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Wahlen in Litauen: Einigkeit gegen Putin wackelt


Wahlen in Litauen
Die Einigkeit gegen Putin wackelt

MeinungEin Gastbeitrag von Julius von Freytag-Loringhoven

Aktualisiert am 13.10.2024 - 14:32 UhrLesedauer: 3 Min.
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Feierlichkeiten zum 20-jährigen Jubiläum der Nato-Mitgliedschaft Litauens (Symbolbild): Das Land sieht sich von Putin bedroht. (Quelle: IMAGO/Yauhen Yerchak / SOPA Images/imago)

Litauen stimmt über ein neues Parlament ab. Doch bei den Wahlen geht es um sehr viel mehr – denn das kleine Land sieht sich besonders von Putin bedroht, schreibt Julius von Freytag-Loringhoven.

Am Sonntag findet die erste Runde der Wahlen für das litauische Parlament Seimas statt. Während deutsche Bundeswehrsoldaten nach Litauen verlegt werden, wird in Litauen auch über die Beziehung des Landes zu Russland und China abgestimmt.

In diesen Tagen ziehen Dutzende deutsche Bundeswehroffiziere mit einem Vorkommando und einem Aufstellungsstab für die neue Brigade nach Litauen. Ab dem kommenden Jahr soll der Rest der Kampfbrigade mit 5.000 Bundeswehrangehörigen nach Litauen verlegt werden. Sie kommen in ein Land, das viel stärker als Deutschland von der Bedrohung aus Russland geprägt ist.

Aušrinė Armonaitė, Wirtschaftsministerin und Spitzenkandidatin der litauischen Freiheitspartei, bringt den Zusammenhang auf den Punkt: "Der Kampf der Ukraine ist unser Kampf", denn wenn die Ukraine den Krieg verliere, "sind wir die nächsten". Trotz der Klarheit und des Charismas von Armonaitė sehen die letzten aggregierten Umfragen von "Politico" ihre progressiv-liberale Partei mit fünf Prozent nur noch knapp ins Parlament einziehen.

Julius von Freytag-Loringhoven
Julius von Freytag-Loringhoven (Quelle: FNF)

Zur Person

Julius von Freytag-Loringhoven leitet seit Oktober 2024 das neu gegründete Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) im Baltikum, mit Sitz in Vilnius, Litauen. Zuvor war er unter anderem für die Stiftung in Moskau und Jerusalem tätig. Zuletzt leitete er die Kommunikation der Friedrich-Naumann-Stiftung. Von Freytag-Loringhoven ist Experte für internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik.

Der litauische Außenminister Gabrielius Landsbergis, Parteichef des in der Gunst der Umfragen auf 15 Prozent gesunkenen "Vaterlandsbundes – Christdemokraten Litauens", teilt mit seinen liberalen Koalitionspartnern die eindeutige Unterstützung der Ukraine.

Gemessen an der Größe der Wirtschaftskraft des Landes übersteigt diese die deutsche Unterstützung der Ukraine bei Weitem. Gemeinsam hatte man sich aber darüber hinaus – anders als in Deutschland – auch nicht vor einer Konfrontation mit Russlands strategischem Partner, der Großmacht China, gescheut.

Sozialdemokraten werben für weniger konfrontativen China-Kurs

Als erstes Land der Europäischen Union hatte Litauen Taiwan zugestanden, eine offizielle Botschaft in Vilnius zu eröffnen. Dem waren direkte Wirtschaftssanktionen der größten Exportmacht der Welt gefolgt. Der Handelskonflikt mit China, ein Ringen eines David mit einem scheinbar übermächtigen Goliath, hatte sich aber schon nach zwei Jahren so sehr abgeschwächt, dass dieser "milde Verlauf" auch Deutschen ihre Ängste vor mehr außenpolitischer Klarheit gegenüber China nehmen könnte.

Denn China hatte bald eingelenkt und schon in der ersten Jahreshälfte 2023 waren die litauischen Exporte im Vergleich zum gesamten Vorjahr ungeachtet des Konflikts bereits um das Vierfache gestiegen.

Doch weil hohe Energiepreise und eine spürbare Inflation Wirtschaft wie Privathaushalte derzeit beuteln, werben die Sozialdemokraten für einen weniger konfrontativen Kurs mit China. Gerade dieser Fokus mit einer möglichen wirtschaftspolitischen Bedeutung ließ sie den Umfragen zufolge mit 25 Prozent zur stärksten Kraft der kommenden Wahl werden.

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Unterstützung der Ukraine wird von breiter Masse getragen

Trotz eines weniger konfrontativen Tons zweifeln die Sozialdemokraten nicht die Unterstützung der Ukraine an, die auch von der breiten Masse der Zivilbevölkerung getragen wird. Aber, ähnlich wie in Deutschland, gibt es selbst im viel direkter von Russland bedrohten Litauen Parteien, die für mehr Diplomatie, für "Frieden" mit Putin und weniger Unterstützung der Ukraine werben.

Ähnlich wie die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht wirbt in Litauen die Partei der meist russischsprachigen polnischen Minderheit, die sogenannte Christliche-Familienallianz, für einen Ausgleich mit Russland, allerdings derzeit mit der geringen Zustimmung von zwei Prozent nach Umfragen.

Für Gegner Putins wirkt dabei tatsächlich die wirtschaftlich links-populistische und sozial-konservative Partei Litauische Bauern und Grüne Union, die antirussische Einstellungen kritisieren und auch die Wirtschaftsbeziehungen mit China vertiefen wollen, bedrohlicher. Denn diese mildere Anlehnung an den Kreml erreicht selbst in Litauen 13 Prozent in den letzten Umfragen.

Deutschland und Litauen müssten "Einheitsfront" bilden

Auf Einladung der Deutschen Botschaft zum Tag der Deutschen Einheit verlangte Viktorija Čmilytė-Nielsen, Sprecherin des Seimas, in ihrer programmatischen Rede im alten Rathaus von Vilnius, dass Deutschland und Litauen "eine Einheitsfront zur Verteidigung unserer Demokratien" in der Ukraine bilden. Führung aus Berlin sei "von besonderer Wichtigkeit".

Sie ist bei den Wahlen am Wochenende Spitzenkandidatin der Liberalen Bewegung, die wie die Freiheitspartei eine liberale Grundrichtung mit Klartext gegenüber Putin verbindet.

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Aber wie bei Landsbergis hat man in beiden liberalen Parteien die Sorge, dass die Sozialdemokraten milder im Umgang mit Russland und China werden könnten. Deswegen schwingt im Appell für eine Einheitsfront zur Unterstützung der Ukraine von Čmilytė-Nielsen auch etwas Sorge mit, dass die nächste Regierung vorsichtiger in ihrer Unterstützung werden könnte.

Beim Spaziergang durch Vilnius sieht man immer wieder Plakate, auf denen die sozialdemokratische Abgeordnete und Kandidatin Dovilė Šakalienė vor einer litauischen und einer Nato-Fahne steht. Dadurch scheint sehr bildhaft auch der vermeintlich vorsichtigere Kurs der Sozialdemokraten fest im westlichen Verteidigungsbündnis verankert.

Was man bei den Putinfreunden in Deutschland – von AfD bis Sahra Wagenknecht – nicht sagen kann.

Die im Gastbeitrag geäußerten Ansichten geben die Meinungen der Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

Verwendete Quellen
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