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Kursk-Offensive der Ukraine: Wie reagiert Putin?


Putins Reaktion auf Kursk-Offensive
"Der Export der Kämpfe ist katastrophal"


23.08.2024Lesedauer: 3 Min.
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Ukraine-Krieg - KurskVergrößern des Bildes
Russische Truppen versuchen seit mehr als einer Woche, die Offensive der ukrainischen Streitkräfte zurückzuschlagen. (Quelle: Uncredited/Russian Defense Ministry Press Service/AP/dpa/dpa-bilder)

Wie reagiert Wladimir Putin auf den ukrainischen Vorstoß in der russischen Region Kursk? Im russischen Verteidigungsministerium geht offenbar die Angst um.

Seit mehr als zwei Wochen ist die russische Region Kursk ein Kriegsgebiet. Am 6. August überschritten ukrainische Soldaten die Grenze zum Nachbarland und nahmen schnell große Gebiete ein. Bis zu 1.250 Quadratkilometer russisches Territorium sollen sie laut dem ukrainischen Verteidigungsministerium kontrollieren. Mittlerweile ist ihr Einmarsch zwar durch russische Truppen- und Geräteverlegung aus dem Osten der Ukraine verlangsamt worden, dennoch stoßen ukrainische Soldaten jeden Tag weiter auf russisches Staatsgebiet vor.

Für den russischen Präsidenten Wladimir Putin ist der ukrainische Einmarsch eine Blamage. Aus seiner dreitägigen "Spezialoperation", die im Februar 2022 begann und mit der Eroberung der ukrainischen Hauptstadt Kiews und der Installation einer Marionettenregierung enden sollte, ist ein brutaler Abnutzungskrieg geworden, der nicht nur jeden Tag hunderte russische Soldaten das Leben kostet, sondern mittlerweile auch Russland erreicht hat. Zehntausende Zivilisten mussten bereits aus dem russisch-ukrainischen Grenzgebiet in der Region Kursk fliehen.

Und wie reagiert Putin? Fest steht: Für Russland kommt die ukrainische Kursk-Offensive einem Gesichtsverlust gleich und es gilt als wahrscheinlich, dass Putin personelle Konsequenzen aus dieser Ohrfeige ziehen wird. Bislang gab es noch keine größeren personellen Veränderungen im russischen Sicherheitsapparat. Im russischen Verteidigungsministerium geht offenbar die Angst um, wie mehrere Quellen berichten.

Verteidigungsminister gibt Fehler zu

Ein Stimmungsbild zeichnet das russische Nachrichtenmagazin "Verstka", das 2022 von unabhängigen Journalisten in Russland gegründet wurde, um eine Antwort auf die Gleichschaltung der russischen Medien nach Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine zu liefern. "Verstka" zitiert eine Quelle, die der russischen Regierung nahestehen soll: "Der Export der Kämpfe auf russisches Territorium ist katastrophal." Der nicht näher genannte Mann sagt, er glaube nicht, dass das russische Militär seine Positionen in der Ukraine aufgeben wolle. Gleichzeitig gebe es allerdings nicht genügend Soldaten, um Kursk zu verteidigen und trotzdem weitere Fortschritte in der Ukraine zu erziehen. Ein Dilemma für Putin.

Selbst der russische Verteidigungsminister Andrej Belousow gibt Planungsfehler zu, die den Einmarsch der Ukraine ermöglicht haben sollen. Wie das unabhängige Nachrichtenportal "Meduza" berichtet, soll er kurz nach Beginn der ukrainischen Offensive die Einrichtung eines "Koordinierungsrates für Sicherheitsfragen der Regionen Belgorod, Brjansk und Kursk" angeordnet haben. Diesen habe Belousow sogleich aufgefordert, "Probleme ohne Verzögerungen" zu lösen und "unverzüglich und wahrheitsgemäß" über Informationen aus dem Gebiet zu berichten. Doch das klappte offensichtlich nicht.

Hin- und Herschieben der Schuldfrage

Laut einem weiteren Regierungsbeamten gibt es einen Grund dafür, dass Belousow ausdrücklich eine schnelle Kommunikation erwähnte, berichtet "Verstka": Der Kreml sei mit der Situation in Kursk sehr unzufrieden. "Es gab keine rechtzeitigen Meldungen über den drohenden feindlichen Angriff", erklärt der Beamte dem Investigativportal. "Das Militär gibt den Geheimdiensten die Schuld, und die Beamten in Kursk geben dem Militär die Schuld."

Dieses Hin- und Herschieben der Schuldfrage habe beim Personal im russischen Verteidigungsministerium Angst ausgelöst: "Alle haben Angst, dass Köpfe rollen und strafrechtliche Anklagen erhoben werden, aber das wird natürlich erst später kommen", erklärt der Beamte "Verstka".

Weiterhin offenbare der Überfall nicht nur das Versagen des Verteidigungsministeriums, sondern auch das der "Kursker Beamten", einschließlich der Verwaltung unter der Leitung des amtierenden Gouverneurs Alexej Smirnow und seines Vorgängers Roman Starowoit, der nach dem Amtsantritt von Wladimir Putin im Mai zum Verkehrsminister befördert wurde. Denn die Beamten in der russischen Grenzregion schafften es laut Beobachtern nicht, dem Kreml zeitnah eine realistische Übersicht über die Lage nach der ersten Attacke der Ukraine zu liefern.

Putin ist bekannt für Personalrochaden

Trotz der Missstände, die der Angriff auf Kursk offenbarte, reagierte der Kreml-Chef bisher nicht. Dass Putin auf die ihm zugeführte Blamage reagiert, gilt jedoch als wahrscheinlich – denn der Machthaber im Kreml hat im Verlauf des Krieges mehrmals mit Personalrochaden auf Misserfolge in der Ukraine reagiert. Meistens erfolgten die personellen Konsequenzen mit Verzögerung. So hatte er zum Beispiel zahlreiche Geheimdienstoffiziere festnehmen lassen, weil sie wahrscheinlich die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu Beginn der Invasion unterschätzen und Putin laut Experten offenbar falsch informierten.

Zuletzt musste Sergej Schoigu im Mai seinen Posten als Verteidigungsminister räumen, er wurde in den Sicherheitsrat versetzt. Er verdrängte den mächtigen Nikolai Patruschew, den Putin zum "Präsidentenberater für Schiffbau" degradiert hatte, von seinem Posten – ein heftiger Absturz des Mannes, den manche Beobachter für den zweitmächtigsten Politiker in Russland hielten.

Ob dem russischen Verteidigungskomplex eine ähnliche Machtrochade bevorsteht, bleibt abzuwarten. Die Nervosität im Verteidigungsministerium dürfte vermutlich noch weiter steigen, sollte es der russischen Armee nicht gelingen, die Ukraine zeitnah aus Kursk zurückzudrängen. Denn dann würde Putins Unzufriedenheit weiter wachsen und personelle Konsequenzen würden immer wahrscheinlicher werden.

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