langen, stark korrodierten Metallröhren datieren in die Regierungszeit des Tipu Sultan. Ob sie aber tatsächlich dem Arsenal des mysorischen Herrschers entstammen, muss vorerst offen bleiben. "Auch wenn er die Technologie entwickelte, heißt das noch lange nicht, dass diese Raketen ihm auch gehörten", merkt Shejeshwara an. "Um das zu bestätigen, müssen wir erst noch weitere Untersuchungen durchführen."

Regen aus Feuer und Tod

Die Briten waren gegen Ende des 18. Jahrhunderts durchaus bereits mit der Raketentechnologie vertraut und setzten sie auch gelegentlich selbst ein. Doch die britischen Geschosse waren aus Papier gebaut. Hayder Ali und Tipu Sultan hatten indes diese alte chinesische Erfindung weiterentwickelt, indem sie das notwendige Schwarzpulver dicht gepackt in Metallröhren abfüllten, deren eines Ende verschlossen wurde. Die Röhren befestigten sie an bis zu drei Meter langen Bambusstäben, die als Leitwerk funktionierten und dem Geschoss Stabilität verliehen. Mit dieser Konstruktion flogen die mysorischen Raketen bis zu zwei Kilometer weit mitten in die Reihen der Gegner hinein.

An einem Ende saßen lange, scharfe Klingen, die verheerende Wunden schlugen. Einige der Raketen explodierten beim Auftreffen auf den Boden, andere zischten Feuer spuckend wie wilde Schlangen durch die Reihen der Gegner. Und sie kamen stets in Massen angeflogen. Jeder mysorischen Brigade ordnete Tipu Sultan 200 Raketenspezialisten zu, die mühelos und blitzschnell Flugbahn und Abschusswinkel berechnen konnten.

Insgesamt gehörten rund 5.000 dieser Spezialisten zu seinen Streitkräften. Eigens gebaute Batterien schossen fünf bis zehn Raketen gleichzeitig ab, die Briten wurden so mit einem höllischen Regen aus Feuer und scharfen Klingen überzogen, aus dem es kein Entkommen gab. Ein junger britischer Soldat namens Bayly beschrieb das Grauen: "Kein Hagel könnte dichter sein. Jedes Aufblitzen des blauen Feuers wurde begleitet von einem Raketenschauer, von denen einige am Kopf unseres Zuges einschlugen und sich dann den Weg ans Ende bahnten und dabei Tod, Wunden und schreckliche Amputationen verursachten."

Einsatz gegen die USA

Am Ende gewannen die Engländer trotzdem den Krieg und Tipu Sultan starb bei der Verteidigung seiner Hauptstadt. Die Raketen, die ihnen so furchtbar zugesetzt hatten, machten die Sieger sich zu eigen. Der Erfinder William Congreve entwickelte die Technologie der mysorischen Raketen weiter. In den Napoleonischen Kriegen bekamen die Franzosen seine als Congreve’sche Raketen bekannt gewordenen fliegenden Brandsätze zu spüren.

Auch gegen die noch jungen USA setzten die Briten diese Waffe ein. Im September 1814 sah der Dichter Francis Scott Key im Britisch-Amerikanischen Krieg Congreve’sche Raketen auf Fort McHenry im Hafen von Baltimore niederregnen. Der Anblick inspirierte ihn zu einer Zeile seines Gedichtes "The Star Spangled Banner", das heute noch als amerikanische Nationalhymne gesungen wird: "And the rockets’ red glare, the bombs bursting in air ..."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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